Die preisgekrönte Reportage

Tausende Einzeltäter verunsichern Gemeinde

Kolumne Von Leo Fischer

Wie wird jemand Einzeltäter? Und warum gibt es so viele?

Die Hecken sind akkurat gestutzt, die Carports gepflegt, die Flinten ­poliert. Stuttgart-Göringheim ist ein ganz normaler, verschlafener deutscher Vorort wie viele andere auch. Es gibt einen Aldi, eine NPD- und eine AfD-Zentrale mit angeschlossenem Schützenverein und ein hochkarätig besetztes Polizeirevier, einen erst kürzlich umbenannten Adolf-Hitler-Platz (jetzt Marktplatz) und eine gemütliche Kneipe, die »Gleiwitz-Eck« heißt. Dort treffen wir Bürgermeister Hans-Peter Arschkramp-Karrenschnorrer (parteilos). Arschkramp-Karrenschnorrer hat sein Amt seit 1989 inne – auch dank der Stimmen von CDU und FDP im Stadtrat. Bei den Wahlen 2014 konnte er sein Amt erneut verteidigen – unter anderem mit den Forderungen, kommunale Immobilien nicht an Schwule zu vermieten und die Gemeindegrenzen durch einen mit brennenden Autoreifen gefüllten Burggraben zu schützen.

Arschkramp-Karrenschnorrer nippt nachdenklich an seinem Korn: »Ich bin ratlos«, sagt er, als wir ihn fragen, warum seine Gemeinde mit über 700.000 rechtsextremen Straftaten allein 2018 die Landesstatistik anführt. »Die können wir unmöglich alle selbst begangen haben. Bei vielen war ich ja auch dabei und kann bestätigen, dass da alles rechtsstaatlich zugegangen ist. Ich denke, es waren Ausländer.« Angeführt wird die Göringheimer Statistik von »Einzeltaten« – darunter fallen alle Straftaten, die von Einzeltätern begangen werden und leider nicht weiter aufgeklärt werden können.

Auch der Leiter der örtlichen Polizeidirektion, Adolf Dimpflmoser, ist mit der Situation überfordert: »Gehen Sie weg, Sie Presseschwein, oder ich schieße!«
Man merkt: Das Thema ist emotional besetzt. Wie wird jemand Einzeltäter? Und wie kommt es, dass sie in einem friedlichen Ort wie Göringheim in derart hohen Zahlen auftreten? »Viele Einzeltäter fühlen sich vom guten Ruf einer beschaulichen Gemeinde magisch angezogen«, weiß der Soziologie Horst-Eberhardt Freischütz. »Sie ziehen mit dem Wunsch dahin, das Idyll zu beschmutzen und Deutschlands guten Ruf zu beschädigen. Langfristig lassen sie sich nur mit brennenden Autoreifen abschrecken!« Eine Aufgabe, die von der Gemeinde nun hoffentlich verstärkt angegangen wird.