Die österreichische FPÖ ist in den nächsten Skandal verwickelt, diesmal geht es unter anderem um Casinos

Von Ibiza ins Casino

Die Skandale der österreichischen FPÖ hören nicht auf. In Österreich wird nach Razzien in mehreren Fällen gegen FPÖ-Politiker ermittelt, unter anderem wegen Korruption. Doch auch die ÖVP gerät unter Druck.

In einem abgelegenen Hochgebirgstal in Osttirol liegt das Örtchen St. Jakob. Dort steht ein altes Bauernhaus, wie einem Heimatfilm entsprungen. Dieses hat das Bildungsinstitut der Freiheitlichen Partei Österreichs (FPÖ) 2012 auf Anraten des damaligen Parteivorsitzenden Heinz-Christian Strache erworben, damit die FPÖ-Spitze am »Tag X«, also im Falle des Ausbruchs eines Bürgerkrieges, einen Rückzugsort und möglicherweise eine Kommandozentrale habe.

Das Häuschen mit seinen 20 Gästebetten bekam vor wenigen Tagen unerwarteten Besuch: Die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WK­StA) klopfte an und forderte die Herausgabe mehrerer in einem Tresor verwahrter Datenträger. Gleichzeitig fanden Hausdurchsuchungen bei mindestens drei FPÖ-Politikern statt, bei denen Handys und Computer beschlagnahmt wurden. Die FPÖ hat juristisch viel zu befürchten. Die von der Staatsanwaltschaft erhobenen Vorwürfe reichen von Bestechung über die Weitergabe von Drogen bis zur »Gründung einer staatsfeindlichen Verbindung«.

Anlass der Ermittlungen war zum einen das sogenannte Ibiza-Video, in dem Strache ­unter anderem behauptet hatte, der österreichische Glückspielkonzern ­Novomatic »zahlt alle«, verteile also Schmiergeld an alle Parteien. Zum ­anderen gab es eine anonyme, aber mit Insiderwissen gespickte Anzeige, ­wonach der damalige FPÖ-Klubchef Johann Gudenus und der damalige FPÖ-Staatssekretär Hubert Fuchs auf Betreiben Straches einen Handel mit Novomatic vereinbart haben sollen: Der Konzern solle dabei helfen, den Wiener FPÖ-Bezirksrat Peter Sidlo zum Finanzvorstand der Casinos Austria AG zu machen.

Geschäft auf Gegenseitigkeit

Im Gegenzug werde sich die FPÖ dafür einsetzen, Novomatic eine Online-Gaming-Lizenz zu verschaffen sowie das Verbot von Glücksspielautomaten in Wien, die einst ein großer Geschäftszweig von Novomatic waren, rückgängig zu machen. Fuchs soll zusammen mit Novomatic Druck auf den Vorstand der Casinos Austria AG ausgeübt haben, um Sidlo zum Finanzchef zu machen, obwohl Personalberater dessen fachliche Eignung bezweifelt hatten, so der Verdacht.

Ermittelt wird gegen Gudenus, Fuchs und Strache sowie gegen mehrere Novomatic-Mitarbeiter. Alle Genannten bestreiten die Vorwürfe nachdrücklich. Sidlo ist übrigens immer noch Finanzvorstand bei Casinos Austria und dort unter anderem für Korruptionsbekämpfung zuständig. Brisant ist der Postenschacher zudem, weil Strache im Ibiza-Video die Zerschlagung der Casinos Austria und den Verkauf der profitabelsten Teile des Unternehmens an FPÖ-freundliche Investoren vorgeschlagen hatte.

Zudem untersucht die Justiz im Zusammenhang mit dem Ibiza-Video nicht weniger als 19 weitere Vorwürfe. Strache und Gudenus, die im Video Parteispenden einforderten, sich zur Untreue bereit zeigten und illegale überteuerte Staatsaufträge gegen sogenannte Kickback-Zahlungen in Aussicht stellten, werden Korruption und – für die selbsternannte »Heimatpartei« besonders unangenehm – die »Gründung einer staatsfeindlichen Verbindung« vorgeworfen.

»Weitergabe von Suchtmitteln«

Doch es wird auch gegen mutmaßliche Hinterleute des Videos ermittelt, denen unter anderem Urkundenfälschung und illegale ­Videoaufzeichnung zur Last gelegt werden. Auch wegen der »Weitergabe von Suchtmitteln« laufen Vorermittlungen gegen mehrere nicht namentlich genannte Personen. Nicht zuletzt ermitteln die Korruptionsstaatsanwälte auch gegen jene Firmen und Unternehmer, die Strache und Gudenus im Video der Bestechung bezichtigt hatten.

Die Österreichische Volkspartei (ÖVP) unter Sebastian Kurz, die nach Bekanntwerden des Ibiza-Videos die Koalition mit der FPÖ aufgekündigt hatte, gerät ebenfalls in die Bredouille. Ein enger Mitarbeiter von Kurz hatte wenige Tage vor dem Misstrauensvotum vom 27. Mai im Parlament, das die gesamte Regierung stürzte, bei der Firma Reißwolf unter falschem Namen mehrere Festplatten schreddern lassen.

Nun ­ermittelt die Justiz, ob diese Festplatten mit dem Ibiza-Video in Zusammenhang standen. Die ÖVP konnte bisher keine überzeugende Erklärung dafür liefern, warum sie die Datenträger nicht, wie es üblich wäre, von Beamten des Bundeskanzleramts löschen ließ. Die Behauptung, der Mitarbeiter habe auf eigene Faust gehandelt und der ­Inhalt der Datenträger sei völlig harmlos gewesen, wirkt offenbar auch auf die Staatsanwaltschaft nicht besonders überzeugend.

Sorge wegen möglicher Vertuschungen

Wie inzwischen bekannt wurde, herrscht zwischen den ermittelnden Behörden Misstrauen. Die Themenkomplexe »Casinos Austria« und »Ibiza« werden nämlich von zwei Stellen ­untersucht: zum einen von der WKStA, zum anderen von der »Soko Ibiza«, ­einer Sonderkommission aus dem ­Innenministerium. Die Korruptionsstaatsanwälte hegen den Verdacht, die Soko stehe unter dem Einfluss der ÖVP, die von 2000 bis 2017 – also bis zum Beginn der jüngsten Koalition mit der FPÖ – das Innenressort leitete. Offiziell heißt es zwar, man vertraue einander, aber hinter vorgehaltener Hand ist von Sorge wegen möglicher Vertuschungen die Rede.

Die FPÖ bestreitet alle Vorwürfe vehement und spricht von einer Verschwörung. Die ÖVP ging vorige Woche nach anfänglichem Zögern in Wahlkampfmodus und verunglimpft die Ermittlungen als »Schmutzkübelwahlkampf«, weswegen einige Kommentatoren in österreichischen Tageszeitungen die Unabhängigkeit der Justiz in Gefahr ­sehen. Der SPÖ-Bundesgeschäftsführer Thomas Drozda hält es für »nicht vorstellbar«, dass die ÖVP von den Machenschaften ihres Koalitionspartners nichts gewusst habe. »Die Ibiza-Koalition ist das Sinnbild für gekaufte und tief korrupte Politik geworden«, so der SPÖ-Politiker.

Nick Donig, der Generalsekretär der liberalen Partei Neos, hält es für »äußerst unglaubwürdig, wenn sich die ÖVP nun überrascht zeigt. Die ÖVP saß zusammen mit der FPÖ in der Regierung. Wenn die FPÖ ihre Leute in Posten hievte, dann geschah das mit dem Wissen und in Absprache mit der ÖVP.« Die Grünen fordern, Kurz dürfe »nicht aus der Verantwortung entlassen werden«, und die Partei »Jetzt – Liste Pilz« – eine Abspaltung von den ­Grünen – setzt sich für einen Untersuchungsausschuss ein.