Klimawandel und rechte Ideologien

Proben für den Weltuntergang

Von Jan Stich

Der Klimawandel könnte dramatische Folgen haben. Im Windschatten der Krisenprognosen gedeihen neurechte Ideologien: »Prepper« bereiten sich mit Bunkern und Waffenlagern auf das Ende der Welt vor.

In den frühen sechziger Jahren war der Adorno-Schüler Alfred Schmidt noch ein Exot, als er den Marxismus, der damals in den verschiedenen Formen des Realsozialismus scheinbar in der halben Welt regierte, mit der wieder­erwachten Strömung der Ökologie in Verbindung brachte. Inzwischen hat sich dieses Kräfteverhältnis umgedreht, Marxisten gibt es immer weniger, Ökos immer mehr.

Eine Ideologie, die das nackte Überleben zum Endzweck erklärt, ist barbarisch.

Für eine ökologische Wende plädieren heutzutage viele Menschen, vom Waldorflehrer bis zur Physikprofessorin, vom Animal-Liberation-Anarcho auf dem Bauwagenplatz bis zur Jungunternehmerin. Könnten die Deutschen ihr Regierungsoberhaupt direkt wählen, würden nach einer aktuellen Emnid-Umfrage 51 Prozent für den Grünen-Vorsitzenden Robert Habeck stimmen. In jüngsten Umfragen liegt dessen Partei auf einer Höhe mit der Union. Die SPD, die zuletzt noch heroisch für die Braunkohle-Kumpel kämpfte, nähert sich in denselben Umfragen dem einstelligen Prozentbereich.

Der ehemalige SPD-Vorsitzende Sigmar Gabriel scheint den Abstieg seiner Partei auf zu viel rote beziehungsweise grüne Neuerungen zurückzuführen. Er warnte seine Genossen vor einem fortschrittlichen Kurs. »Die SPD ist linker als die Linkspartei geworden und ökologischer als die Grünen«, sagte der frühere Vizekanzler Anfang August dem Kölner Stadt-Anzeiger. Aus der Linkspartei kommen indes Forderungen nach der Verstaatlichung von Fluggesellschaften. Und selbst die CDU schlägt eine Steuerreform im Energiesektor als Mittel für mehr Klimaschutz vor.

Waffen und Bunker

Trotz des offensichtlich hohen Stellenwerts von ökologischen Themen sind die praktischen Ergebnisse beim Klimaschutz bisher allerdings ernüchternd. Private Initiativen für Photovoltaikanlagen und gegen Plastikstrohhalme können nicht darüber hinwegtäuschen, dass auf staatlicher Ebene keine angemessenen Anstrengungen unternommen werden. Der jüngste Bericht des Weltklimarats zeigt die Regierungen in keinem guten Licht.

In Europa fallen neue Hitzerekorde und an der Grenze zur Arktis gibt es die bisher schlimmsten Tundrabrände der Geschichte. Und so wächst neben dem Wunsch nach einem ökologischen Umbau auch die Angst vor dessen Scheitern. Der australische Think Tank Breakthrough National Centre for Climate Restoration hat jüngst den worst case des Klimawandels prognostiziert. Demnach könnten bis 2050 über eine Milliarde Menschen zur Flucht gezwungen werden, weil ihre Wohnorte unbewohnbar werden.

Im Windschatten solch dunkler Krisenprognosen gedeihen auch neurechte Ideologien. Die Warnung vor einem nahenden Untergang nährt die Vorstellung von »doomsday preppers«. Diese legen Lebensmittellager an, verstecken Waffen, bauen Bunker und trainieren das Überleben in einer Welt ohne Leitungswasser, ohne Strom und ohne ein staatliches Gewaltmonopol. Mit­glieder der Preppergruppe Nordkreuz sollen ­sogar geplant haben, politische Gegner zu töten. Rechtsextreme Verschwörungsideologien und libertärer Anti­humanismus sind in dieser Szene weit verbreitet.

Prepper im Weltall

Der Prepper M. D. Creekmore aus den USA beschreibt die Kriterien für ein perfektes Prepper-Heim auf seinem Blog wie einen Zombiefilm: »Irgendwann ist mir klar geworden, dass im Katastrophenfall die Menschen in den Städten kein Essen oder Trinken mehr bekommen könnten. Dann würden sie hinausströmen, durch die Vor­orte und in unser verschlafenes Dörfchen. Jedes Mittel wäre ihnen recht, um das zu bekommen, was sie brauchen.« Der Zaun um sein zwei Hektar großes Grundstück soll daher nicht nur seine Tiere drinnen, sondern auch fremde Menschen draußen halten.

Das Weltbild auf den Prepper-Blogs erinnert oft an Mad-Max-Filme: Jeder wird für sich selbst kämpfen müssen. Deshalb halten Creekmore und seine Mitstreiter die genauen Standorte ihrer Lager auch geheim.

Silicon-Valley-Libertäre, die Landgüter in Neuseeland aufbauen, glauben genauso an den kommenden Untergang wie mecklenburgische Polizisten, die Raviolidosen und Munition in der Garage horten. Besonders ausgefallen sind space-preppers wie Elon Musk und Jeff Bezos. Beide investieren in die private Raumfahrt mit dem expliziten Ziel, andere Planeten zu kolonisieren, bevor unserer kollabiert.

Mit Blick auf die ökologische Krise klingen solche apokalyptischen Szenarien nicht mehr gänzlich unwahrscheinlich. Fachleute sind uneinig darüber, ob heutige Flüchtlingsbewegungen bereits eine Folge des Klimawandels sind. Sicher ist aber, dass die weitere Verschärfung der Klimakrise zu Fluchtbewegungen führen wird. Ins­besondere aufgrund von Wasserknappheit käme es zu Ernährungskrisen, Konflikten und Migration, betonte der Geschäftsführer des World Resources Institute (WRI), Andrew Steer, anlässlich des vergangene Woche veröffentlichten Sonderberichts des Weltklimarats.

Wunsch nach Unheil

Dennoch gibt es gute Argumente, die »Jeder für sich«-Mentalität der Prepper abzulehnen. Eine Ideologie, die das nackte Überleben zum Endzweck erklärt, ist barbarisch. Die Erkenntnis Theodor W. Adornos, dass rechtsextreme Rhetorik durch einen »Wunsch nach Unheil, nach Katastrophe« gekennzeichnet ist, scheint aktueller denn je.

Linke Klimapolitik hingegen will den Kapitalismus nicht grün machen, sondern ihn abschaffen. Der Green New Deal möchte die öko­logische Frage ohne die soziale lösen. Doch wie der Klimawandel nicht bloß ein ökologisches Problem ist, so geht es auch nicht nur um die Verbesserung von Technologien, sondern auch um die künftige ­Verteilung von Macht und Chancen. Alle Umwelt­probleme auf den Klimawandel zurückzuführen, verdeckt nämlich, dass die kapitalistische Bewirtschaftung der Erde bereits zu einer wesentlich tieferen Krise geführt hat.

Es gibt ein gutes Leben jenseits von Easyjet-Tourismus, Billigfleisch und riesigen SUVs. Dabei können ökologische Wohnprojekte, Carsharing oder ein kostenfreier Nahverkehr das Leben sogar angenehmer werden lassen. Bei aller berechtigten Kritik am Zivilisationsbegriff und seiner unseligen Verwendung im Kontext kolonialer Ausbeutung: Fließendes Wasser, Stromnetze, Bewegungsfreiheit, Menschenrechte, all diese Errungenschaften sind ebenso wertvoll wie fragil. Wer die Aufklärung retten möchte, sollte nicht nur Adorno lesen, sondern auch sicherstellen, dass morgen noch Wasser aus der Leitung kommt.