Von Bienen und Schmetterlingen - Die Boxkolumne

Ein Verband geht zu Boden

<p>Die Krise des deutschen Boxens lässt sich nicht leugnen.</p>

Die Krise des deutschen Boxens lässt sich nicht leugnen. Bei den zweiten European Games in der belarussischen Hauptstadt Minsk schnitten die deutschen Boxerinnen und Boxer kürzlich katastrophal ab. Es reichte gerade noch so für Platz 17 in der Gesamtwertung. Angetreten waren Sportler aus insgesamt 20 Ländern. Nur die Kämpfer aus Kroatien sowie Schweden und der Slowakei, die sich den letzten Platz teilten, lieferten ein schlechteres Ergebnis ab. Die Boxbundesliga des Deutschen Boxsportverbands (DBV) dümpelt vor sich hin. In der vergangenen Saison kämpften nur die Teams aus Berlin, Hannover und Schwerin um den Titel. Dank neuer Statuten erhofft sich der Verband in dieser Saison sieben teilnehmende Teams in der höchsten Liga. Sicher ist das allerdings ebenso wenig wie der Termin, an dem die Saison beginnen soll.

Nicht nur sportlich geht es bergab: Anfang des Jahres beschwerten sich zwei der wichtigsten Verbandsrichter des deutschen Boxverbands, Claus Runge und Klaus Beckmann, in einem offenen Brief über die ständigen Einmischungen in die Arbeit ihres Gremiums. Hauptsächlich dem damaligen Präsidenten des Boxverbands, Jürgen Kyas, warfen sie vor, die Entscheidungen des Verbandsgerichts zu missachten und bei nicht genehmen Urteilen zu versuchen, die Richter zu beeinflussen. Unter der Leitung Kyas’ sagte der DBV unter anderem den international bekannten »Chemiepokal« in Halle ab und veranstaltete stattdessen ein neues Amateurturnier in Köln. Ausgebliebene Finanzierungszusagen des Landes Sachsen-Anhalt sollen der Grund für diese Entscheidung gewesen sein – was das Land allerdings dementierte. Zudem reklamierte der Verband die Rechte an der Wort-Bild-Marke »Chemiepokal« für sich. Das 1970 erstmals veranstaltete internationale Boxturnier der höchsten Kategorie des Weltverbandes Aiba war zu DDR-Zeiten vom Boxverband Sachsen-Anhalt organisiert worden; die Rechte liegen weiterhin bei diesem. Die Ersatzveranstaltung in Köln kam nur zustande, weil das Land Nordrhein-Westfalen eine niedrige sechsstellige Summe zur Verfügung gestellt hatte. Die Zuschauerränge blieben dort zumeist leer.

Seit 2009 führte Kyas den Verband. Unter seiner Leitung wurde seinen Angaben zufolge eine drohende Insolvenz vermieden und der Verband wieder geschäftsfähig. Ende vergangenen Jahres wurde Kyas, der auch Vizepräsident des Europäischen Boxverbands (EUBC) war, auf dem Kongress des Weltboxverbands Aiba in dessen Exekutivkomitee berufen. Somit gehörte er zu jenem erlesenen Personenkreis, der dem Internationalen Olympischen Komitee keine andere Wahl ließ, als die Zusammenarbeit mit der Aiba wegen Missmanagements und Wettkampfmanipulation zu beenden (Jungle World 34/2019). Der eigene Verband in Trümmern, der Weltverband weitgehend erledigt – da entschloss sich Kyas kürzlich, seine Ämter niederzulegen. »Ich gehe nicht aus Groll oder Ärger. Ich will in die zweite Reihe, das Alter zehrt an den Knochen«, erläuterte der 74jährige seine Beweggründe. Das Amt des Präsidenten des DBV hat Erich Dreke kommissarisch übernommen. Der bis­herige Vizepräsident war zuvor für die Finanzen zuständig, der interne Widersacher Raiko Morales war kurz zuvor freiwillig aus dem geschäftsführenden Vorstand ausgetreten. Seinen letzten großen Auftritt als DBV-Präsident hatte Kyas in Steinhude. Bei der Eröffnung eines internationalen Boxwettkampfs zwischen einer niedersächsischen und einer südafrikanischen Staffel schritt er im Juli ein, weil die erste Strophe des Deutschlandlieds gespielt wurde. Nach 30 Minuten verließ er die Halle mit der Begründung, er habe sich »nicht mehr wohlgefühlt«. Trotzdem sei es eine »sehr gute Veranstaltung« gewesen, teilte er anschließend mit.