Eine Berliner Kampagne zum Schutz von LGBTQI-Personen arbeitet mit zweifelhaften Bündnispartnern zusammen

Dubiose Verbündete

Eine Kampagne soll Frauen, Homosexuellen und Transpersonen Schutz vor Angriffen im nördlichen Berlin-Neukölln bieten. Einige kritisieren jedoch, dass sich auch der umstrittene Verein »Neuköllner Begegnungs­stätte« an der Aktion beteiligt.

Es sollte der Auftakt für eine medien­wirksame Kampagne werden. Einge­laden hatten der Integrationsbeauftragte des Berliner Bezirks Neukölln, Jens Rockstedt, das Stadtteilmanagement Sonnenallee, eine Selbstorganisation Gewerbetreibender, die Neuköllner Begegnungsstätte (NBS) sowie die Abgeordnetenhausmitglieder Susanna Kahlefeld und Anja Kofbinger (beide Grüne). Viele Interessierte waren es jedoch nicht, die sich Ende vorigen Monats im Eingangsbereich einer Pizzeria auf der Sonnenallee in Nordneukölln versammelten. Nur wenige Pressevertreter waren vor Ort. Die Auftaktveranstaltung der Kampagne »Sicherheit – Geborgenheit – Neukölln«, die nach ei­genen Angaben »ein Zeichen gegen Gewalt und für ein vielfältiges Neukölln setzen« möchte, stieß auf wenig Resonanz.

Angelehnt an die Kampagne »Aktion Noteingang«, die Anfang der neunziger Jahre von antirassistischen und antifaschistischen Gruppen in Berlin ins Leben gerufen wurde, soll die Neuköllner Kampagne »Opfern von Angriffen Schutz bieten«, wie es auf der Website von Kahlefeld heißt. Vor allem »Frauen, Queere und Transpersonen« würden in Nordneukölln »vermehrt beschimpft und angegriffen«.

Die »Aktion Noteingang« sollte von rassistischen Beleidigungen und Angriffen betroffenen Personen Hilfe und Schutz bieten. Sie entwickelte sich zu einer bundesweiten Kampagne, an der sich mittlerweile auch Unternehmen beteiligen, etwa die Berliner Verkehrsbetriebe (BVG). Anhand eines Aufklebers können Betroffene Schutzräume erkennen, in die sie sich flüchten können.

Die Aufkleber der neuen Kampagne sollen signalisieren, wo sich Menschen, die homophoben, antimuslimischen, frauen- oder transfeindlichen Angriffen ausgesetzt sind, in Sicherheit bringen können. Läden, Moscheen, Initiativen und Vereine sollen mit den Aufklebern zum Ausdruck bringen, dass sie an der Aktion teilnehmen. Einer der beiden Aufkleber zeigt, an wen die Kampagne sich vorrangig richtet: Neben einem Symbol für Frauen sowie einem Piktogramm für Transpersonen und Homosexuelle zeigt der Aufkleber eine Frau mit einem stilisierten Kopftuch. Am Donnerstag voriger Woche war lediglich der zweite Aufkleber der Kampagne an einigen Ladenfenstern an der Sonnenallee zu sehen. Auf diesem fehlen die Piktogramme.
Das Bündnis »Ehrlos statt wehrlos« richtet sich gegen homo-, transphobe und antisemitische Gewalt in Nordneukölln (Jungle World 41/2018). Ein Vertreter der Gruppe sagte im Gespräch mit der Jungle World, »Ehrlos statt wehrlos« stehe der Kampagne »äußerst kritisch gegenüber«. Zwar handele es sich grundsätzlich um »ein löbliches Anliegen«, der in Nordneukölln »aktuell erhöht auftretenden homo- und transphoben Gewalt etwas entgegenzusetzen«. Es sei aber zu bezweifeln, ob es sich um mehr »als reine Symbolpolitik« handelt.

Außerdem sei »mit der Neuköllner Begegnungsstätte (NBS) ein der Muslimbruderschaft nahestehender Verein an der Kampagne beteiligt«, der sich zwar nach außen liberal gebe, aber »nach innen die Sharia predigt«. Die NBS habe einen »salafistischen Prediger wie Mohammed al-Arifi« in ihre Räumlichkeiten eingeladen, der »gegen Schwule, Juden und Schiiten hetzt« und Männern empfahl, ihre Frauen zu züchtigen. Es gebe zudem Ver­bindungen der NBS zum »Fatwa-Ausschuss Deutschland«, »der auf seiner Website unverblümt für eine Rechtsprechung auf Basis der Sharia plädiert«.

Auf seiner Website bestätigt der Verein, dass al-Arifi 2009 und 2013 in der von der NBS betriebenen Dar-as-Salam-Moschee auftrat, behauptet aber, »ihn nicht aktiv eingeladen« zu haben. Als der Prediger zum ersten Mal in der Moschee auftrat, sei der NBS »nichts über die problematischen Positionen des Herrn bekannt« gewesen. »Wissen über seinen Hintergrund erwarben wir erst 2013 und haben uns öffentlich (bei der ARD-Sendung ›Anne Will‹) von diesem Mann distanziert«, heißt es auf der Website. In einer 2017 im Tagesspiegel veröffentlichten Gegendarstellung des Vereins heißt es: »Bei uns hat kein Prediger gegen Juden, Homosexuelle oder Schiiten gehetzt.« Die Redaktion bestätigte die Gegendarstellung.

In einer Pressemitteilung schreibt der Verein, dass Berliner Landesamt für Verfassungsschutz (LfV) habe ihm in seinem Jahresbericht 2016 »vermeintlich offenkundige Verbindungen zum ›Fatwa-Ausschuss Deutschland‹ (FAD)« vorgeworfen. Der Website des FAD ­zufolge besteht dessen Aufgabe darin, »gemeinschaftliche Fatwas herauszugeben, welche die Bedarfe der Muslime in Europa decken, ihre Probleme lösen sowie ihre Interaktion mit den europäischen Gesellschaften im Sinne der Urteile des Islam und seiner Zielsetzungen strukturieren«. Auf der Website heißt es, der FAD sei ein Gremium, das »dem European Council for Fatwa and Research folgt«. Dieser ist der Islamismusexpertin Sigrid Herrmann-Marschall zufolge »ein wichtiges Gremium, welches überwiegend von Muslimbrüdern dominiert wird«.

Susanna Kahlefeld reagierte schmallippig auf die Kritik von »Ehrlos statt wehrlos«. Im Gespräch mit der Jungle World rühmte sie den Mut von Mohamed Taha Sabri, dem Imam der Dar-as-Salam-Moschee, der das nötige standing in der eigenen community habe, »um offen Flagge gegen Homophobie und Belästigung von Frauen zu zeigen«. Dass der Verein weiterhin vom Berliner Landesamt für Verfassungsschutz (LfV) beobachtet wird, stört Kahlefeld nicht. In den Jahresberichten des LfV fänden sich »auch viele linke Gruppen, mit denen wir in diversen Bündnissen gegen rechts selbstverständlich zusammenarbeiten«. Mit wem sie zusammenarbeite, entscheide sie »nach eigenem Wissen«.

Das Oberverwaltungsgericht (OVG) Berlin-Brandenburg untersagte dem LfV im Juli 2018, die NBS in seinen Jahresberichten zu erwähnen, »solange die Bewertung seiner Funktion im Gefüge des sogenannten legalistischen Islamismus nicht klargestellt wird«, wie es in einer Pressemitteilung des OVG heißt. Eine »Beobachtung des Vereins durch den Verfassungsschutz« sei »dadurch nicht ausgeschlossen«. »Die Beobachtung läuft weiter«, sagte der Berliner Innensenator, Andreas Geisel (SPD), im August 2018 bei der Vorstellung des Jahresberichts 2017 des LfV.Der Verein war seit 2014 in den Jahresberichten des LfV genannt worden. »Hintergrund sind Verbindungen der Islamischen Gemeinschaft in Deutschland e. V. (IGD), der mitgliederstärksten Organisation von Anhängern der Muslimbruderschaft in Deutschland, zum NBS«, heißt es in der Pressemitteilung des OVG. In einer E-Mail an den Tagesspiegel schrieb Sabri, der Verein habe »keinerlei Kontakte oder Verbindungen« zur Muslimbruderschaft. Der Taz sagte er, er denke, »als theologische Denkschule« habe die Muslimbruderschaft »einiges geleistet, was die Bildung einer eigenen Identität in der arabischen Welt betrifft«. Bei dieser handele es sich um »eine gemäßigte islamische Identität«.

»Gemeinsam setzen wir ein Zeichen gegen jegliche Formen von Gewalt und Diskriminierung«, ließ sich Sabri in einer vor der Veranstaltung in der Pizzeria versandten Pressemitteilung zitieren. An dem Termin nahm er nicht teil. Er ließ sich entschuldigen, da er aus familiären Gründen nicht in der Stadt sei.