Hooligans, Nazis, Rassisten - ein Rückblick auf das Fußballjahr 2019

Rechte Umtriebe allerorte

Die Liste gewalttätiger und diskriminierender Vorkommnisse in den deutschen Fußball-Fanszenen ist auch 2019 wieder lang.

Für einen Skandal sorgte der Chemnitzer FC zu Beginn des Fußballjahres. Am 9. März wurde in einer offiziellen Gedenkminute vor der Partie gegen die VSG Altglienicke des einige Tage zuvor verstorbenen Thomas Haller gedacht. Die Fantribüne präsentierte eine Choreographie zu ­Ehren desselben. Haller war unter anderem als Gründer der Gruppe »HooNaRa« (Hooligans, Nazis, Rassisten) bekannt, der Verbindungen zum rechtsterroristischen NSU nachgesagt wurden. Im Nachhinein wurde darüber spekuliert, dass Vereinsverantwortliche durch Bedrohungen aus der Hooliganszene zu der Inszenierung genötigt worden sein könnten. Das Medienecho war groß, beim nächsten Heimspiel verteilte der damalige Regionalligist T-Shirts mit der Aufschrift »Toleranz, Weltoffenheit, Fairness« – die einige der örtlichen Ultras prompt im Stadioninneren entsorgten. Gedenkspruchbänder für Haller wurden auch in Cottbus und Braunschweig gezeigt.

Einige Monate später, am 24. August, sollen Chemnitzer Fans bei der Partie gegen die zweite Mannschaft von Bayern München Medienberichten zufolge das eigene Team rassistisch und antisemitisch beleidigt haben. Zwar hatte die Neonazi-Fangruppe »New Society« bereits im April ihre Auflösung bekanntgegeben – ob diese allerdings auch erfolgt ist, wird sich noch zeigen müssen.

Am 3. Mai zeigten Fans von Dynamo Dresden in Richtung Gästeblocks des FC St. Pauli ein großes Plakat mit der Aufschrift »Antifa = Linksfaschisten, ihr habt Blut an euren Händen«.

In Cottbus wurde im Laufe des Jahres deutlich, dass trotz der offiziellen Auflösung der führenden ex­trem rechten Ultra-Gruppe, Inferno Cottbus, nach wie vor Neonazis in der Fankurve aktiv sind. Ende November beispielsweise zeigten Fans in eben dieser Kurve ein Spruchband gegen die Klimaproteste in der Lausitz: »Wann Ende im Gelände ist, bestimmt nicht ihr! Unsere Heimat – unsere Zukunft! Ende Gelände zerschlagen!«

Auch in Hannover setzten sich politische Auseinandersetzungen aus dem Vorjahr fort. Bereits im ­Februar sollen sich Ultras von Hannover 96 und Linke im Stadtteil Nordstadt geprügelt haben. Das Blog »Hannover rechtsaußen« spricht davon, dass die Gruppe der Ultras aktiv die Konfrontation gesucht habe. Zudem werden in dem Blog weitere Übergriffe der 96-Fans aufgeführt. Am 20. September zeigten 96-Ultras das Spruchband »Keep on fighting, Gustav« beim Auswärtsspiel in Kiel. Hannover 96 distanzierte sich im Nachhinein aufgrund von Erkenntnissen, nach denen Gustav ein schwedischer Ultra sei, der »in der Vergangenheit deutlich durch rechtsradikale Verhaltensweisen in Erscheinung getreten« sei. Szenekenner bestätigten diese Einschätzung, Gustav ist demnach ein Fan des AIK Solna, der beim Europe-League-Match gegen Celtic Glasgow der Hauptverantwortliche für rassistische Beleidigungen der Gästespieler Odsonne Édouard und Boli ­Bolingoli Mbombo war.
Im April fühlten sich die Freiburger »Natural Born Ultras« zu einer Stellungnahme bemüßigt, nachdem in der Fankurve des SC eine anti­sexistische Choreographie gezeigt wurde. Die Ultras sprachen sich gegen eine »Feminismus/Sexismus-Debatte« bei ihrem Fußballverein aus – und ernteten Spott in den ­sozialen Medien.

 

Ende April zeigten Besucher des Derbys BVB gegen Schalke 04 auf der Dortmunder Südtribüne ein großes homophobes Spruchband. Beim ersten Berliner Bundesliga-Derby zwischen dem 1. FC Union und Hertha BSC Anfang November präsentierten die Union-Ultras eine ähnliche Botschaft. Während Borussia Dortmund das Spruchband verurteilte, distanzierte sich Union Berlin nicht von der Botschaft auf dem Banner seiner Anhänger.

Fans von Dynamo Dresden nahmen wie in den Vorjahren die Spiele gegen den FC St. Pauli zum Anlass für einige fragwürdige Botschaften. Beim Spiel am 3. Mai in Dresden zeigten Dynamo-Anhänger in Richtung des Gästeblocks ein großes Plakat mit der Aufschrift »Antifa = Linksfaschisten, ihr habt Blut an ­euren Händen«. Beim Spiel in der laufenden Saison folgte eine ganze Serie zutiefst frauenverachtender Spruchbänder im Block der Dynamo-Anhänger. Ende Oktober pöbelten Dresdner Fans zudem eine prokurdische Demonstration an, mindestens ein Mitglied der Gruppe zeigte dabei den Hitlergruß.
Ebenfalls im Oktober attackierten auch Fans von Rot-Weiß Essen eine prokurdische Solidaritätsdemonstration. Die Polizei erstattete 50 Strafanzeigen. In Essen sollen sich mehr und mehr extrem rechte Hooligans in der Kurve breitmachen, auch aus dem benachbarten Dortmund. Das berichtet unter anderem der Twitter-Account RWE1907_watch.

Hooligans von 1860 München intensivierten derweil ihre Kontakte zu Gleichgesinnten des ukrainischen Vereins Metalist Charkiw. Diese benutzen zur Selbstbezeichnung das deutsche Wort »Blitzkrieg« und tragen bei ihren Kämpfen mitunter Kleidung mit Hakenkreuz-Aufdruck, wie Fotos in sozialen Medien belegen. Im November war eine Abordnung der Ukrainer zu Gast in München und posierte dort mit Hitlergruß.

Beim Länderspiel im März in Wolfsburg beleidigten drei Männer unablässig die deutschen Nationalspieler Leroy Sané und İlkay Gündoğan, wie der Journalist André Voigt berichtete. Im Oktober störte ein Fan der deutschen Nationalmannschaft die Gedenkminute für die Opfer des Anschlags auf die Synagoge in Halle, indem er lauthals die Nationalhymne anstimmte.
Eintracht Frankfurt gab bekannt, wegen antisemitischer Äußerungen gegen israelische Schiedsrichter im August beim Spiel gegen Racing Straßburg mehrere Zuschauer des Stadions verwiesen zu haben.

José Vunguidica, ein Spieler des Regionalligisten 1. FC Saarbrücken, beschwerte sich Anfang November über rassistische Anfeindungen der eigenen Fans gegen einen Mitspieler und dessen Vater.

Während des Berliner Landespokalspiels zwischen Stern Marienfelde und Tennis Borussia Berlin am 15. November wurden die Gäste-Anhänger antisemitisch beleidigt und nach dem Spiel körperlich angegangen. Es ist bisher nicht geklärt, ob die Angreifer dem Heimverein zuzurechnen sind oder sich unabhängig von diesem die als links geltenden Tebe-Fans als Ziel ihrer Attacken aussuchten.

Der Schiedsrichter bei der Regionalliga-Partie zwischen Hertha BSC II und Lokomotive Leipzig am 6. Dezember musste das Spiel für einige Minuten unterbrechen. Aus dem Gästeblock waren wiederholt Affengeräusche geschallt, sobald der deutsch-kamerunische Hertha-Spieler Jessic Ngankam an den Ball kam.

Mitglieder der in Siegen umtrie­bigen neonazistischen Kleinpartei »Der III. Weg« besuchten am 7. September ein Heimspiel des örtlichen Oberligisten Sportfreunde. Wie der WDR berichtete, waren sie anscheinend auf Einladung der rechten Fangruppe »Siegener Bären« gekommen und hatten wohl bewusst die öffentliche Aufmerksamkeit gesucht, die dem Verein anlässlich seines 120. Jubiläums bei dem Spiel zuteil wurde. Die Neonazis prügelten sich auf der Tribüne mit anderen Fans, die unter anderem das Zeigen eines Hitlergrußes nicht hinnehmen wollten.

Ende Oktober durchsuchte die ­Polizei die Wohnungen von mehreren Fans von Rot-Weiß Erfurt; die Fankurve solidarisierte sich mit Spruchbändern. Die Thüringer Landtags­abgeordnete Katharina König-Preuss (Linkspartei) machte darauf aufmerksam, dass es sich bei den Betroffenen um aktive Neonazis handelt.