Der Rechtsextremist als Popstar

Neuer Deutscher Scheiß

Der rechtsextremistische Rapper Chris Ares hat es mit seinem Album »Neuer Deutscher Standard« auf Platz eins der iTunes-Charts geschafft.

Ein bisschen ahnungslos wirkte die Anmoderation eines Spiegel-TV-Beitrages schon, als es da hieß: »Bisher war HipHop mit seinen afroamerikanischen Wurzeln in rechten Kreisen tabu.« Das mag vielleicht für die US-amerikanischen Küsten mal gestimmt haben, für Deutschland ist es, wie sollte es anders sein, falsch.

Zyklon Beatz und MaKss Damage wirken im Vergleich wie Dorfnazis.

Rechten HipHop oder »NS-Rap« gibt es spätestens seit den frühen nuller Jahren. Gruppen wie Zyklon Beatz oder der ehemalige Kommunist und heutige NS-Rapper MaKss Damage wirken allerdings gegen eine neue Riege an rechten Rappern wie Dorfnazis. Einer dieser derzeit erfolgreichen Rapper sticht heraus. Denn ein wenig recht hat Chris Ares, der bürgerlich Christoph Aljoscha Zloch heißt, und um den sich besagte Spiegel-TV-Folge vom August dreht, wenn er behauptet, seine »heimatverbundene Musik« sei »neu« und »in der Form einmalig«. Aber nur ein wenig.

Breite Brust fürs Vaterland.

Bild:
Screenshot Youtube

Neu ist, dass ein rechter Rapper messbare kommerzielle Erfolge vorweisen kann. Zloch schaffte es mit einem seiner Alben kurzzeitig auf Platz eins der iTunes-Charts, vor Rappern wie Shindy oder Marteria. Das Kollabo-Album mit seinem Rap-Kameraden Kai Alexander Naggert ­alias »Prototyp« mit dem Titel »Neuer Deutscher Standard« rangierte Ende September auf Platz sechs der offiziellen deutschen Download-Charts. »Einmalig« ist das dennoch nicht, rappt Zloch doch nur das, was Martin Sellner – zu dem Zloch mindestens eine Social-Media-Freundschaft pflegt – und Konsorten seit Jahren predigen: der große Austausch, die verlorene Heimat, böse Linke, noch bösere Migranten und allerhand mit Wurzeln, Erde und Bäumen.

Auch musikalisch kommt einem vieles bekannt vor: Zloch bedient sich der Elemente des neueren deutschen Gangster-Rap, flowt durchschnittlich, aber vorzeigbar, und nutzt orchestral-martialische Beats, die vor ein paar Jahren einem gewissen Kollegah zu Erfolg verholfen haben. Die Bilder in seinen Musikvideos suchen die gleiche Gladiator-Ästhetik, die auch jener für imaginäre Kriege gestählte Kampfkoloss schätzt. Hört man für einen Moment nicht richtig hin, kann Zloch durchaus an den selbsternannten Staatsfeind Bushido oder den frühen Fler erinnern. Letz­terer scheiterte 2005 mit seiner Ausrufung einer »Neuen Deutschen Welle«, Zloch hingegen baut einigermaßen erfolgreich eine Art von Bewegung auf.

 

Er hat Rap-Partner, ein Label und eine Medienkooperation, die allesamt wie maßgeschneidert für den propagierten »heimattreuen Rap« wirken.

Seine wichtigste Plattform heißt Arcadi, ein neurechter Verlag samt Magazin und Label. Nach Recherchen des Antifaschistischen Infoblatts steckt hinter Arcadi der Verein Publicatio, der aus Strukturen rechter Burschenschaften und der AfD hervorging. In der Januaraus­gabe des Arcadi Magazin – einer Art Bento für Neurechte – zierte Zloch das Cover und sprach im Interview über seine »patriotische Wohngemeinschaft«.

Im gleichen Heft ging die Redaktion der Frage nach, wie »Mate-Limonade« eine deutsche Erfindung sein könne. Jene, die sich diese Frage ­tatsächlich stellen könnten, sind die Zielgruppe von Zloch. Sein sorgsam nach der Ideologie der Identitären Bewegung designtes Image ist das eines jungen Menschen, der verstaubte Werte frisch verpackt und mit zünftiger Ansprache ans junge Volk bringt. Damit will er sich von »Drogenrappern« abgrenzen und die deutsche Jugend wieder auf den rechten Pfad führen. »Sie predigen den Alkohol- und Drogenkonsum, sie liebäugeln mit der Kriminalität und lassen so die deutsche Jugend verkommen«, sagte er über gegenwärtigen Deutsch­rap im digitalen Jugendradio »Puls« des Bayerischen Rundfunks.

Unklar bleibt, wen Zloch damit meint. Muskelrapper, die lieber sterben würden, als bekifft eine Stunde wertvollen Trainings zu verschlafen, schon mal nicht. Sicher auch nicht jenes »migrantische« Milieu, das Zloch so verachtet und das aufgrund einer gewissen religiösen Zugehörigkeit lieber Shisha raucht als Alkohol trinkt und höchstens vom Drogenhandel spricht. Womöglich hört Zloch gern Cloud Rap und nimmt diesen ernster als jener sich selbst. Egal, ein richtiger Rechter braucht keine ori­ginellen Themen, sondern Feinde für einen imaginären Krieg, den er folgerichtig mit Bildern aus dem Film »300« herbeizitiert.

Mit der Kriminalität liebäugelt Zloch hingegen selbst. Fotos der Journalistin Anne Wild zeigen, wie der Kampfsportler bei einer Anti-AfD-Kundgebung Tritte an Journalisten verteilte. Zloch bestreitet die Vorwürfe, beteuert, er wollte sich »verteidigen« und traut seit der Berichterstattung nun der »Lügenpresse« nicht mehr über den Weg. Die Staatsanwaltschaft leitete keine Strafverfolgung ein. Was er mit Linken gern anstellen würde, verrät er im Track »Defend Europe«: »Eure vollvermummten Punkvisagen werden mittels Panzerwagen quer durch das ganze Land gejagt«.

 

Solche und andere Zeilen dürften ihn bei den Behörden bekannt gemacht haben, die ihn als rechtsex­tremistisch und der Identitären ­Bewegung nahestehend betrachten. Er wird vom Verfassungsschutz ­beobachtet. 

Vom Magazin Compact wurde Ares kürzlich der Preis »Held des Jahres« verliehen, er wird bei einer Konferenz der Zeitschrift im November auftreten. Chefredakteur Jürgen Elsässer ist entzückt: »Dieser Mann gibt zig­tausenden Deutschen den Mut – und die Melodie! –  zum Widerstandskampf.«

Bemerkenswert ist, dass es so lange dauerte, bis jemand Nazirap so erfolgreich hinbekam. Das Arsenal des Genres hält dafür seit jeher alles bereit. Härte, Kampfgeist, Rebellion gegen Unterdrücker – Topoi, die grundsätzlich zum Rap gehören. Weil sich bislang vor allem marginalisierte Gruppen den Sprechgesang aneigneten, um gegen Staat, Staatsschutz und Mehrheitsgesellschaft zu reimen, fristete rechter Rap in der Tat ein Nischendasein. Die bislang fehlende Ingredienz, um dem Konzept Nazirap zum Erfolg zu helfen, hat Zloch gefunden – eine deutscheuropäische Opferrolle: »Wir sind Kämpfer und der Sturm zieht auf im ganzen Lande, geh mal lieber weg mit deiner Autotune-Migrantenbande.«

Freilich versteht sich Zloch nicht als Nazi, sondern pocht auf die Verschiedenheit der Völker und Demokratie sowie Rechtsstaatlichkeit, ­sofern das Recht auch rechts bleibt. »Ich möchte gute Werte vermitteln: Ehre, Stolz, Loyalität, keine Drogen, gesunder Lebensstil und Heimat­liebe. Für mich sind das die Grundpfeiler des Zusammenlebens in ­Europa«, sagte er im Interview mit »Puls«. Zloch arbeitet daran, den Rassismusvorwürfen aus dem Weg zu gehen und wie ein aufrechter ­Demokrat zu wirken, filmte unter anderem ein Gespräch zwischen ihm und dem schwarzen Rapper Hage, das er bei Youtube hochlud. Beide teilen die Ansicht, die Deutschen befänden sich in einem Unterwerfungszustand.

Ehre, Stolz und Loyalität – Vorstellungen, die von der Bruderschaft bis zur Straßengang ähnlich attraktiv sind, die im Gegensatz zur atomisierten kapitalistischen Gesellschaft hervorragend funktionieren, die »migrantische« Rapper seit jeher nutzen, um eine Gegenkultur zur entfremdeten Gesellschaft zu zeichnen. Kaum eine Musikrichtung ­eignet sich besser, einen Kampf herbeizukomponieren, als Rap. Wo ­Afroamerikaner von Polizeigewalt, Diskriminierung und Repression sangen, echauffierten sich deutsche Rapper zunächst in imaginären Kleinkriegen übereinander. Sprechgesang mit Migrationshintergrund machte das Genre hierzulande authentisch – zumindest wenn die US-amerikanische Spielart das Vorbild bleibt.

Zloch macht es dem Kritiker mit seiner sehr bemüht wirkenden Kämpferkulisse einfach, sich über ihn lustig zu machen. Betrachtet man ihn als Symptom, wird es allerdings ernst. Sein postfaktischer Zugang zur Welt eint ihn mit vielen Hörern. Was junge Menschen tun, wenn sie sich als Soldaten in einem Völkerkrieg im eigenen Land betrachten, zeigte sich kürzlich in Halle.

Es war nur eine Frage der Zeit, bis Rechte den Rap nutzen. Sie tun mit dessen Ingredenzien, was sie gern tun: Angriffe zur Verteidigung umdeuten. Man wird von diesem Mann noch mehr hören. Und es wird nichts Gutes sein.