Deutschlehrer an den Goethe-Instituten bekommen keine neuen Verträge

Kein Deutsch bei Goethe

Von Lisa Bor

Was gewerkschaftliche Proteste nicht geschafft haben, hat nun die Deutsche Rentenversicherung bewirkt: Das Goethe-Institut beendet seine umstrittene Praxis, Deutschlehrer mit befristetem Honorar­verträgen zu beschäftigen. Für die Lehrenden ist das trotzdem keine gute Nachricht.

»Fair statt prekär« – mit diesem und anderen Slogans haben Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Goethe-Instituts (GI) jahrelang ihre unsicheren Arbeitsbedingungen angeprangert. Vor allem beklagten sie die sehr kurzfristigen Beschäftigungsverhältnisse auf Honorarbasis. Im Januar hat nun der Vorstand des Instituts das Ende der Honorarverträge bekanntgegeben. Doch das ist kein Ergebnis der Proteste. Die Deutsche Rentenversicherung hatte die Praxis des Instituts beanstandet und vermutet, dass bei vielen Lehrkräften eine sogenannte Scheinselbstständigkeit vorliegt. Dadurch entgehen der Rentenversicherung Einnahmen. Sozialbeiträge könnten in vielen Fällen ­sogar für zahlreiche Jahre rückwirkend fällig werden.
Während die beständige Kritik von gewerkschaftlichen Gruppen beim GI-Vorstand ungehört blieb, reagierte ­dieser diesmal schnell. Die Leitung der regierungsnahen Einrichtung kündigte an, ab sofort keine Honorarverträge mehr zu schließen und die bestehenden auslaufen zu lassen. Das bedeutet das Aus für bundesweit mehrere Hundert Lehrkräfte beim Goethe-Institut.

Neben den Honorarkräften sind auch deren Schülerinnen und Schüler von der Absage der Kurse und Prüfungen betroffen.

Das ist selbstverständlich nicht im Sinne der Kritik, die die Gewerkschaft für Erziehung und Wissenschaft (GEW) jahrelang an den Verträgen übte. Die GEW vertritt in den derzeitigen Auseinandersetzungen die Sprachlehrkräfte. Seit 2013 hatte die Gewerkschaft öffentlich gegen die Vertragspraxis des Instituts protestiert und eine eigene Kommission gegründet, die einen Tarifvertrag beim GI erreichen sollte. Darauf ließ sich der Institutsvorstand jedoch nicht ein.
Für das selbständige Lehrpersonal würde ein solcher Rahmenvertrag nach Paragraph 12a des Tarifvertragsgesetzes eine Entlastung darstellen, denn derzeit müssen freie Mitarbeitende Beendigungsfristen, Ausgleichszahlungen, Urlaub und Mutterschutz individuell mit den Arbeitgebern vereinbaren. De facto bleiben diese Punkte meist ungeregelt oder dem Gutdünken des Arbeitgebers überlassen. Das Goethe-Institut verweigerte Gespräche mit der gewerkschaftlichen Kommis­sion. 60 bis 80 Prozent der Sprachlehrkräfte unterschrieben immer wieder Kurzzeitverträge – mit allen Nachteilen, die das mit sich bringt: fehlende so­ziale Absicherung, keine Urlaubs- und Krankheitsregelung, keine Sicherheit, auch den nächsten Kurs unterrichten zu dürfen.
Sein Ruf als international bekannte Schule für deutsche Sprache und Kultur macht das Goethe-Institut attraktiv für Angehörige eines Berufszweigs, der traditionell unterbezahlt ist. »Obwohl das mit der Attraktivität für das Institut als Arbeitgeber gar nicht zutrifft«, sagt Tanja Schumann* im Gespräch mit der Jungle World. Sie engagiert sich bei der GEW und ist selbst freie Sprachlehrerin für Deutsch als Fremdsprache (DaF) und Deutsch als Zweitsprache (DaZ). »Als DaF/DaZ-Lehrerin hast du ja sowieso nichts verdient, nirgends.« Da sei es besser, zumindest ­einen renommierten Arbeitgeber zu haben. Dazu komme die permanente Unsicherheit, ob man einen neuen Vertrag erhalte.
Aus Schumanns Schilderungen klingt heraus, dass bei vielen auch eine Art Verklärung der Lohnarbeit eine Rolle spielt, wie sie bei vielen sozialen Berufen nicht unüblich ist: »Die Kurse sind gerade das, was wir gerne machen. Man verliebt sich ja in jeden Kurs neu. Alles andere steht dann hinten an«, erklärt Schumann die Tatsache, dass so viele Mitarbeitende die Praxis des Instituts jahrelang in Kauf nahmen. »Das ist ja bei Ihnen bei der Jungle World sicher nicht anders, dass auch Idealismus eine Rolle spielt. Und man denkt ja auch, dass es besser wird, wenn man weiter kämpft.« So habe es im GI zwar immer wieder Aktionen ­gegeben, die über die Zustände aufklärten. 
Obwohl die Protestierenden versuchten zu skandalisieren, dass es ausgerechnet beim Aushängeschild der deutschen Kulturpolitik unlautere Arbeitgebermethoden gibt, blieb der ­Betrieb weitgehend ungestört. Die Meldung der Rentenversicherung über versäumte Beitragszahlungen hatte offenbar mehr Potential.
Man könnte meinen, dass es durchaus triftige Gründe für das Goethe-­Institut geben könnte, die Mitarbeitenden zu halten, zumal sich die Stellung des Instituts auf dem Arbeitsmarkt verschlechtert hat. Für ausreichend qua­lifizierte Sprachlehrkräfte gibt es wegen der verstärkten Bemühungen, Flüchtlinge und andere nichtdeutschsprachige Menschen zu integrieren, viel mehr Stellen als noch vor zwei Jahren. Eine Anhebung der Mindestvergütungs­sätze auf 35 Euro durch das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) im Juli vergangenen Jahres hatte auch das Goethe-Institut zu einer Erhöhung seiner Sätze veranlasst. Viele gute Mitarbeitende wechselten wegen des veränderten Angebotes bereits an Volkshochschulen oder an öffentliche Schulen. Die stellen einen Großteil der neuen Arbeitsplätze, seit mehr Schulkinder Sprachunterricht in Deutsch ­erhalten. Zwar verdienen die Unterrichtenden ohne Staatsexamen erheblich weniger als »richtige« Lehrerinnen und Lehrer. Immerhin aber bekommen sie auf zwei Jahre befristete Verträge.
Neben den Honorarkräften sind auch deren Schülerinnen und Schüler von der Absage der Kurse und Prüfungen an den Goethe-Instituten betroffen. Vom Bestehen der Examen hängt für sie oft sehr viel ab. Mit diesen Sprachdiplomen müssen Migrantinnen und Migranten oftmals ihre Sprachkenntnisse für Arbeits- oder Studienplätze nachweisen. Zudem ist eine Sprachprüfung fester Bestandteil der verpflichtenden »Integrationskurse«. Ein großer Teil der Prüfungen findet am Institut statt. Schumann schätzt, dass »wir bei Goethe schon eine Art Marktführer für diese Zertifikate sind«. Und sie sind teuer. Wer sich auf die Prüfungen vorbereitet und viel Arbeit, Zeit und nicht zuletzt Geld dafür investiert hat, für den ist die drastische Verknappung der Kurse und die Absage von Prüfungen hochproblematisch.
Wie die Zukunft des Deutschunterrichts an den Filialen des Goethe-Instituts in Deutschland aussieht, ist unklar. »Wir hoffen ja immer noch, dass es für uns bei Goethe weitergeht«, sagt Schumann. Trotzdem ist sie skeptisch: »Die scheinen kein Problem zu haben, den Laden an die Wand zu fahren.«

* Name von der Redaktion geändert.