Ein französischer Diplomat unter Terrorverdacht

Diplomat sucht Kalaschnikow

In Frankreich wurde ein Diplomat des Landes festgenommen. Er steht im Verdacht, ein wichtiges Mitglied der rechts­terroristischen Organisation Action des forces opérationnelles zu sein.

»Extreme Sicherheit«, so lautet der Titel eines jüngst erschienenen Buchs aus dem Herder-Verlag. Es geht darin um »Rechtsradikale in Polizei, Bundeswehr, Verfassungsschutz und Justiz«, so der Untertitel. Dieses Thema sorgte in jüngerer Zeit in Deutschland wiederholt für Diskussionen.
Auch in Frankreich ist das Problem bekannt. Anhänger der extremen Rechten gehen dort ebenfalls gerne in den Staatsdienst, bevorzugt in Posi­tionen, in denen man mit einer Waffe ausgestattet wird. Ein Hang zum Auto­ritarismus, die Fixierung auf Macht- und Gewaltausübung, die Faszination für Uniformen – extreme Rechte müssen sich in der Regel nicht sonderlich verbiegen, um in solche Arbeitsverhältnisse einzutreten.

Als die französischen Behörden im Juni vergangenen Jahres die rechts­terroristische Gruppe Action des forces opérationnelles (Aktion der einsatz­bereiten Kräfte, AFO) aushoben, war bereits bekannt, dass sich mehrere ­Polizisten, Gendarmen und Berufssoldaten unter den Mitgliedern befanden (Jungle World 28/2018). Als Anführer der AFO gilt der pensionierte Polizist Guy S., ein 65jähriger, der bereits zuvor von den Behörden als aktiver Rechts­extremer eingestuft worden war. Er hatte nicht nur Verbindungen ins gewaltbereite Milieu, sondern auch zur ­legalen neofaschistischen Rechten: Im April, Mai und Juni 2017 betätigte er sich als Wahlhelfer des Front National (FN), wie die rechtsextreme Partei Rassemblement National (Nationale Sammlung, RN) damals noch hieß.

Eine neue Wendung nahm der Fall der rechtsterroristischen Gruppe im vergangenen Monat. Am 12. September machte ein Bericht der Boulevard­zeitung Le Parisien, bekannt, dass dreieinhalb Monate zuvor, am Abend ein französischer Diplomat im aktiven Dienst als 14. Verdächtiger im Zuge der Ermittlungen gegen die AFO am Flug­hafen Charles de Gaulle festgenommen worden war. Das Flugzeug mit dem Verdächtigen war aus Madrid gekommen, Polizisten der Generaldirektion für innere Sicherheit (DGSI), einer Behörde mit sowohl polizeilichen als auch geheimdienstlichen Aufgaben, hatten auf den 51jährigen Marc-­Antoine G. gewartet und ihn anhand ­eines Fotos identifiziert.

 

Der Verdächtige ist kein kleiner Fisch: Bis 2017 war er stellvertretender Konsul Frankreichs in der Republik Gabun, die über große Ölvorkommen verfügt und eine der beiden wichtigsten französischen Militärbasen in Afrika beherbergt. Seither war er in El Salvador tätig, wo er in der französischen Botschaft den zweithöchsten Rang innehatte. In dem mittelamerikanischen Land kämpfte während des Bürgerkriegs in den achtziger Jahren die rechtsextreme, den Großgrundbesitzern nahestehende und eigene Milizen unterhaltende ­Regierungspartei Alianza Republicana Nacionalista gegen linke Guerillakämpfer. Die USA unterstützten damals offen die Regierung.

Noch immer befinden sich in El Salvador zahlreiche Waffen in Umlauf, die vor allem für die grassierende Bandenkriminalität eine große Rolle spielen. G. soll eine Liste von Waffen angelegt haben, von denen er Exemplare aus seinem Einsatzland nach Frankreich mitbringen wollte. In einer Nachricht, die die französischen Behörden abfingen, ist von »Gewehren, Uzis, Kalasch­nikows« die Rede. Die Waffen sollten im Diplomatengepäck eingeschleust werden, das beim Passieren von Grenzübergängen nicht kontrolliert wird.

Wie erst Mitte September öffentlich bekannt wurde, war G. am 6. Juni angeklagt worden. Wann der Fall vor Gericht verhandelt werden soll, ist noch nicht bekannt. Das Außenministerium hat den Diplomaten zunächst vom Dienst suspendiert, seine Tätigkeit ruht mindestens so lange, bis die Vorwürfe geklärt sind. Bei der Vernehmungen räumte der Verdächtige Presseberichten zufolge unter anderem ein, einen Kurzaufenthalt in Frankreich im Mai 2018 genutzt zu haben, um an einer Versammlung der AFO in der ländlichen Gemeinde Nogent-le-Rotrou teilzunehmen, die etwa 100 Kilometer westlich von Paris liegt.

Seit spätestens 2017 soll G. den bisherigen Erkenntnissen der Ermittler zufolge den Mitgliedern der rechtsterroristischen Organisation aus der Ferne Anweisungen erteilt haben. Bei ihnen handelt es sich nach Polizeiangaben um Männer und Frauen im Alter zwischen 33 und 70 Jahren mit einem Hang zu Überlebenstraining, getrieben von Untergangsphantasien und Bürgerkriegserwartungen. Dass ein derart ranghoher Staatsdiener der AFO angehört, war bislang nicht bekannt.

 

Im Laufe seiner Vernehmungen behauptete G., der ursprüngliche Plan der AFO sei es gewesen, im Falle neuerlicher jihadistischer Anschläge ähnlich denen vom 13. November 2015 in Paris und Saint-Denis zurückzuschlagen und etwa islamistische Ziele und »als radikal bekannte Imame« anzugreifen. Doch »einige Mitglieder«, so führte er aus, seien der Auffassung gewesen, »Angriff ist die beste Verteidigung«. Sie hätten weitaus offensivere Pläne für Attacken gegen weitaus größere Personengruppen entworfen.

Im Zuge der ersten Festnahmen von AFO-Mitgliedern im Frühsommer 2018 war ein Plan der Gruppe mit dem Namen »Operation Halal« bekannt ­geworden, der unter anderem darauf zielte, muslimischen Speisevorschriften entsprechende Produkte in Geschäften und Supermärkten zu vergiften. Auch sollten kopftuchtragende Frauen angegriffen werden. G. behauptet ­allerdings, der Beschluss dieses Plans durch die Gruppe habe bei ihm »Ekel ­erregt«, er habe sich daraufhin zurückgezogen.

Die Ermittlungsbehörden gehen davon aus, dass der Diplomat mehrere Mitglieder des rechtsterroristischen Netzwerks selbst anwarb. Zu den von ihm persönlich rekrutierten Gefolgsleuten soll etwa der frühere Berufs­soldat Daniel R. zählen. Ihm wurde nachgewiesen, an seinem Wohnsitz im Raum Versailles ein »Süppchen gekocht« zu haben, wie es in einer Nachricht der Gruppe hieß, die die Behörden sicherstellen konnten. Bei dem Süppchen handelte es sich um den Sprengstoff TATP. Die nötigen Zutaten lassen sich relativ leicht beschaffen, für die Herstellung sind weder profunde Chemiekenntnisse noch Laborbedingungen nötig. Es handelt sich um den Sprengstoff, der auch bei den jiha­distischen Anschlägen vom November 2015 eingesetzt wurde.