Die CDU nach dem Mord an Lübcke

Deutsche Allianzen

Während Linke in ganz Deutschland Gedenkkundgebungen für den ermordeten CDU-Politiker Lübcke veranstalten, fordern immer mehr Unionspolitiker, mit der AfD zu koalieren.

Radikale Linke hätten es bis Dienstag vergangener Woche wohl kaum für möglich gehalten, einmal ihre Solidarität mit einem Politiker zu demonstrieren, dessen Partei gerade eine Asylrechtseinschränkung nach der anderen durch den Bundestag peitscht. Seit jedoch die Bundesanwaltschaft die Ermittlungen gegen den festgenommenen Tatverdächtigen Stephan E. im Fall des Mordes an dem Kasseler Regierungspräsidenten und CDU-Politiker Walter Lübcke an sich gezogen und »Anhaltspunkte für einen rechtsextremen Hintergrund« der Tat angeführt hatte, ist einiges ins Rutschen gekommen. Während sich der parteilose ehemalige Bundespräsident Joachim Gauck für die von ihm geforderte »erweiterte Toleranz« gegenüber den »schwer Konservativen« noch sprachlich verrenkte, sprachen der ehemalige Präsident des Bundesamts für Verfassungsschutz, Hans-Georg Maaßen (CDU), und die beiden stellvertretenden Fraktionsvorsitzenden der CDU in Sachsen-Anhalt, Ulrich Thomas und Lars-Jörn Zimmer, bereits offen über den richtigen Zeitpunkt für Koalitionen mit der AfD, um das »Nationale mit dem Sozialen zu versöhnen« (Thomas/Zimmer).

Gegen diese Vorstöße und die angesichts des Mords an einem Parteifreund erstaunlich große Ruhe bei den Christdemokraten organisierten antifaschistische Gruppen in der vergangenen Woche bundesweit Demonstrationen, um den gesellschaftlichen und politischen Trend nach rechts, der sich mit dem Mord an Lübcke noch weiter verschärft hat, zu skandalisieren. Während in Hamburg, wo sich 700 Teilnehmer vor dem autonomen Zentrum Rote Flora versammelten, und Frankfurt, wo 400 Menschen zusammenkamen, die Demonstrationen zeitweise von der Polizei gewaltsam angehalten wurden, verlief die Berliner Kundgebung friedlich. Vor der AfD-nahen Desiderius-Erasmus-Stiftung demonstrierten etwa 90 Menschen, wofür die Polizei eigens die Straße Unter den Linden absperrte. An die Taten der neonazistischen Terrorgruppe NSU erinnernd hielten Protestierende Fotos von Opfern der NSU-Morde hoch. Die »Initiative für die Aufklärung des Mordes an Burak Bektaş« forderte einen Untersuchungsausschuss, NSU-Watch die Auflösung des Verfassungsschutzes und die Interventionistische Linke warnte, »kein neues Österreich, kein neues Ungarn« entstehen zu lassen.

Der Ort war passend gewählt, beharrte die derzeitige Vorsitzende der Desiderius-Erasmus-Stiftung, das ehemalige CDU-Mitglied ­Erika Steinbach, im Interview mit dem Deutschlandfunk doch weiterhin darauf, sich mit ihren gegen Lübcke gerichteten Postings und Tweets nicht an der Hetzkampagne gegen diesen beteiligt und für das Löschen von möglicherweise strafrechtlich relevanten Mordaufrufen in den Kommentarspalten ihrer Social-Media-Kanäle keine Zeit zu haben. Erst nach Tagen kamen auch aus der CDU deutlichere Äußerungen, etwa vom ehemaligen CDU-Generalsekretär Peter Tauber, der, an Steinbach gerichtet, twitterte: »Du trägst Mitschuld an seinem Tod.«