Homestory #46

<p>Wer zu früh geboren wurde, muss manchmal warten.</p>

Wer zu früh geboren wurde, muss manchmal warten. Erst nachdem die neuseeländische Abgeordnete Chlöe Swarbrick (25) jüngst »Ok Boomer« gesagt hatte, wurde diese bereits seit eineinhalb Jahren in Foren der Generation Z gebräuchliche Formel den Älteren erläutert. Ein boomer ist eigentlich ein Tieftonlautsprecher, in Australien bezeichnet man so ein zu groß geratenes männliches Känguru. Beides kann als nicht ganz unzutreffende Beschreibung mancher Angehöriger der baby boomer-Generation gelten, die gemeint und aus Sicht der Jüngeren natürlich nicht okay ist, sondern höllisch nervt. Ist »Ok Boomer« altersdiskriminierend? Ist der Generationenkonflikt ein unerlässlicher Motor des sozialen Fortschritts und sollte er deshalb unbedingt weiter eskaliert werden? Sollten aus Gründen der Generationengerechtigkeit auch entsprechende Abwehrformeln für nervige Jüngere, etwa Millennials, erfunden werden? »Sei stille, Mille« wäre eine Option. Aber was tun mit den Jüngsten, die es bislang nur zu einem Buchstaben gebracht haben? Vielleicht »Ohne Nachtisch ins Bett, Z«.

Solche Fragen werden in einer Redaktion diskutiert, in der die Generationen friedlich und gedeihlich zusammenarbeiten, vom Z-Praktikanten bis zum Boomer-Redakteur. Ich bin okay, du bist okay. Das Problem beim Generationenkonflikt ist ja ohnehin, dass die wenigsten Menschen Geschlecht, Fantrikot, Klasse oder Wahnsystem wechseln, alle aber unvermeidlich altern. Ja, uns läuft die Zeit davon. Und Ihnen natürlich auch, nicht nur, was das überaus großzügige Abonnement-Angebot betrifft, das wir Ihnen auf der letzten Seite unterbreiten. Etwas Zeit haben Sie noch, aber denken Sie daran, dass Sie sich in der Weihnachtszeit überfressen haben und verkatert sein werden. Abonnieren Sie also lieber sofort! Sollte der Weltuntergang unerwartet noch vor dem Ablauf Ihres Abos eintreten, wird dieses übrigens sofort und unbürokratisch storniert.

Zu den vielen Alleinstellungsmerkmalen Ihrer Lieblingszeitung gehören die einem Thema gewidmeten Schwerpunktausgaben. Und das Thema der Zeit ist ja ohne Zweifel die Zeit. Man kann gar nicht genug davon haben. Es wird nicht nur um die Endzeit gehen; ohnehin ist die Zeit ja, wie Albert Einstein herausgefunden hat, relativ. Wenn man beispielsweise Adorno rechtzeitig in ein Raumschiff gesetzt und auf Lichtgeschwindigkeit beschleunigt hätte, könnte er jetzt kaum gealtert zurückkehren, den Angehörigen aller Generationen die Leviten lesen und sich darüber ärgern, dass in einer Veranstaltungsanzeige in dieser Zeitung sein Vorname falsch geschrieben wurde. Wir würden dann sagen: »Sorry, Theodor, manchmal wird bei den Abnahmen die Zeit zu knapp. Wäre übrigens super, wenn du bei der Veranstaltung vorbeischauen könntest.« Weil im Kapitalismus aber allzu wenig Nützliches erfunden wird, ist Beschleunigung leider immer noch die Steigerung der Arbeitshetze oder etwas ähnlich Unschönes. Es wird Zeit, dass sich das ändert.