Echte Kerle, harte Typen

Die Pumper von der Polizei

Von Lisa Bor

Die deutsche Polizei präsentiert sich in Werbekampagnen als martialische Männertruppe. Wem das gefällt, ist eingeladen, sich zu bewerben.

»2019 muss das Jahr der Inneren Sicher­heit werden«, heißt es in einer Mit­teilung der Deutschen Polizeigewerkschaft (DPolG) vom Dezember 2018. Die DPolG ist Mitglied im Deutschen Beamtenbund und verglichen mit der im DGB organisierten Gewerkschaft der Polizei (GdP) die rechtere der beiden Gewerkschaften des Berufsstandes. Entsprechend fällt die Begründung für die eingangs zitierte Forderung aus: Die Zahl der Straftaten sei gestiegen. Das widerspricht zwar den Feststellungen der Polizeilichen Kriminalstatistik (PKS). Die Zahlen der PKS zeichneten aber »kein realistisches Bild der Inneren Sicherheit in Deutschland«, behauptet der DPolG-Vorsitzende Rainer Wendt.

Der angeblich höheren Aggression auf der Straße durch »Links- und Rechtsextremismus« sowie »extremistische Gruppierungen von Ausländern« könne nur mit einer raschen Auf­stockung des Personals und mehr Befugnissen für die Polizei begegnet werden, so die DPolG. Dabei wurde in den vergangenen Jahren bereits eine Menge in die gewünschte Richtung unternommen. Neben dem geplanten Ausbau des Bundesamts für Verfassungsschutz und der stärkeren Vernetzung der Sicherheitsbehörden auf Bundesebene stärken die neuen Polizeiaufgabengesetze der Länder, etwa in Bayern, Baden-Württemberg, Nordrhein-Westfalen und Sachsen, die Rechte der Polizei.

Kampfszenen in Zeitlupe, lässige Handshakes und andere Männlichkeitsgesten. 

Mit den Zugriffsmöglichkeiten der Einsatzkräfte verschiebt sich auch deren Rolle in der Strafverfolgung. War sie bislang vor allem während oder nach einer Straftat gefragt, kann sie jetzt vor einer lediglich vermuteten Tat eingreifen. Ihr wird zugestanden, Situationen nach Ermessen und auf Verdacht als sogenannte Gefahrenlage einzustufen, teils mit Hilfe von statistikbasierten Computerprogrammen. Die Software PRECOBS (»Pre-Crime Observation System«) etwa verspricht, das Kriminalitätsrisiko in bestimmten Gebieten einer Stadt vorherzusagen. Diese Vorhersagemethodik ist vage und wird dafür kritisiert, dass sie stereotype und rassistische ­Zuschreibungen einbeziehe oder solche fördere, insbesondere bei Kontrollen. Erweitert werden auch die polizeilichen Befugnisse, die mit diesem neugeschaffenen Verdachtsrecht im Vorhinein Maßnahmen gegen eine Person ­ermöglichen, um Straftaten zu verhindern – von bestimmten Varianten der Überwachung bis zu einer Art Hausarrest.

Rafael Behr ist Professor für Polizeiwissenschaften an der Akademie der Polizei Hamburg und leitet die Forschungsstelle Kultur und Sicherheit. Im Gepräch mit der Jungle World nennt er die neuen Gesetze die »juristische Begleitmusik« zu der derzeit populären Vorstellung davon, wie die Polizei sein soll. »Durch solche Maßnahmen sind wir wieder auf dem Weg zu einem Überwachungsstaat mit einer Polizei, die in erster Linie staatliche Herrschaft durchsetzt«, sagt Behr. Während in den neunziger Jahren erfolgreich eine umfassendere Ausbildung für den ­Polizeiberuf gefördert wurde, werde dies heutzutage eher wieder zurück­genommen – vor allem im Hinblick auf die Fähigkeit zur Kommunikation als Kernkompetenz des Berufes bedeute das »einen klaren Qualitätsverlust«.

Dazu passt, dass die Öffentlichkeitsarbeit der Polizei derzeit stark auf eine bestimmte Darstellung des Berufsstandes abzielt, die mit dem Idealbild des Polizisten als »Freund und Helfer« kaum mehr etwas zu tun hat. Stattdessen geht es vor allem um Action, Abenteuer – und ums Gewinnen.

»Hast du das Zeug zum Cop?« fragt die Polizei Berlin herausfordernd. Im Rahmen einer aufwendigen Imagekampagne startete sie vergangenes Jahr eine Miniserie auf Youtube, die den Protagonisten Kay beim »Praktikum im Streifenwagen« begleitet. Folge fünf mit dem Titel »Hier lernst du das ­Laufen« spielt bei einer Einsatzhundertschaft. Der Dreiminüter gibt einen ­guten Einblick in das, was mit cop culture beschrieben wird. Die gelebte ­Straßenkultur der polizeilichen Alltags­praxis, die durch idealisierte Werte wie Gerechtigkeit und traditionelle ­Vorstellungen von Männlichkeit geprägt wird.

Kay trifft eine Gruppe junger Männer mit kurzen Haaren und Bärten sowie zwei Frauen mit langen Haaren in einer Hundertschaft in Berlin bei der ­Arbeit – beziehungsweise im Dienst. Was sie genau machen, bleibt unklar. Sie sitzen im Wagen, fahren durch die Stadt, unterhalten sich vor dem Wagen in der Sonne, holen Schutzwesten und Waffen ab, trainieren in einer Sport­halle Schubsen, Waffe ziehen und festnehmen. Die Kamera zeigt die jewei­lige Umgebung unscharf, Berlin ist nur der Schauplatz. Die Unschärfe suggeriert Gefahr. Fokussiert werden die Kollegen, die Kollegin, das Auto, lässige Handshakes und andere Männlichkeitsgesten, die Dienstwaffe und die Kampfsportszenen, im Film in Zeit­lupe, heldenhaft. Aufrüstung und ­Zusammenhalt werden als geeignete Mittel präsentiert, gegen eine unterstellte, aber unkonkrete Gefahr.

Die Polizei Hamburg zeigt in 21 Sekunden nacheinander kurze Schlaglichter auf den Polizeialltag, zu denen seltsam ironisierte Beschreibungen eingeblendet werden. Erst drückt ein Polizist jemanden grob auf eine Motorhaube und fesselt ihn mit Handschellen. Zeitlupe und Kameraperspektive unterstreichen die Heldenhaftigkeit der Handlung, dazu der Satz: »Du magst es handfest«, das letzte Wort in fetten ­Lettern. Danach sieht man eine Frau. Sie steht mit verschränkten Armen und Wollmütze draußen vor einer Wand – tough. Laut Einblendung ist sie eine »Randaliererbremse«. Es folgen zwei laut Einblendung »Baywatcher« mit Sonnenbrillen im Speedboot auf der Elbe, ein »Sportjunkie« – der mehrfache Kickboxweltmeister und Hamburger Polizist Dmitrij »Dima« Weimer – beim Training, die Fäuste zur Kamera. Auf seinem Kapuzenpullover steht »Gladiator«. Noch ein Mann lehnt lässig an der Motorhaube eines Blaulichtfahrzeugs. Der »Friedens­stifter« im Hoodie, das Gesicht im Halbschatten, mit verschränkten Armen, in der Ästhetik vieler Rapvideos. Zuletzt springen zwei vermummte SEK-Polizisten mit Sturmgewehren über einen Treppenabsatz. Kamera von unten – aus dieser Perspektive sieht das nach einem Action-Tatort mit Til Schweiger aus. Wer sich in den Beschreibungen wiederfindet, ist eingeladen, sich zu bewerben.

Die aktuellen Kampagnen aus Berlin, Hamburg und auch die der Bundes­polizei variieren in ihren Schwerpunkten, betonen aber jeweils ein androzentrisches, heroisierendes Bild von Einsatzkräften, das zugleich lässig und subkulturell geprägt ist. Trotz der kumpelhaften Du-Ansprachen hat das ­wenig mit freundlicher Zuwendung zu tun. Stattdessen überwiegt das Image des »Kriegers«, wie Behr die dargestellte Männlichkeit typisiert. Krieger ver­mitteln nicht, um Frieden zu stiften, sie sind körperlich gewappnet, sie sind mit High-Tech aufgerüstet und können und wollen sich Auseinandersetzungen auf physischer Ebene stellen.

Ist es nicht sinnvoll, auf die Gefahren eines Berufs hinzuweisen? Sicher ist es das. Aber Behr wendet ein: »Es werden ja nicht Situationen gezeigt, die tatsächlich Mut oder tapferen Einsatz erfordern, sondern vor allem Über­legenheitschoreographie.« Insgesamt sieht er eine Entwicklung hin zu einer Polizei, die vor allem eine »robuste Interventionsinstanz ist und nicht die ­Belange der Bevölkerung im Blick hat«.

Fast könnte man in diesem Zusammenhang dem Statement der DPolG zustimmen, wenn sie schreibt: »Wenn Gruppen junger Männer den öffentlichen Raum mit bedrohlich wirkendem Auftreten dominieren«, dann würden »auch beruhigende Statements aus der Politik das Gefühl der Menschen nicht verbessern«. Doch ­damit sind keineswegs die bedrohlich wirkenden Polizisten gemeint, sondern die anderen, die bei »zu wenig Polizeipräsenz« im öffentlichen Raum ­ihren düsteren Machenschaften nachgingen.