»Russia-Gate« der Lega-Partei

Lega, illegal, scheißegal

Italiens rechtsextremer Innenminister Salvini hat von der Affäre um Absprachen mit russischen Lobbyisten kaum etwas zu fürchten. Je näher Salvini seinem Vorbild Putin rückt, desto beliebter wird er.

Als der russische Präsident Wladimir Putin Anfang Juli zu Besuch in Rom war, beteuerte die italienische Regierungskoalition einmütig, sich im ­Namen der »exzellenten Beziehungen« zu ­ihrem Gast in der Europäischen Union für eine »Überwindung« der wirtschaftlichen Sanktionen einzusetzen. Schon in ihrem Koalitionsvertrag hatten der Movimento 5 Stelle (M5S) und die Lega die »Öffnung gegenüber Russland« im Namen italienischer Wirtschafts- und Handelsinteressen gefordert.

Kaum eine Woche nach dem gemeinsamen Auftritt mit Putin deutete die Veröffentlichung eines Tonbandmitschnitts auf dem US-amerikanischen Medienportal Buzzfeed an, dass die Lega schon seit längerem im eigenen Parteiinteresse mit Russland Geschäfte zu machen sucht. Demnach traf sich Gianluca Savoini, ein ehemaliger Sprecher und enger Vertrauter von Innenminister Matteo Salvini (Lega), im Oktober vorigen Jahres in Begleitung von zwei Landsleuten, die sich inzwischen als Bankberater zu erkennen gaben, mit drei russischen Männern im Hotel »Metropol« in Moskau. Ausgehandelt werden sollte ein Geschäft, bei dem eine russische Firma Rohöl im Wert von 1,5 Milliarden US-Dollar an den italienischen Energiekonzern Eni liefern würde, wobei als Rabatt getarnt 65 Millionen US-Dollar zur Wahlkampfunterstützung an die Lega fließen sollten.

Über das Treffen in Moskau hatte bereits im Februar das Nachrichtenmagazin L’Espresso berichtet, das seit Monaten zu vergangenen und gegenwärtigen finanziellen Transaktionen der Lega recherchiert. Allerdings konnten die Journalisten bisher nicht nachweisen, dass das Moskauer Abkommen zustande gekommen ist und ­tatsächlich ein Millionenbetrag auf Konten der Lega überwiesen wurde. Der Energiekonzern Eni dementierte, in ein solches Geschäft involviert gewesen zu sein. Die Staatsanwaltschaft Mailand hat ein Untersuchungsverfahren wegen des Verdachts auf internationale Korruption eingeleitet.

Für ein neues, russlandfreundliches Europa

Die von Buzzfeed vergangene Woche veröffentlichte, knapp zweiminütige Tonspur gibt die einleitenden Bemerkungen Savoinis wieder, in denen er den russischen Geschäftsleuten versichert, Salvini kämpfe mit seinen Verbündeten, namentlich »der Freiheitlichen Partei in Österreich, der Alternative für Deutschland und Madame Le Pen in Frankreich, Orbán in Ungarn und den Schwedendemokraten«, für ein neues, russlandfreundliches Europa. Die Begeisterung der europäischen Rechtsextremen für Putins Russland ist nichts Neues; interessant ist der Einspieler auf Buzzfeed, weil er die Aufmerksamkeit auf Savoini lenkt.

Der Journalist hat viele Jahre für die parteieigenen Medien der Lega gearbeitet, zeitweilig auch als Pressesprecher von Salvini, stand aber politisch immer neofaschistischen Parteien näher. 2014 gründete Savoini die Vereinigung »Lombardei–Russland« zur Förderung der kulturellen Verständigung und zur Verbreitung der Ansichten des russischen Präsidenten.

Savoini war in den vergangenen Jahren ein ständiger Begleiter Salvinis auf dessen Reisen nach Moskau. Veröffentlichungen in sozialen Medien belegen, dass er enge Kontakte zu russischen Rechtsextremen wie Aleksandr Dugin, dem Begründer eines antiliberalen »Neoeurasismus«, pflegt. Aleksej Komow, der russische Vertreter des klerikalfaschistischen World Congress of Families (Weltfamilienkongress, WCF), wird als Ehrenpräsident der lombardisch-russischen Vereinigung geführt.

Savoini werden außerdem Kontakte zu Männern und Frauen aus dem neofaschistischen Umfeld der Parteien Forza Nuova und ­Fratelli d’Italia nachgesagt, die den Kampf italienischer Söldner auf Seiten prorussischer Milizen in der Ostukraine zumindest propagandistisch unterstützen.

Für Salvinis Anhänger alles kein Problem

Just vergangene Woche wurde in Norditalien im Rahmen staatsanwaltschaftlicher Ermittlungen gegen im Donezk-Becken kämpfende italienische Söldnergruppen ein riesiges Waffenarsenal sichergestellt, in dem sich neben zahlreichen Pistolen, Sturmgewehren und Munition auch eine Luftabwehrrakete aus den Beständen der Streitkräfte von Katar befand.

Wie die Waffe nach Italien kam, ist bisher nicht geklärt. Drei Männer wurden verhaftet: die beiden Besitzer der Halle, in der die Rakete lagerte, und Fabio Del Bergiolo, der neben den Waffen auch eine Fülle an Nazi-Devotionalien hortete und in der Vergangenheit für die Forza Nuova kandidierte. Dennoch erklärte die Staatsanwaltschaft, dass gegen die Festgenommenen bisher nur wegen des Verdachts auf illegalen Waffenhandel ermittelt werde, Hinweise auf Verbindungen zu rechtsextremen Gruppen oder prorussischen Milizionären gebe es nicht.

Die Bestände des Waffenlagers belegen die militärische Aufrüstung der außerparlamentarischen Rechten, die in der Lega ihre parlamentarische Vertretung hat – nicht nur, weil sich Salvini gerne in Uniform oder mit Waffe im Arm fotografieren lässt. Erst im Frühjahr wurde auf Initiative der Lega das Recht auf Notwehr ausgeweitet.

Für Salvinis Anhängerschaft stellt die von italienischen Medien als »Russia-Gate« oder »Moscopoli« bezeichnete Affäre um Absprachen der Lega mit ­russischen Lobbyisten keinen Skandal dar. Je näher Salvini seinem russischen Vorbild rückt, desto mehr steigen seine Beliebtheitswerte. Im Falle einer Regierungskrise braucht sich die Lega vor Neuwahlen nicht zu fürchten.