Klimaschützer protestieren gegen den Import von Steinkohle

Der Kohle Steine in den Weg legen

Deutschland importiert weiterhin Steinkohle. In den Abbauländern werden die Umwelt zerstört und Menschenrechte verletzt. Klimaschützer wollen Deutschland deshalb »decoalonizen«.

Wer in Deutschland an Steinkohle denkt, der denkt in erster Linie an das Ruhrgebiet – und daran, dass die Zeit der inländischen Steinkohleförderung vorbei ist. Mit viel Pomp überreichten Bergmänner Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier im Dezember 2018 das letzte geförderte Stück Kohle der Zeche Prosper-Haniel in Bottrop. Seither ist Schicht im Schacht.

Zechen sind im Ruhrgebiet und im Saarland heutzutage oft Veranstaltungsorte und die Fördertürme Landmarken und Aussichtspunkte. Ein bisschen Folklore gibt es noch, etwa wenn beim Fußball auf Schalke das Steigerlied gesungen wird.

Doch über 20 Kraftwerke brauchen weiterhin Nachschub des fossilen Rohstoffs. Dafür legt die Kohle weite Wege zurück. Von den 46,7 Millionen Tonnen Steinkohle, die dem Verein der Kohlenimporteure zufolge vergangenes Jahr nach Deutschland eingeführt wurden, kamen 19,2 Millionen Tonnen aus Russland. Mit deutlichem Abstand folgen die USA, Australien und Kolumbien. Meist wird die Kohle unter deutlich schlechteren Bedingungen gefördert als zuletzt in Deutschland, wo Unfälle eher selten waren. Der Kohleabbau geht einher mit Menschenrechtsverletzungen und Umweltzerstörung.

Nachdem Klimaschützer lange besonders die Braunkohleförderung kritisiert haben und die Bewegung »Ende Gelände« viel Aufmerksamkeit auf die Tagebaue im Rheinland und in der Lausitz lenken konnte, nimmt sich das Bündnis »Decoalonize Europe« den Import von Steinkohle und die mit diesem Energieträger betriebenen Kraftwerke in Deutschland vor. Das Bündnis will »koloniale Spuren« der eigenen Lebensweise »kritisch hinterfragen« und sich »dem mutigen Kampf der Menschen in den Abbauregionen anschließen«. Der Steinkohlehandel sei ein »Paradebeispiel imperialer Ausbeutung«, die Profite nähmen denselben Weg wie die Kohle – »in den globalen Norden«.

Tatsächlich sind die Abbauregionen oft besonders arm. Das zeigt sich etwa in Kolumbien, wo es zwei große Steinkohlegebiete gibt: El Cerrejón, das etwa die Größe Hamburgs hat, sowie weitere Tagebaue in der Region Cesar. Besonders kritisiert wird hier der US-amerikanische Konzern Drummond, der in der Vergangenheit mit Paramilitärs zusammengearbeitet haben soll. 2001 wurden mutmaßlich im Auftrag des Konzerns zwei Gewerkschafter erschossen. Zudem verursachen die kolumbianischen Kohlebetriebe Umweltzerstörung in erheblichem Ausmaß. Beispielsweise soll der Fluss Arroyo Bruno für den Riesentagebau El Cerrejón umgeleitet werden. Für die Anwohner des Flusses, die von Landwirtschaft und Fischfang leben, wäre das eine Katastrophe.

 

In der russischen Region Sibirien sieht es nicht viel besser aus. Im Steinkohlerevier Kusbass in Südsibirien sind nach Angaben des »Coal Action Network« mittlerweile knapp 94 Prozent der Trinkwasservorräte vergiftet. Die Zahl der Krebs- und Lungenerkrankungen steigt, die Lebenserwartung in der Kohleregion ist drei bis vier Jahre niedriger als im russischen Durchschnitt. Das liegt auch an der Abbaumethode: Die Kohle wird aus dem Boden gesprengt. Der dabei entstehende Staub verteilt sich über die umliegenden Siedlungen. Wegen der Kriminalisierung der Proteste gegen die Kohleförderung in Russland floh Alexandra Korolewa, die Direktorin der NGO Ecodefense, Anfang des Jahres nach Deutschland und beantragte Asyl. Sie fordert: »Die Menschen hier müssen handeln und von der deutschen Regierung fordern, sofort aus der Kohle auszusteigen. Die Importe aus Russland müssen beendet werden.«

Die ersten Adressaten solcher Forderungen wären die deutschen Steinkohleimporteure. Die geben sich wortgewaltig, wenn es um Importkohle geht. RWE etwa teilt mit, dass man auf die »möglichst umweltgerechte und sozialverträgliche Bereitstellung« der Kohle achte. Dafür habe der Konzern 2012 die Initiative »Better Coal« mitgegründet. Der Zusammenschluss von Kohlekonzernen arbeite an der »kontinuierlichen Verbesserung der Bedingungen, unter denen Steinkohle gefördert wird«.

Sebastian Rötters von der NGO Urgewald sieht das kritisch. RWE verstecke sich hinter »Better Coal«, sagt er. Die Berichte über Überprüfungen, sogenannte Audits, bei den Kohleproduzenten seien viel zu vage. Selbst wenn sich zeige, dass Standards nicht eingehalten werden, habe dies keine Konsequenzen. »Die Kohleimporteure übernehmen keine Verantwortung für ihre Lieferketten«, so Rötters. Konzerne wie RWE oder der Stadtwerkezusammenschluss Steag könnten vergleichsweise einfach dazu gebracht werden, sind doch zahlreiche Städte an ihnen beteiligt. Doch weder die »Fair Trade City« Dortmund noch Essen, das 2017 »Grüne Hauptstadt« Europas war, haben sich bislang dazu geäußert, ob und wie sie auf diese Konzerne einwirken wollen, um die Einfuhr dreckiger und unter unmenschlichen Bedingungen geförderter Steinkohle zu beenden.