Kalifornien gegen Trump

Kalifornien will sauber werden

Kalifornien ist vom Klimawandel und hoher Luftverschmutzung besonders betroffen. Gegen den Widerstand der Trump-Regierung will der Bundesstaat nun strengere Umweltschutzstandards durchsetzen.

Es sind die vermutlich verheerendsten Brände in der Geschichte Kaliforniens. Seit Ende Oktober wüten an die 600 Feuer in dem US-Bundesstaat. Die Wein­anbaugebiete von Sonoma County liegen in Schutt und Asche, in West Los Angeles mussten Hunderte Menschen aus den Wohlstandsvierteln und Vorstädten zwangsevakuiert werden, darunter auch Prominente wie der Basketballstar LeBron James und der Schauspieler und ehemalige Gouverneur ­Arnold Schwarzenegger. »Die erhöhte Brandgefahr liegt ganz klar am Klimawandel«, sagte der kalifornische Gouverneur Gavin Newsom daraufhin. »Die Fakten liegen auf der Hand«, so der Demokrat.

»Unsere Umweltpolitik ist Kaliforniens Außenpolitik«, sagt Kaliforniens Gouverneur Gavin Newsom.

Die Brände waren in der Tat noch nie so schlimm – in den vergangenen zwei Jahren fielen in Kalifornien über 1,17 Millionen Hektar Land den Flammen zum Opfer, 131 Menschen kamen ums Leben. Auf die beträchtlichen ­Regenfälle zu Anfang dieses Jahres folgte ein extrem heißer und trockener Sommer, der bis in den Herbst anhielt: Noch im Oktober wurden in Südkalifornien Temperaturen über 30 Grad Celsius verzeichnet. Es reicht der kleinste Funke, um neue Brände zu entfachen, und es ist vor allem der Feuerwehr zu verdanken, dass es dieses Jahr nicht noch schlimmer gekommen ist. Vor zehn Jahren noch betrugen die von Bränden verursachten Sachschäden durchschnittlich 200 Millionen US-Dollar pro Jahr, dieses Jahr liegen die Kosten ­bereits bei zwei Milliarden US-Dollar. Dazu kommt, dass Flächenbrände ­erheblich zum Kohlendioxidausstoß beitragen.

Die neue Dimension der Brände ist wohl nur der Anfang. Dem National Climate Assessment von 2018 zufolge, einem Bericht der US-Bundesbehörden, könnten derartige Brände in Zukunft statistisch gesehen drei Mal so häufig auftreten wie bisher. Klimaschützer warnen vor Überschwemmungen, vor der Erosion ganzer Küstenabschnitte, vor gewaltigen Schlammrutschen und heftigen Hitzewellen. Der Bundesstaat und dessen Infrastruktur sind überfordert, und die Behörden sind es offensichtlich auch. Einfache Maßnahmen werden nicht ergriffen, so gibt es beispielsweise in Kalifornien keine vorausschauende Forstnutzung. Das ist ein anhaltendes Problem, obwohl die diesjährigen Brände zu großen Teilen Grasflächen und Büsche betreffen. Laut Newsom liegen in den Wäldern Kaliforniens »Abermillionen toter Bäume«, es fehlt das Geld, sie zu beseitigen. Auch beim Ausstoß von Kohlendioxid lassen die Erfolge noch auf sich warten. Dabei mangelt es nicht an gutem Willen. 2006 unterschrieb der damalige Gouverneur Schwarzenegger das Gesetz AB32, den Global Warming Solutions Act, demzufolge die Treibhausgasemis­sionen bis 2020 auf das Niveau von 1990 gesenkt werden sollten. Schwarzenegger sprach damals von einer »mutigen neuen Ära des Umweltschutzes«, doch die lässt noch auf sich warten. Sein demokratischer Amtsnachfolger Jerry Brown erließ 2016 noch striktere Vorgaben, die Emissionen sollen bis 2030 um 40 Prozent unter das Niveau von 1990 gesenkt werden. Als US-Präsident Donald Trump im Juni 2017 ankündigte, aus dem Klimaabkommen von Paris auszusteigen, schlossen sich einige US-Bundesstaaten – Hawaii, Kalifornien, New York und Washington – zu der sogenannten United States Climate Alliance zusammen, die sich weiterhin den Klimazielen des Abkommens verpflichtet sieht.

 

Doch in Kalifornien ist man weit davon entfernt, diese Ziele zu erreichen. Der U.S. Energy Information Admi­nistration (EIA), einer bundesweiten Statistikbehörde, zufolge sind die ­Kohlendioxidemissionen in Kalifornien von 2005 bis 2016 nur um 5,8 Prozent gesunken, von 383,8 Millionen Tonnen auf 361,4 Millionen Tonnen. Die Anzahl der ohne oder nur mit geringem CO2-Ausstoß erzeugten Kilowattstunden (kWh) Strom war im selben Zeitraum sogar leicht rückläufig, von 81 Milliarden kWh im Jahr 2005 auf 80 Mil­liarden kWh im Jahr 2016. Das ist allerdings vor allem wohl darauf zurück­zuführen, dass 2013 das Kernkraftwerk San Onofre in Südkalifornien vom Netz ging und der Bedarf eine Zeit lang mit der Verstromung importierter Braunkohle überbrückt wurde. Mittlerweile wurde der Ausfall mit Wind- und Solarenergie fast vollständig kompensiert. Besonders Letz­teres lässt hoffen: Kalifornien hat bislang 46 Mil­liarden US-Dollar in Solar­anlagen investiert, derzeit werden über sechs Milli­onen Haushalte im Bundesstaat ausschließlich mit Sonnenenergie versorgt, mehr als sonst irgendwo in den USA.

Trotz aller Schwierigkeiten und Rückschläge will Newsom Kalifornien als umweltpolitisches Gegenmodell zu den Vorstellungen der Bundesregierung unter Trump entwickeln. »Wir kämpfen gerade gegen die zerstörerischsten Brände in der Geschichte unseres Staats, und Trump attackiert die notwendigen Schutzmaßnahmen«, so Newsom. ­Immerhin ist Kalifornien der bevölkerungsreichste Staat der USA, knapp 40 Millionen Menschen leben hier, die kalifornische Wirtschaft ist mit einem Volumen von rund drei Billionen US-Dollar die fünftgrößte der Welt. Wenn Kalifornien Umweltschutzpolitik macht, hat das auch auf den Rest der Welt ­erhebliche Auswirkungen, besonders beim Autobau. Es war eine Aufsichts­behörde in Kalifornien – das California Air Resources Board (CARB) –, die 2014 jene Studie in Auftrag gab, die schließlich zur Aufdeckung der VW-Dieselmanipulation führte. Kein Wunder eigentlich, ist doch die Luftverschmutzung in Kalifornien ein sehr ernstes Problem. In fast allen kalifornischen Großstädten ist die Belastung enorm hoch, so hatte die Stadt Bakersfield 2016 den höchsten Anteil an Luftschadstoffen in den USA. Dazu kommt, dass der Personenverkehr für fast zwei Drittel des gesamten kali­fornischen Kohlendioxidausstoßes verantwortlich ist. In keinem anderen US-Bundesstaat werden so viele Schadstoffe ausgestoßen wie in Kalifornien.

Das ist auch der Grund, warum die kalifornische Regierung nun dezidiert dagegen vorgehen will. Es steckt keine altruistische Beflissenheit dahinter, sondern die pragmatische Erkenntnis, dass die Klimakrise in Kalifornien besonders akut spürbar ist – zum Beispiel durch das Problem der Brände. Nun soll sich endlich etwas ändern. So wurden im Jahr 2018 in Kalifornien über eine halbe Million Elektroautos verkauft, mehr als in jedem anderen US-Bundesstaat. Zudem halten sich alle Autohersteller in den USA mittlerweile an die hohen kalifornischen Emissionsstandards, um den Zugang zum kali­fornischen Markt nicht zu verlieren. 14 weitere Bundesstaaten haben seit 2002 dieselben Standards beschlossen, und genau das scheint dem Weißen Haus ein Dorn im Auge zu sein. Am 18. September kündigte Präsident Trump an, dem Bundesstaat das Recht auf eigene Emissionsstandards ent­ziehen zu wollen – eine Kampfansage. »Das könnte verheerende Folgen für die Gesundheit unserer Kinder und ­unsere Atemluft haben«, so Newsom in einer öffentlichen Stellungnahme. »Wir werden unsere Standards für saubere Autos verteidigen.«

Bislang haben vier große Autokonzerne – BMW, Ford, Honda, und VW – angekündigt, sich weiterhin freiwillig an die kalifornischen Vorrgaben halten zu wollen; General Motors, Toyota und Fiat Chrysler haben sich auf die Gegenseite geschlagen. Obwohl die Bundesregierung in den vergangenen Tagen nun doch teilweise eingelenkt hat – die zulässigen Abgaswerte sollen jetzt bis 2025 pro Jahr um 1,5 Prozent reduziert werden, statt auf dem jetzigen Niveau zu bleiben – droht der kalifornische Generalstaatsanwalt und Justizminister Xavier Becerra mit einer Klage. Es wäre nicht die erste, der Staat Kalifornien hat nach eigenen Angaben bislang 49 Klagen zum Thema Umweltschutz gegen die Bundesregierung eingereicht und bislang in mindestens 15 Fällen recht bekommen. Zudem wird dieser Tage in Sacramento, der Hauptstadt Kaliforniens, ein Gesetzesentwurf diskutiert, demzufolge die kalifornischen Behörden die gelockerten Umweltauflagen, die nach dem Amtsantritt von Trump erlassen wurden, zu ignorieren haben. Das Zweikammerparlament in Sacramento scheint sich zumindest teil­weise dem Widerstand gegen die Politik des Präsidenten verschrieben zu haben, und der Ton wird vor allem vom Gouverneur vorgegeben. »Unsere Umweltpolitik ist Kaliforniens Außenpolitik«, so Newsom in einem Interview mit dem Magazin The New Yorker. »Denn so ­behaupten wir uns nicht nur im Inland, sondern auch auf der internationalen Bühne.«