Interview mit Freke Over

»Ziemlich grobe Nummer«

Interview Von André Anchuelo

Freke Over (Die Linke) über die kurze Liaison von FDP und Linkspartei in der Stadtverordnetenversammlung von Rheinsberg.

In der Stadtverordnetenversammlung der brandenburgischen Kleinstadt Rheinsberg kam es kürzlich zur möglicherweise bundesweit ersten gemeinsamen Fraktion aus Linkspartei und FDP. Die »Linksliberale Fraktion – Lili« hatte allerdings nur zwei Tage Bestand. Darüber hat die Jungle World mit Freke Over gesprochen. Er war Anfang der neunziger Jahre Hausbesetzer in der Mainzer Straße in Berlin-Friedrichshain und saß für die PDS elf Jahre im Berliner Abgeordnetenhaus. Derzeit betreibt er das »Ferienland Luhme« in Rheinsberg und sitzt dort für die Linkspartei in der Stadtverordnetenversammlung.

Wie ist die politische Situation in der Rheinsberger Stadtverordnetenversammlung?
Unschön. Zur Kommunalwahl am 26. Mai war hier eine gemeinsame Liste der Brandenburger Vereinigten Bürgerbewegungen/Freie Wähler (BVB) und der AfD angetreten. Die haben 45 Prozent der Stimmen bekommen.

Wow!
Nein, »wow« war das leider nicht. Das war richtig Mist. Das Ergebnis war, dass in der Versammlung CDU, SPD, Linkspartei und FDP insgesamt zehn Sitze haben und die BVB/AfD acht. Hinzu kommt der Bürgermeister Frank-Rudi Schwochow, ebenfalls von der BVB. Die BVB ist ein skurriler Haufen, auf Kreisebene haben sie gemeinsam mit der Familien- und der Piratenpartei kandidiert, im Land­tag lehnen sie die Zusammenarbeit mit Rechten ab. In Rheinsberg sind sie besonders stark, weil es dort in den vergangenen Jahren mehrfach Abspaltungen von der CDU gab. Von den acht Stadtverordneten der Liste ist einer von der AfD. Zusätzlich haben sie aber bei der Benennung von sachkundigen Einwohnern, Beiräten und Ähnlichem eine Menge rechte Personen benannt, sowohl AfD-Mitglieder als auch extreme Rechte, die noch eine Nummer härter sind. Zur örtlichen AfD gehört auch Daniel Pommerenke, lange Zeit im NPD-Umfeld in Magdeburg und der dortigen Kammeradschaft aktiv, jetzt Angestellter der Stadt.

Wie kam es zur Zusammenarbeit von Linkspartei und FDP?
Für die FDP ist mit Tom-Morten Theiß ein junges Parteimitglied in die Stadtverordnetenversammlung gewählt worden. Mit dem haben wir uns zusammengesetzt, große inhaltliche Übereinstimmung festgestellt, die fünf Prozent Nichtübereinstimmung beiseitegelassen – es geht ja in der Kommunalpolitik weniger um die großen ideologischen Fragen – und dann die »Linksliberale Fraktion – Lili« gegründet. Die FDP hatte in der letzten Wahlperiode mit der BVB eine Fraktion gebildet, davon jetzt aber wegen deren gemeinsamer Liste mit der AfD Abstand genommen. Bürgermeister Schwochow ist die Kinnlade runtergefallen. Der hat sofort den stellvertretenden FDP-Kreisvorsitzenden Bert Groche angerufen. Eigentlich war mit der FDP alles geklärt, nur nicht mit Groche, weil er gerade im Urlaub war. Und der hat dann Theiß auf Linie gebracht und dafür gesorgt, dass die Fraktion mit der Linkspartei nach zwei Tagen wieder gekündigt wurde.

Welche Folgen hat das?
Für uns Linke macht das eigentlich keinen Unterschied. Die FDP hat sich damit um die Möglichkeit gebracht, dass ihr Stadtverordneter in Ausschüssen sitzen kann und so weiter, weil er jetzt fraktionsloser Abgeordneter ist. Begründet wurde das von der FDP unter anderem damit, dass es ihnen bei der brandenburgischen Landtagswahl schaden würde – wenn sie also mit anderen Demokraten gemeinsame Sache machen. Nach der Landtagswahl am 1. Septem­ber könne man eventuell nochmal schauen. Das sehe ich inzwischen nicht mehr ganz so. Das war schon eine ziemlich grobe Nummer. Wir hatten das ja auch schon öffentlich gemacht. Dabei gab es durchaus eine Menge positiver Resonanz. Ich denke, die FDP hat sich damit ganz schön ins Knie geschossen.