Im Paragraphendschungel – Attacke auf Attac

Wessen Nutzen ist gemein?

Kolumne Von Hartmut Liebs

Im Paragraphendschungel – eine Kolumne über das Recht im linken Alltag, Teil 15

Das Urteil des Bundesfinanzhofs, das Attac die Gemeinnützigkeit abspricht, wird derzeit intensiv diskutiert und jeder scheint eine Meinung dazu zu haben. Vorwiegend äußert diese sich darin, eine aus linker Sicht verächtliche Vereinstätigkeit anderer heranzuziehen, um dann zu postulieren, es sei ja lachhaft, dass diese steuerrechtlich gemeinnützig sei, aber die Tätigkeit von Attac nicht. Es wird selten juristisch argumentiert, vielmehr wird die eigene Vorstellung von Gemeinnutz herausgestellt. Hier soll versucht werden, das Urteil inhaltlich zu erschließen.

Die entscheidende Norm in dem Rechtsstreit ist der Paragraph 52 der Abgabenordnung. In dessen Absatz zwei findet sich ein umfangreicher Katalog von 25 Tätigkeiten, die als gemeinnützig im Sinne des Gesetzes gelten. Globalisierungskritik gehört nicht dazu, weswegen sich Attac auch nicht darauf berief, sondern geltend machte, Zwecke der Volksbildung beziehungsweise der allgemeinen Förderung des demokratischen Staatswesens zu verfolgen. Der Bundesfinanzhof hat diese Argumentation abgelehnt und den Fall an das Finanzgericht Kassel zurückverwiesen, das zunächst die ­Gemeinnützigkeit bejaht hatte.

Politische Bildungsarbeit setzt dem Bundesfinanzhof zufolge »ein Handeln in geistiger Offenheit« voraus. »Daher ist eine Tätigkeit, die darauf abzielt, die politische Willensbildung und die ­öffentliche Meinung im Sinne eigener Auffassungen zu beeinflussen, nicht als politische Bildungsarbeit gemeinnützig.« Ähnlich ­argumentiert allerdings auch ein von Attac 2009 im Rahmen der »4. Bertelsmann-kritischen Tagung« beworbenes Rechtsgutachten von Klaus Lindner, Michael Krämer und Wiebke Priehn. Gegen die Gemeinnützigkeit der Bertelsmann-Stiftung gerichtet schreiben diese: »Die Förderung politischer Zwecke (…) ist kein gemeinnütziger Zweck. Dies gilt auch für das Bemühen, ähnlich einer politischen ­Partei Einfluss auf die politische Meinungsbildung zu nehmen.«

Dass nun die Gemeinnützigkeit von Attac auf dem Spiel steht und nicht die der Bertelsmann-Stiftung, wird verständlicherweise als unfair gesehen und ist leider den politischen Kräfteverhältnissen geschuldet. Konservative und wirtschaftsliberale Politiker ließen die Gelegenheit nicht verstreichen und fordern, weiteren miss­liebigen Organisationen die Gemeinnützigkeit abzuerkennen. Das Urteil lässt sich allerdings nicht so einfach übertragen; jedenfalls kann sich die Deutsche Umwelthilfe darauf berufen, dass der Naturschutz im Katalog des Paragraphen 52, Absatz zwei der Abgabenordnung explizit genannt wird. Der Katalog ist letztlich Ausdruck einer konservativ geprägten Gesellschaft. Eine Ergänzung der Tätigkeiten, die als gemeinnützig gelten, wird zurzeit ebenfalls gefordert, würde allerdings auch den unternehmernahen Stiftungen und ­ihren tagespolitischen Tätigkeiten zugutekommen.

Man sollte das Urteil des Bundesfinanzhofs daher eher zum Anlass nehmen, die Gemeinnützigkeit dieser Vereine erneut in Frage zu stellen. Attac hilft das freilich nicht, aber vielleicht ist der Ansatz der Organisation auch einfach überholt. Einen steuerrechtlichen Ausweg bietet Paragraph 52, Absatz zwei der Abgabenordnung: auch die Förderung des traditionellen Brauchtums gilt als gemeinnützig. Die Zeiten der großen Antiglobalisierungsbewegungen sind zwar vorbei, aber für ordentliche Umzüge wie beispielsweise in Frankfurt am Main langt es allemal, und da muss sich Attac im Hinblick auf die Teilnehmerzahl nicht vor dem Karneval verstecken, der ja auch seinen Ursprung in der Kritik an den Herrschenden hat.