Sebastian Gerhardt über die prekären Arbeitsbedingungen in Museen und Gedenkstätten in Berlin und Brandenburg

»Nur knapp über dem Mindestlohn«

Small Talk Von Peter Nowak

<p><em>Mehr als 220 Beschäftigte von Gedenkstätten und Museen in Berlin und Brandenburg haben in einem am Dienstag voriger Woche ver­öffentlichten offenen Brief gegen prekäre Arbeitsbedingungen protes</em></p>

Mehr als 220 Beschäftigte von Gedenkstätten und Museen in Berlin und Brandenburg haben in einem am Dienstag voriger Woche ver­öffentlichten offenen Brief gegen prekäre Arbeitsbedingungen protestiert. Die Jungle World sprach mit Sebastian Gerhardt, einem der Organisatoren von »Geschichte wird gemacht. Netzwerk für faire Arbeitsbedingungen in Museen und Gedenkstätten«.

Wie lange hat es gedauert, bis Sie an die Öffentlichkeit gegangen sind?

Seit Februar 2019 fanden in unregelmäßigen Abständen Vernetzungstreffen statt, zunächst auf der Basis von Mund-zu-Mund- ­beziehungsweise Mail-zu-Mail-Propaganda. Unsere Initiative richtet sich gleichermaßen an freie Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter von Museen und Gedenkstätten wie an fest und befristet Angestellte. Unser Ziel ist es, gemeinsam aktiv zu werden, um die Arbeits­bedingungen zu verbessern und Mitbestimmung durchzusetzen.

Spielten dabei auch Gewerkschaften eine Rolle?

Ich bin Mitglied der GEW, andere sind bei Verdi und einige in der FAU organisiert. Doch die meisten der Kolleginnen und Kollegen, die den Brief unterstützen, sind in keiner Gewerkschaft. Wir haben auch keine Kampagne zum Gewerkschaftseintritt gemacht, weil wir hier viele Statusgrenzen überschreiten, die bei der gewerkschaftlichen Organisierung eine Rolle spielen.

Können Sie Beispiele für die von Ihnen beklagten schlechten Arbeitsbedingungen in Gedenkstätten und Museen nennen?

In vielen Einrichtungen werden Stellen outgesourct, so dass die Einkünfte der Beschäftigten nur knapp über dem Mindestlohn ­liegen. Ein großes Problem ist, dass befristete Verträge nicht mehr verlängert werden, damit die Beschäftigten sich nicht einklagen können. Sie fangen dann wieder von vorne an, wenn sie alle Museen abgeklappert haben. Zudem haben viele von uns keine feste Anstellung und müssen sich von einer freien Stelle zur nächsten hangeln.

Was fordern Sie?

Zentral ist für uns, dass die Mitarbeiter selbst entscheiden können sollen, ob sie ihre Tätigkeit als Freiberufler oder als Festange­stellte ausüben wollen. Zudem dürfen Freiberufler keine billigeren Arbeitskräfte sein als Festangestellte. Dann geht es um die soziale Absicherung der festen Freien. Wir fordern, dass unsere Auftraggeber zu 50 Prozent an den Renten- und Krankenkassenbeiträgen beteiligt werden und die für Honorare anfallende Umsatzsteuer übernehmen. Zudem wollen wir befristete Arbeitsstellen grundsätzlich abschaffen.

Wollen Sie streiken, wenn Ihre Forderun   gen nicht erfüllt ­werden?

Wir haben uns auf einen offenen Brief verständigt, der sich bewusst an die Politik und nicht an die Museen und Einrichtungen richtet. Schließlich sind die von uns beklagten Zuständen nicht nur für die Mitarbeiter, sondern auch für die Einrichtungen unhaltbar. Wir werden die Reaktionen abwarten, bevor wir über weitere Schritte diskutieren.

Wie haben die Adressaten des Briefs reagiert?

Wir haben unseren Brief an die Beauftragte der Bundesregie rung für Kultur und Medien, Monika Grütters, den Berliner Kultur­senator Klaus Lederer und die Ministerin für Wissenschaft, Forschung und Kultur des Landes Brandenburg, Manja Schüle, über­geben. Sowohl Grütters als auch Lederer zeigten sich gesprächsbereit.