US-Handelskrieg

Zoll um Zoll

Auf die Strafzollpolitik der US-Regierung unter Donald Trump folgen Gegenmaßnahmen. Der US-Wirtschaft scheint dies bislang aber kaum zu schaden.

Als der Handelsstreit der USA mit China begann, glaubten viele Wirtschafts­experten an einen begrenzten Konflikt. Beide Volkswirtschaften seien so sehr miteinander verflochten, dass langfristig keines der beiden Länder von ­einem Handelskrieg profitieren könne. Doch genau ein Jahr später ist die Aus­einandersetzung eskaliert und hat sich sogar noch auf andere Staaten aus­geweitet.

So verhängte Indien am vergangenen Wochenende hohe Zölle auf landwirtschaftliche Importe aus den USA, insbesondere auf Mandeln, Walnüsse und Äpfel. Das Land ist der größte Abnehmer von Mandeln aus den USA, mehr als die Hälfte aller entsprechenden US-Exporte gehen dorthin. Insgesamt sind Einfuhren im Wert von rund 700 Millionen US-Dollar jährlich betroffen. Die US-Regierung hatte zuvor Indien angesichts hoher Importzölle wiederholt kritisiert und Sondervergünstigungen aufgehoben, die Indien zollfreie Exporte in die USA in Höhe von 5,6 Milliarden US-Dollar jährlich erlaubt hatten.

Trumps Haltung zu China stößt in den USA auf weniger Kritik als sein Vorgehen gegenüber Mexiko. China wirft man parteiübergreifend eine unlautere Wirtschaftsstrategie vor.

US-Präsident Donald Trump hatte auch Mexiko kürzlich Aufschläge auf alle Ausfuhren in die USA angedroht, wenn das Land nicht die illegale Migra­tion aus Mittelamerika in die USA unterbinde. Die mexikanische Regierung schickte daraufhin Tausende Nationalgardisten an die südliche Landesgrenze, um der Forderung nachzukommen. Trump behält sich vor, die Zölle dennoch anzuheben, sollten ihm die Maß­nahmen nicht ausreichend erscheinen.

Dabei könnten die angedrohten Strafzölle vor allem den USA selbst schaden. Viele US-Unternehmen, vor allem in der Autoindustrie, nutzen Importe aus Mexiko. Selbst in der Republikanischen Partei stoßen die Maßnahmen auf wenig Begeisterung. Es gebe für solche Strafzölle »nicht viel Unterstützung«, sagte der republikanische Mehrheitsführer im Senat, Mitch McConnell, vergangene Woche. Sollte Trump seine Ankündigungen verwirklichen wollen, droht ihm ein Veto des Senat.

Der Streit verblasst allerdings an­gesichts der Maßnahmen, die Trump gegen China ergreifen will, sollte es bei den Handelsstreitigkeiten zu keiner Einigung kommen. Dann wollen die USA Strafzölle verhängen, die Einfuhren in Höhe von rund 300 Milliarden US-Dollar jährlich beträfen – zusätzlich zu den bereits verhängten Abschlägen, die Güter im Wert von 200 Milliarden US-Dollar jährlich betreffen.

Welche Konsequenzen das nach sich zöge, zeigt sich in der Autoindustrie, ­einer der Schlüsselindustrien im Welthandel. Der Ökonom Ferdinand ­Dudenhöffer von der Universität Duisburg-Essen schätzt, dass sich die weltweiten Autoverkäufe in diesem Jahr um rund fünf Prozent oder vier Millionen Fahrzeuge verringern werden. »So erheblich war der Rückgang selbst in der Weltfinanzkrise 2008 und 2009 nicht. Derzeit erleben wir den größten Einbruch des Weltautomarkts seit mehr als 20 Jahren«, sagt der Verkehrswissenschaftler. Auf dem weltweit wichtigsten Automarkt, China, seien die Absätze im Mai um 16 Prozent eingebrochen, teilte der chinesische Autoverband CAAM kürzlich mit. Hinzu kommt, dass Trump auch europäischen Ländern mit Strafzöllen auf Autos und Zubehörteile droht; ihre Einführung ist derzeit offiziell nur verschoben.

China hat seine Zölle auf US-amerikanische Waren ebenfalls erhöht und ­angekündigt, die Ausfuhr von seltenen Erden – bestimmten Metallen, die vor allem zur Herstellung von technischen Geräten wichtig sind – zu beschränken.

Kommt es also tatsächlich zu einem fatalen Wettlauf von Handelsbeschränkungen, die letztlich allen schaden? Seit Monaten warnen Wirtschaftsexperten, dass der Konflikt unweigerlich in eine Rezession führen werde. Ein Indikator dafür seien die teils extremen Schwankungen am US-Aktienmarkt, wobei die vom chinesischen Markt abhängigen Technologiewerte besonders betroffen sind.

Angesichts dieser Umstände geht es der US-Wirtschaft jedoch erstaunlich gut. Die Arbeitslosenquote weist den niedrigsten Stand seit einem halben Jahrhundert auf, das Wirtschaftswachstum lag im ersten Quartal mit 3,2 Prozent fast dreimal so hoch wie in der Euro-Zone. Bislang beeinflussen die ­Abgaben auf chinesische Waren die US-Wirtschaft nur marginal. Selbst wenn sich der Konflikt das gesamte Jahr fortsetzen sollte, würde das US-Wachstum nur um 0,35 Prozentpunkte geschmälert, zitierte die New York Times kürzlich einen Investmentbanker. In China wirken sich die US-Strafzölle stärker aus, was angesichts des hohen Handelsüberschusses nicht weiter verwundert. Das Land exportiert viel mehr in die USA als umgekehrt.

Selbst in jenen Bereichen, in denen die chinesischen Sanktionen greifen, kann Trump einfache Abhilfe leisten. Mit rund 15 Milliarden US-Dollar sollen US-Landwirte subventioniert werden, um die Wirkung der chinesischen Strafzölle auf Sojabohnen abzumildern. Finanziert wird das mit den erhöhten US-Zolleinnahmen.

Hinzu kommt, dass Trumps Haltung zu China innenpolitisch auf weniger Kritik stößt als sein Vorgehen gegenüber Mexiko. China wirft man parteiübergreifend eine unlautere Wirtschaftsstrategie vor, da es seinen Binnenmarkt schütze und mit aggressiven Methoden westliches Know-how abschöpfe. Auch frühere US-Präsidenten beklagten bereits, dass die chinesische Regierung den Kurs der  Landeswährung Renminbi künstlich niedrig halte, um sich auf dem Exportmarkt Vorteile zu verschaffen.

Es entbehrt nicht einer gewissen Ironie, dass Trumps größtes Problem im Streit mit China eigentlich in seiner eigenen Wirtschaftspolitik liegt. Er reklamiert zu Recht für sich, in seiner bisherigen Amtszeit einen wirtschaftlichen Aufschwung initiiert zu haben. Nur deshalb war es ihm möglich, einen derart umfangreichen Handelsstreit zu beginnen. Voraussetzung für den Aufschwung waren die erheblichen Steuersenkungen, die Trump im vorvergangenen Jahr durchgesetzt hat und die zu einer neuen Rekordverschuldung der USA in Höhe von 22 Billionen US-Dollar führten. Allein in diesem Jahr muss die US-Regierung für 900 Milliarden US-Dollar neue Schulden aufnehmen.

Die boomende US-Wirtschaft sorgt zugleich für eine erhöhte Nachfrage, was wiederum das Volumen der Einfuhren steigen lässt. Im vergangenen Jahr ist das Defizit in der US-Handelsbilanz daher trotz der Strafzölle um fast 19 Prozent im Vergleich zu 2017 auf den höchsten Wert seit zehn Jahren ­angestiegen.

Die USA können es sich allein schon aufgrund ihrer immensen Verschuldung nicht leisten, in dieser Auseinandersetzung nachzugeben. Verliert der US-Dollar seine Rolle als weltweit ­dominante Währung, wäre es für die USA kaum mehr möglich, sich bei­nahe grenzenlos zu verschulden. Langfristig geht es um die Frage, wer die Weltwirtschaft dominieren wird. Trump ist gezwungen, um jeden Preis weiter für ein hohes Wachstum zu sorgen. Vorsorglich hat er deshalb bereits den Druck auf die US-Notenbank erhöht, notfalls den Leitzins wieder zu senken, sollte die Konjunktur doch schwächeln.

Zu den Verlierern im Handelsstreit könnten die europäischen Länder ­gehören, die sich nicht so recht entscheiden können, wie sie sich verhalten ­sollen. Als »Exportweltmeister« befindet sich vor allem Deutschland in ­einer denkbar ungünstigen Position. Für die deutsche Autoindustrie und den Maschinenbau ist China mittlerweile einer der wichtigsten Absatzmärkte, ein Exporteinbruch wäre kaum zu verkraften. Zugleich kann es die deutsche Regierung nicht riskieren, den Konflikt mit den USA zu eskalieren. Riesige Handelsüberschüsse zu erzielen und zugleich andere Länder zu kritisieren, weil sie sich dagegen mit Einfuhrzöllen wehren, ist keine überzeugende Position. Ein Ende des Streits ist jedenfalls nicht in Sicht.