Medienkonferenz der AfD

Schläge statt Schlagzeilen

Die AfD wollte mit ihrer »Konferenz der freien Medien« bundesweit Schlagzeilen machen. Doch der großspurig angekündigte Kongress geriet zur Farce.

Eine »Sternstunde des Journalismus« sei sie gewesen, die »erste Konferenz der freien Medien«, samt einer »epochalen Rede zur Lage des Journalismus« des AfD-Bundestagsabgeordneten Martin Renner – das schrieb jedenfalls die »Vereinigung der freien Medien« (VFM). Dabei war die Stimmung unter den rund 100 Menschen, die die AfD am Samstag zu der Veranstaltung geladen hatte, der VFM zufolge zunächst »fast so kühl und leicht bewölkt wie das derzeitige Maiwetter«, weil Querelen um das Treffen und die eingela­denen Gäste an »den Nerven gezerrt hatten«. Dann aber schlug die große Stunde von Udo Hemmelgarn. Journalisten der Rheinischen Post bescheinigen dem Bundestagsabgeordneten der AfD Nähe zum Milieu der sogenannten Reichsbürger, er selbst streitet das jedoch ab. Hemmelgarn hielt auf dem Kongress, der im Berliner Reichstagsgebäude stattfand, eine Lobrede auf die versammelten Blogger, die er als »Vertreter eines nicht gleichgeschalteten, ehrlichen und zugleich ideologiekritischen Journalismus« bezeichnete – und schon »war das Eis gebrochen«, so die VFM, die offenbar vom kühlen Mai in den Winter verrutscht war. Jedenfalls sei das Ganze ein riesiger Erfolg gewesen.

Doch nur Oliver Flesch schaffte das, was weder dem Kongress noch anderen Teilnehmern gelang: am vergangenen Wochenende in die Schlagzeilen zu kommen. Flesch, ein auf Mallorca ansässiger rechtspopulistischer Blogger, soll in der Rigaer Straße verprügelt worden sein. Zuvor hatte er ein Video mit dem Titel »Rigaer Straße 94 – Eine Expedition ins Kri*gsgebiet« auf You­tube veröffentlicht, in dem er ankündigt, sich das »berühmte besetzte Haus der Antifa« anzusehen. Vielleicht wollte er dort das tun, was Renner in seiner »epochalen Rede« auf dem Kongress von den »freien Medien« gefordert hatte: »den gesellschaftlichen Diskurs offen« zu halten und »die diskurs­freie Herrschaft des bereits weitgehend etablierten polit-medialen-wirtschaftlichen Komplexes« zu verhindern.

In dem Video präsentiert Flesch zunächst eine Auswahl kleinerer Küchengerätschaften, die er auf seinem Ausflug in die Rigaer Straße mitzunehmen gedenkt. Für den Fall, dass er unterwegs eine Flasche Wein öffnen wolle, nehme er einen Korkenzieher mit, sagt der Blogger, hantiert mit dem Korkenzieher aber eher so herum, als handele es sich um ein Schlag- oder Stichwerkzeug. Auch einen Pizza­schnei­der und eine Knoblauchpresse stecke er ein, sagt er. Nach einem Schnitt folgt die Ankündigung: Die Knoblauchpresse müsse doch zu Hause bleiben, stattdessen nehme er ein Messer mit. Nach einem weiteren Schnitt steht Flesch sich selbst filmend in einer Straße, im Hintergrund ein bunt bemaltes Haus, an dem Plakate mit linken Slogans angebracht sind. Allerdings ist Flesch sichtlich desorientiert (»Wo ist denn jetzt die Antifa?«), so dass ein Einheimischer ihn schließlich aufklären muss: Es handele sich nicht um die Rigaer Straße, die liege um die Ecke. Und so steht der Mann, der sich selbst gern als großer Juden- und Israelfreund präsentiert und zugleich die sexuellen Übergriffe während der Silvesternacht in Köln 2015 der Mallorca-Zeitung zufolge als »Grabsch-Holocaust« bezeichnete, irgendwann tatsächlich in der Rigaer Straße. Allerdings ist dann der Akku der Kamera leer.

Der Angriff auf Flesch soll sich in der Nacht auf Sonntag ereignet haben. Einer Meldung der Berliner Polizei ­zufolge haben mehrere Maskierte mit Knüppeln auf einen 49jährigen ein­geschlagen. Der Blogger bestätigte der Morgenpost, dass es sich bei dem Angegriffenen um ihn gehandelt habe. Seine Schlafstätte für die Nacht habe sich in der Rigaer Straße befunden.

Unerwünschter Stargast: Der rechtsextreme Blogger Milo Yiannopoulos.

Bild:
youtube

Für Schlagzeilen wollten die Macher der Konferenz offenbar auch mit einem anderen Gast sorgen: Mit Stephen Bannon hatten sie den wohl prominentesten Mann der US-amerikanischen Alt-Right eingeladen. Dieser hatte seine Teilnahme in der vergangenen Woche jedoch kurzfristig abgesagt. Mit dem Ersatzredner hatten die Veranstalter auch keinen Erfolg: Milo Yiannopoulos, ein rechtsextremer Blogger und ehemaliger Kollege Bannons bei der rechtsextremen Website Breitbart News, sollte die Abschlussrede auf der Konferenz halten. Dieser Plan sorgte allerdings für Verstimmungen in der AfD-Bundestagsfraktion, da Yianno­poulos in der Vergangenheit mit Pädophilie verharmlosenden Äußerungen aufgefallen war, die unter anderem zu seiner Entlassung bei Breitbart News geführt hatten. Nach einer Sondersitzung am Freitag forderte die AfD-Fraktion die Veranstalter dazu auf, Yiannopoulos umgehend wieder auszuladen.

So sprach Yiannopoulos zwar in Berlin, jedoch nicht auf der Konferenz, sondern an einem Ausweichort. Das rechtspopulistische Blog »Philosophia Perennis« veröffentlichte die übersetzte Rede des Mannes, der sich darin als »der am meisten mit Lügen über­zogene, am meisten zensierte Mann auf dem Planeten« bezeichnete.

So wurde die überschwenglich angekündigte »Konferenz der freien Medien« wegen der Querelen um die Stargäste zu einer Farce ohne größere Schlagzeilen. Für die Veranstalter dürfte das äußerst ärgerlich sein. Schließlich hatte Bannon auf einer Medienkonferenz in Oslo am Donnerstag vergangener Woche für großes Aufsehen gesorgt. Er hatte verkündet, der Massenmörder Anders Breivik sei eigentlich ein Linker.

Aufgeregte Schlagzeilen wie die­jenigen, die er mit dieser Äußerung provozierte, hatte der ehemalige Be­rater des US-amerikanischen Präsidenten Donald Trump in jüngster Zeit ­jedoch selten erhalten. Selbst als im Oktober 2018 der von ihm produzierte Film »Trump @ War« anlief, hielt sich das Publikumsinteresse in engen Grenzen. Und was den Medienstrategen Bannon besonders geschmerzt haben dürfte: Es gab keinerlei Proteste gegen den als Einstimmung auf die kurz darauf folgenden midterm elections gedachten Streifen. Entsprechend blieben auch die Schlagzeilen über Auseinandersetzungen vor den Kinokassen und damit die kosten­lose Werbung für den Film aus. Doch halt, eine Schlagzeile gab es jüngst in den USA für Bannon: »Keiner möchte eine populistische Revolution mit ­Steve Bannon beginnen«, titelte das Magazin Vanity Fair im März und listete die Misserfolge von dessen Projekt »The Movement« auf, das als eine Art informeller Salon geplant war, in dem rechte europäische Parteien sich mit­einander koordinieren sollten. Bannon hatte im Herbst angedroht, mit »The Movement« entscheidend in den Europawahlkampf einzugreifen.

Recht bald zeichnete sich aber ab, dass der Medienunternehmer nicht die einende Führungsfigur des extremen Rechten in Europa werden würde. Denn die populistischen Politiker, denen Bannon gern den Weg weisen würde, wollen lieber selbst die Führung be­halten. Sogar Bannons Mitstreiter bei »The Movement«, der belgische Anwalt und Gründer des Parti Populaire, Mischaël Modrikamen, nannte die Ziele der Plattform mittlerweile »zu optimistisch«. Zudem verfügt Bannon lediglich über marginale Kenntnisse der Machtverhältnisse und der Partikularinteressen der einzelnen rechts­populistischen und rechtsextremen Parteien und Gruppen in Europa.