Homophobie in Afrika

Legalität ist nur die Vorbedingung

In Afrika offen queer zu sein, ist vielerorts wegen der herrschenden Feindseligkeit gegen Homosexualität undenkbar. Doch es gibt auch gegenläufige Entwicklungen.

Ein unscheinbares Haus in einer der vielen Seitenstraßen Cotonous, der Hauptstadt des westafrikanischen Staates Benin. Das Türschild weist darauf hin, dass sich hier der Sitz einer NGO befindet, aber nicht, dass diese sich für LGBT einsetzt. »Zu gefährlich«, so der LGBT-Aktivist Jacques Z.*

»International wird die Situation von LGBT in Benin nicht thematisiert. Da Homosexualität in Benin, im Gegensatz zu Nachbarländern wie Nigeria und Togo, nicht strafbar ist und es auch nie war, scheinen die Leute zu denken, hier sei alles in Ordnung«, sagt Z. »Tatsächlich aber leben wir in der Hölle. Die meisten unserer Landsleute halten uns für krank. Und die Politik tut nichts für uns.« Er berichtet von Gewalt und Pöbeleien auf der Straße, von ­Jugendlichen, die aufgrund ihrer Sexualität von der Schule geflogen sind, von LGBT, die obdachlos geworden sind, weil Vermieter ihnen die Wohnung ­gekündigt haben, als sie von ihrer Sexualität erfuhren, von familiärer Gewalt gegen Homosexuelle. »Vor nicht einmal einem Monat wurde ein lesbisches Mädchen von ihrer eigenen Mutter getötet«, erzählt er. Er selbst habe Morddrohungen erhalten. Und obwohl ­Homosexualität nicht verboten ist, können LGBT wegen »unzüchtiger Handlungen« im Gefängnis landen. Wie viele LGBT-Aktivisten in Afrika nennt auch ­Jacques Z. religiösen Hass als eines der größten Hindernisse gegen die Gleichstellung von LGBT. »Priester und Imame hetzen die Leute gegen uns auf.«

Benin ist eines von insgesamt 22 ­afrikanischen Ländern, in denen Homosexualität legal ist. Doch das ist nur der erste Schritt. Und in 32 Ländern ist Homosexualität weiterhin strafbar.

Am 24. Mai schauten LGBT in Afrika und auf der ganzen Welt gespannt nach Kenia. Würde der Oberste Gerichtshof endlich das Gesetz von 1897 kippen, das gleichgeschlechtliche ­Beziehungen mit bis zu 14 Jahren Haft bestraft? LGBT-Aktivisten hatten geklagt. Dann die Enttäuschung: Das Gesetz wurde bestätigt. »Wir finden, dass die angefochtenen Gesetze nicht verfassungswidrig sind. (…) Es gibt keinen endgültigen wissenschaftlichen Beweis dafür, dass LGBTQ mit dieser Anlage geboren werden«, verkündete die vorsitzende Richterin Roselyne Aburili. Somit bleibt Kenia eines der 32 von insgesamt 54 afrikanischen Ländern, in denen Homosexualität unter Strafe steht. Der erste ­kenianische Film, der bei den Filmfestspielen in Cannes gezeigt wurde, »Rafiki«, wurde in seinem Ursprungsland verboten, da er eine lesbische Liebesgeschichte erzählt.

Nachdem die Regisseurin gegen das Verbot geklagt hatte, kam der Film schließlich doch in Kenias Kinos – allerdings nur eine Woche lang.
Das Eintreten für die Rechte von LGBT wird in vielen afrikanischen Ländern als Versuch des Westens gesehen, Afrika seine Werte aufzuzwingen. So argumentierte der Parlamentsabgeordnete und ehemalige Ministerpräsident des Tschad, Delwa Kassiré Coumakoye, als 2017 ein neues Gesetz verabschiedet wurde, das Homosexualität mit drei Monaten bis zwei Jahren Gefängnis und einer Geldstrafe bestrafte: »Homosexualität wird von allen Religionen verdammt. Wir können nicht etwas verzeihen, das Gott ablehnt, nur weil die Leute aus dem Westen dieses oder jenes sagen.«

Dies erscheint bizarr, wenn man bedenkt, dass viele der afrikanischen Gesetze, die Homosexualität unter Strafe stellen, aus der Kolonialzeit stammen. Tatsächlich akzeptierten im vorkolonialen Afrika viele Kulturen Formen von Homo- oder Transsexualität, und ein Großteil der Homophobie in Afrika speist sich aus importierten Religionen: Christentum und Islam. US-Amerikanische Evangelikale wie Scott Lively, der Schwule für den Nationalsozialismus und den Holocaust verantwortlich macht, haben seit einigen Jahren großen Einfluss in Afrika. Nachdem Lively sich 2009 mit ugandischen Parlamentariern getroffen hatte, wurde ein Gesetzentwurf vorgelegt, der die Todesstrafe für Homosexualität vorsah. Westliche Staaten drohten daraufhin, die Entwicklungshilfe zu streichen, und das Gesetz wurde verworfen. Somit steht auf Homosexua­lität in Uganda »nur« eine lebenslange Haftstrafe. In muslimischen Regionen ist die Situation noch dramatischer: In den zwölf Bundesstaaten Nordnigerias, die die Sharia eingeführt haben, droht Homosexuellen sogar die Steinigung.

Der religiöse Hass ist Nährboden für Verschwörungstheorien. So verkünden zum Beispiel ugandische Zeitungen, Homosexuelle würden Lehrer bestechen, damit diese Kinder zum Schwulsein erzögen. LGBT-Aktivisten wird ­unterstellt, Geld aus dem Ausland zu erhalten, um die ugandische Gesellschaft zu zerstören. Ähnliche Behauptungen über die »Homolobby« kennt man in Deutschland vom evangelikalen Flügel der AfD. Der Unterschied aber ist, dass nur eine Minderheit der Deutschen solche Verschwörungstheorien glaubt. In Uganda und mehreren anderen afrikanischen Ländern sind derartige Vorstellungen gesellschaftliche Normalität, so dass viele LGBT gezwungen sind, sich zu verstecken. So zum Beispiel Paul M.*, ein LGBT-Aktivist aus Kampala. Er hat eine Ehefrau und Kinder, die nichts von seinen Aktivitäten wissen. »Ich habe geheiratet und Kinder bekommen, weil das in Uganda üblich ist«, sagt er. »Wenn man das nicht macht, schöpfen die Leute Verdacht. Und mir ist auch erst mit Mitte 20, als ich schon verheiratet war, klargeworden, dass ich bisexuell bin. Es gab einfach keine Informationen ­darüber, von daher wusste ich nicht, was mit mir los ist.«

Trotz der zahlreichen Probleme brachte das Jahr 2019 auch gute Nachrichten für Afrikas LGBT. Zwar bleibt in vielen Regionen die Lage schlecht; Burundi und der Tschad haben in den vergangenen Jahren sogar neue Gesetze erlassen, mit denen Homosexualität dort erstmals unter Strafe gestellt wird. Gleichzeitig aber nimmt vor allem im südlichen Afrika und in den portugiesischsprachigen Ländern die Toleranz zu. Als toleranteste Länder gelten Kap Verde und Südafrika – wie eine Umfrage von afrobarometer.org zeigt, hätten dort 74 respektive 67 Prozent kein Problem damit, einen schwulen Nachbarn zu haben. Zum Vergleich: in Uganda sind es nur fünf Prozent. Bereits 2006 hat Südafrika als fünftes Land der Welt und als bisher einziges in Afrika gleichgeschlechtliche Ehen erlaubt. In den vergangenen zehn Jahren haben die Seychellen, Lesotho, Mosambik, São Tomé e Príncipe legalisiert, in diesem Jahr folgte Angola. Zudem entschied das Oberste Gericht in Botswana am 11. Juni einstimmig, das Gesetz aus der Kolonialzeit zu kippen, das Homosexualität dort unter Gefängnisstrafe stellte. »Wenn Minderheiten marginalisiert werden, verletzt das die Menschenwürde«, begründete der Richter Michael Elburu die Entscheidung. ­»Sexuelle Orientierung ist keine Modeerscheinung, sondern ein wichtiger Teil der eigenen Persönlichkeit.«

* Name von der Redaktion geändert.