Die konservative griechische Regierung will die Gewerkschaften schwächen

Geschenk an die Unternehmer

Die von der konservativen Regierung in Griechenland vorgelegte Novelle des Wirtschaftsförderungsgesetzes schränkt Arbeitnehmer­rechte ein. Gewerkschaften und Sozialdemokraten rufen zum Widerstand auf.

Gesagt, getan? Keineswegs. Zu den Versprechen, mit denen der seit Juli amtierende griechische Ministerpräsident Kyriakos Mitsotakis im Wahlkampf für seine Partei Nea Dimokratia geworben hatte, die schließlich im Parlament die absolute Mehrheit gewann, gehörte die »Schaffung von besser bezahlten Arbeitsplätzen«. Kaum zwei Monate nach dem Wahlsieg demons­triert der neoliberale Politiker mit einer geplanten Novelle des Wirtschaftsentwicklungsgesetzes, dass er genau das Gegenteil im Sinn hatte. Die Regierung feiert ihre Politik als »tiefen Einschnitt, der einen fruchtbaren Boden und ein freundliches Klima« für neue Investoren schaffe.

Künftig können Unternehmer die Löhne kürzen und Tarifverträge ignorieren, wenn sie erklären, dass sie sich in einer Phase wirtschaftlicher Schwierigkeiten befinden.

Die Kommunistische Partei Griechenlands bezeichnet die Novelle, die die konservative Regierung am Mittwoch voriger Woche vorgestellt hat, als »Ungeheuerlichkeit«. Gewerkschaften rüsten sich bereits zum Arbeitskampf. Die sozialdemokratische Partei Kinal ruft unter dem Slogan »Der Regierung werden wir uns im und außerhalb des Parlaments entgegenstellen!« mit einem Plakat, das eine aus einem skizzierten Fabrikgebäude ragende Faust zeigt, zum Widerstand auf. Das Plakat ist eine fast genaue Kopie eines Banners der Achtundsechziger-Bewegung in Paris. »Griechenland kann nicht in ein Billiglohnland mit ausgehöhlten Arbeitsrechten umgewandelt werden«, schreibt Kinal in einer Pressemitteilung. Leider weist ein großer Teil der geplanten Novelle genau in diese Richtung. »Es ist die Verwirklichung der Verpflichtungen, die Mitsotakis gegenüber dem Industriellenverband hat.«

Bislang unterstützten die Sozialdemokraten Griechenlands treu den Sparkurs. Was ist geschehen, dass sie sich nun marxistischer Plakate und Parolen bedienen? Die »Rückkehr zur Normalität«, wie die regierende Nea Dimokratia ihre Politik bezeichnet, bedeutet in der Praxis, dass Arbeitnehmerrechte weiter eingeschränkt werden sollen. So könnten künftig Unternehmer die Löhne kürzen und Tarifverträge ignorieren, wenn sie erklären, dass sie sich in einer Phase wirtschaftlicher Schwierigkeiten befinden.

 

Die Formulierung in der Gesetzesnovelle ist so schwammig, dass die Unternehmer nach Gutdünken das betriebliche Lohnniveau drücken könnten. So gelten gemäß der Novelle »namentlich Insolvenzverfahren oder Insolvenz oder ein außergerichtlicher Vergleich oder eine wirtschaftliche Umstrukturierung« als »schwerwiegende ­finanzielle Probleme«. Ausnahmen vom Tariflohn sind demnach weiterhin in Sonderwirtschaftszonen möglich. Die Gesetzesnovelle bestimmt zudem, dass Tarifverträge nur dann gelten sollen, wenn »50 Prozent plus ein« Arbeitnehmer in der jeweiligen Unternehmensbranche gewerkschaftlich organisiert sind.

Die Gewerkschaften selbst sollen künftig in einem Zentralregister beim Ministerium erfasst werden. In dieses Register soll neben den persönlichen Daten der Gewerkschaftsfunktionäre und Mitglieder auch eine komplette staatliche Erfassung sämtlicher Beschlüsse der Gewerkschaftsversammlungen eingetragen werden.

Zudem beklagen Kritiker der Novelle, dass die vom Arbeitsministerium gewünschte Einführung einer elektronischen Stimmabgabe für die Gewerkschaftsmitglieder Manipulationen jeglicher Art ermögliche. Sie befürchten zum Beispiel, dass Gewerkschaftsmitglieder ohne den demokratischen Austausch untereinander leichter von Arbeitgebern zu beeinflussen seien. In der Novelle ist niedergelegt, dass das Arbeitsministerium mit künftigen Entscheiden weiter bestimmen könne, auf welche Art die Gewerkschaften ihre ­Beschlüsse fassen müssen.

Darüber hinaus macht die »Aufbaugesetz« getaufte Novelle Investoren zahlreiche Zugeständnisse. Unternehmen »mittlerer Umweltbelastung« könnten künftig ohne Beschränkung den Standort ihrer Betriebsstätte ­wählen. Umweltverträglichkeitsvorschriften sollen im Sinn der »Erleichterung der Investitionen« gelockert werden. Die Novelle sieht vor, dass Umweltschutzbestimmungen in den zu schaffenden Industrieparks nur auf niedrigem Niveau eingehalten werden sollen.

Bislang benötigten Unternehmen in der Gründungsphase neben der Baugenehmigung für ihre Betriebsstätte auch eine Betriebserlaubnis, die nun entfällt. Die bisher durch den Staat erfolgte Überprüfung von Wirtschaftsplänen will die Regierung Banken und Beraterfirmen übertragen. Staatliche Fördermittel sollen künftig als Vorschuss vollständig ausgezahlt werden, wenn der Investor die Hälfte der Investition getätigt hat, und nicht wie bislang erst nach Abschluss aller Arbeiten.

Gerichtsverfahren, bei denen es um größere Investitionen geht, sollen zu Lasten der weniger betuchten Unternehmer und Bürger schneller bearbeitet werden.