Ein Gericht hat den sächsischen Verfassungsschutz in die Schranken gewiesen

Sieg für Ulrich Undeutsch

Wie das Verwaltungsgericht Dresden urteilte, war die Nennung linker Bands im Jahresbericht 2018 des sächsischen Verfassungsschutzes rechtswidrig. Der Inlandsgeheimdienst hat die Klageforderungen akzeptiert, um eine Verhandlung zu verhindern.

Keine Landesbehörde hat in den vergangenen Jahren größeren Eifer bei der Überwachung linker Bands an den Tag gelegt als das sächsische Landesamt für Verfassungsschutz (LfV). Elf Bands werden im aktuellen sächsischen Verfassungsschutzbericht als »links­extrem« bezeichnet, mehr als in den Berichten aller anderen Landesämter zusammen.

»Der Verfassungsschutz hatte offenbar nichts gegen die Bands in der Hand, was juristischen Wert hat.«

Am Donnerstag voriger Woche veröffentlichten die betroffenen Bands Dr. Ulrich Undeutsch, One Step Ahead, Endstation Chaos und East German Beauties eine gemeinsame Pressemitteilung: Das Verwaltunsgericht Dresden habe ihnen in vier Anerkenntnisurteilen recht gegeben, ihre Nennung im Jahresbericht 2018 des LfV sei rechtswidrig gewesen. »Den Urteilen ging voraus, dass das LfV die Rechts­widrigkeit seines Handelns und damit unsere geltend gemachten Ansprüche anerkannt hat«, heißt es in der Pressemitteilung. Deshalb sei es nicht zu ­einer mündlichen Verhandlung vor dem Gericht gekommen.

Aus einer Anfang vorigen Monats veröffentlichten Pressemitteilung von One Step Ahead geht hervor, dass diese Band sowie Dr. Ulrich Undeutsch und Endstation Chaos zuvor gegen ihre Nennung in dem Bericht geklagt und ­Anträge auf Eilrechtsschutz gestellt hatten. Das LfV musste die Namen der Bands daraufhin vorläufig aus seinem Bericht streichen. Der gemeinsamen Pressemitteilung vom Dienstag voriger Woche zufolge hat der Verfassungsschutz eine Tabelle, in der Bands unter »Linksextremistische Musikszene« ­geführt wurden, aus dem Bericht entfernt. »Es heißt nun lediglich, es gebe elf Bands unter dieser Rubrik in Sachsen. Um welche elf Bands es sich hierbei handeln soll, lässt die aktuelle Version des Berichtes – mit Ausnahme der Band Fontanelle – im Dunkeln«, schreiben die Bands in ihrer Pressemitteilung.

Die Mitglieder des Kriminalpräventiven Rats der im Landkreis Zwickau gelegenen Stadt Limbach-Oberfrohna hörten bei einer ihrer Sitzungen zusammen mit Vertretern der örtlichen Polizei ein Album von One Step Ahead. Das LfV hatte den Rat über den »linksextremen« Charakter der Gruppe informiert (Jungle World 46/2018). Mehrfach kontaktierte das LfV vor Konzerten der von ihm als »linksextrem« eingestuften Bands deren Veranstalter und schaltete die regionalen Ordnungsbehörden ein, um Konzerte zu unterbinden oder einzuschränken. In einer Kleinstadt in Mittelsachsen musste ein Veranstalter Endstation Chaos einen Zusatzvertrag vorlegen, mit dem der Gruppe untersagt wurde, das Lied »Feindbild« bei ­einem Konzert zu spielen. Die Stadtverwaltung, die den Veranstaltungsort auch mit kommunalen Mitteln fördert, hatte gedroht, dem Veranstalter Fördermittel zu entziehen, wenn die Band den Vertrag nicht unterzeichne. Das Konzert musste vom Veranstalter gefilmt und das Videomaterial der Stadtverwaltung übergeben werden, um nachzuweisen, dass die Vereinbarung eingehalten worden war. Der Jungle World ist mindestens ein Fall aus diesem Jahr bekannt, in dem dem LfV ­Fotos eines Konzerts vorliegen, die von einer V-Person oder einem Mitarbeiter des Inlandsgeheimdiensts gemacht wurden.

 

Weil das LfV anlässlich von Konzerten Ordnungsbehörden einschaltete, kam es auch mehrmals zu großen Polizeieinsätzen. Karli von der Band Dr. Ulrich Undeutsch sagte im Gespräch mit der Jungle World, bei einigen Konzerten der Band in sächsischen Kleinstädten seien mehr Polizeikräfte unterwegs ­gewesen als Konzertbesucher, die es zu den Veranstaltungen geschafft hätten. In der Kreisstadt Brand-Erbisdorf im Landkreis Mittelsachsen rief der Einsatzleiter einer Polizeieinheit den ­Veranstalter des Konzerts auf dessen privatem Handy an und bat um eine Nachricht, wenn das Konzert vorbei sei, damit er seine Leute abziehen könne. Wie die Polizei an die Telefonnummer kam, ist nicht bekannt.

Der Bürgermeister der ebenfalls im Landkreis Mittelsachsen gelegenen Gemeinde Leubsdorf untersagte mit einem amtlichen Schreiben ein Konzert der Band Dr. Ulrich Undeutsch beim Pfingstfest des SV Grün-Weiß Leubsdorf, das im Juni stattfinden sollte. »Jede Art politischer Auftritte und meinungsbildender Maßnahmen sind nicht gestattet«, heißt es in dem Schreiben des Bürgermeisters Dirk Fröhlich (CDU) an den Verein.
Das Bundesverfassungsgericht hat in unterschiedlichen Urteilen festgestellt, dass die durch Artikel 5, Absatz 3 des Grundgesetzes garantierte Kunstfreiheit ein besonders schützenswertes Gut sei. Als richtungsweisend gilt ein Urteil vom 17. Februar 2000. Das ­Gericht stellte damals fest, dass der demokratische Rechtsstaat auch »eine plakative, drastische Kritik mit satirischem Einschlag an gesellschaftlichen und politischen Zuständen« aushalten müsse. Das Grundgesetz schütze durchaus das Recht, Liedzeilen wie »Deutschland muss sterben, damit wir leben können« oder »Deutschland verrecke« ­öffentlich darzubieten.

Der Rechtsanwalt Raik Höfler, der die Klagen der sächsischen Bands gegen den Verfassungsschutz führte, sagte der Jungle World, er sei enttäuscht darüber, dass Fragen von Kunstfreiheit und Zensur nicht vor Gericht geklärt werden konnten, weil das LfV die Klageforderungen bereits vor der mündlichen Verhandlung akzeptiert habe. »Der Verfassungsschutz hatte offenbar nichts gegen die Bands in der Hand, was juristischen Wert hat«, so Höfler. So wie die Behörde arbeite, müsste sie seiner Auffassung nach wahrscheinlich mindestens jede zweite Punkband überwachen, auch Bands wie Die Ärzte oder Die Toten Hosen, womöglich selbst die Rolling Stones.