Die preisgekrönte Reportage

Adel in Not

Kolumne Von Leo Fischer

Viel zu lange hat sich niemand für das Schicksal der Hohenzollern interessiert. Die schiere materielle Not hat das Adelsgeschlecht nun dazu gezwungen, sich an die Öffentlichkeit zu wenden.

»Immer frisch herein! Ich sag’ ja: Platz ist im kleinsten Palästchen!« Es ist ein einfacher Sozialbau in Berlin-Steglitz, in dem Gernot Willlibald Prinz zu Hohenzollern jetzt residiert – und doch spürt man gleich den ­königlichen Geist, der hier alles durchwirkt.

Der Erbe der Hohenzollern verfügt über den kompletten Satz Coca-Cola-Gläser aus der bunten WM-Edition, feinsäuberlich über dem elektrischen Kamin gestapelt. Stolz präsentiert er auch seine Sammlung historischer Diddl-Mäuse in allen Größen – einige davon natürlich schon ziemlich plattgekuschelt, die meisten aber noch perfekt in Schuss.

»Die soll mal einer enteignen kommen! Dann bricht hier aber ’n Weltkrieg aus, wa!« sagt der smypathische Mitvierziger, schließt endlich den Morgenmantel und setzt sich beiläufig ein Plastikkrönchen auf. »Jetzt genehmigen wir uns erst mal einen!«

Man spürt sofort: Die künstliche Zurückhaltung, die sich das Adelshaus in den vergangenen Jahrzehnten auferlegt hat, ist passé; es herrscht wieder die freie Rede. Und die hat es in sich: Willibald möchte das Berliner Stadtschloss zurück, darüberhinaus alle Gemälde aus der Stiftung Preußischer Kulturbesitz und dauerhaftes Wohnrecht im Kanzleramt, »nicht unterhalb des dritten Stocks«, wie der attraktive Aristokrat so ­beiläufig wie entschlossen ergänzt.

Die Not ist groß beim ehemaligen Herrschergeschlecht: »Wander­hoden, eine schmerzhafte Sache!« Aber auch die schiere materielle ­Malaise hat den Prinzen dazu gebracht, sich an die Öffentlichkeit zu wenden. »Das Vermögen, das unser Haus über die Jahrhunderte hinweg zusammengestohlen und -geplündert hat, kann nicht einfach so entschädigungslos an den Staat gehen. Das wäre Raub«, erklärt Willibald die Rechtslage und sucht den Raum ­erfolglos nach einem Leibeigenen ab, an dem er sich abreagieren könnte, bevor er sich erschöpft auf die Couchgarnitur fallen lässt.

»Jahrelang haben wir Hohenzollern über deutsche Politik mitentschieden – meistens zum Schlechteren! Aber ich denke, ein wenig Anerkennung müsste da doch drin sein. Man muss es ja nicht gleich so wie die Briten machen. Aber ich denke, bei Veranstaltungen rumstehen und winken, das könnte ich auch noch!«