Geheimdienste und Terrorbekämpfer befassen sich mit linker Plakatsatire

Tätergruppe Adbuster

Deutsche Geheimdienste und Ermittlungsbehörden verfolgen mit großem Eifer Personen, die Werbeplakate staatlicher Institutionen satirisch verfremden. Unterstützer der sogenannten Adbuster halten das Vorgehen der Behörden für unverhältnismäßig.

»Unerhört! Adbusting gegen die Gesamtscheiße« – ein Buch mit diesem Titel hat der »Berlin Busters Social Club« herausgegeben. Es erschien zunächst im Eigenverlag, mittlerweile gibt es die zweite Auflage im Unrast-Verlag. Der Herausgeberkreis stellt das Buch am 13. März um 20 Uhr im Berliner Buchladen Schwarze Risse vor.

»Wir konnten uns nicht vorstellen, was für ein Erfolg die Sammlung von Bildern und Geschichten politischer Straßenkunst werden würde«, sagt einer der Herausgeber, der seinen Namen nicht nennen will, im Gespräch mit der Jungle World. Dass er anonym bleiben will, ist verständlich. Denn auch diverse Ermittlungs- und Geheimdienstbehörden interessieren sich derzeit sehr für das Thema »Adbusting« und die Kommunikationsguerilleros.

Seit 2015 hat der Militärische Abschirmdienst 13 Fälle von Adbusting mit »extremistischer Urheberschaft« bei Werbe­plakaten der Bundeswehr erfasst.

Das wurde Ende Februar durch die Antwort der Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage der Bundestagsabgeordneten Ulla Jelpke (Linkspartei) bekannt. Demnach hat der Militärische Abschirmdienst (MAD), der Geheimdienst der Bundeswehr, seit 2015 13 Fälle von Adbusting mit »extremistischer Urheberschaft« bei Werbeplakaten der Bundeswehr tabellarisch aufgelistet. Die Spalte »Tätergruppe« blieb in der Tabelle, die in der Antwort der Bundes­regierung abgedruckt ist, in der Hälfte der Fälle leer. Als verantwortliche Gruppen werden in den anderen Fällen das »Künsterinnenkollektiv B.U.N.D.E.S.­-W.E.H.R.«, die »Billboard Liberation Front Stadt Rixdorf«, »Peng e. V.«, das »Künstlerinnenkollektiv KSKVKS«, »Alge Darmstadt« und »OTKM Stuttgart« aufgeführt.

Nicht nur der MAD hat sich in jüngster Zeit intensiv mit der Kommunika­tionsguerilla befasst. Wie aus der Antwort auf die Kleine Anfrage hervorgeht, hat auch das Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) nachgeforscht. Viermal hat sich zudem das länderübergreifende Gemeinsame Extremismus- und Terrorismusabwehrzentrum (GETZ) mit der satirischen Plakatverfremdung beschäftigt. Das Gremium, in dem sich Geheimdienste und Polizei der Bundesländer abstimmen, war nach der Selbstenttarnung des NSU gegründet worden, um gegen neonazistische Gruppen vorzugehen, weitete aber schnell seine Befugnisse auf die Bekämpfung des »linken Extremismus« aus.

In ihrer Antwort schreibt die Bundesregierung, dass der Bundesverfassungsschutz Adbusting an sich »nicht als Ausdruck einer linksextremen Gewaltorientierung« klassifiziere. Die satirischen Eingriffe seien jedoch in die Kategorie »gewaltorientierter Linksextremismus« eingeordnet worden, »um den thematischen Zusammenhang zwischen der Aktionsform Adbusting als strafbare Aktionsform zur Diskreditierung von Vertretern des Staates durch Linksextremisten und gewaltsamen Aktionen zu wahren«.

Dass Polizei und Staatsschutz intensiv nach den Urhebern solcher Plakatverfremdungen suchen, wurde im Ok­tober beim bundesweit ersten Gerichtsprozess gegen einen Adbuster in Berlin deutlich. Die Polizei hatte zahlreiche Adbusting-Videos gesichtet, sich an die Firma Wall gewandt, die Außenwerbung betreibt, und nicht nur Fingerabdrücke und DNA-Spuren an einem künstlerisch veränderten Plakat gesichert, das der Angeklagte bei einer ­Polizeikontrolle in Hamburg mitgeführt hatte, sondern auch an Adbusting-­Plakaten in Leipzig. Die zuständige Staatsanwaltschaft konnte allerdings letztlich keine Straftat erkennen. Das Berliner Amtsgericht stellte das Verfahren ein – gegen eine Strafzahlung von 1 200 Euro. Der Anwalt des Angeklagten hatte einen Antrag gestellt, den durch das Adbusting entstandenen materiellen Schäden zu ermitteln. Aus seiner Sicht war auch die Hausdurchsuchung bei seinem Mandanten wegen des geringen Streitwerts rechtswidrig. Die Richterin gab in ihrer Begründung für die Einstellung des Verfahrens noch ­einen Hinweis, wie sich der Schaden durch Adbusting auf null reduzieren ließe: Sie ermahnte den Angeklagten, bei weiteren Adbusting-Aktionen die ursprünglichen Plakate im Werbekasten zu belassen.

Bereits im Juni gab es Hausdurchsuchungen bei drei Personen, die beschuldigt wurden, durch das Verfremden eines Bundeswehrplakats schweren Diebstahl begangen zu haben. Nach Angaben der Gruppe Plakativ, die sich mit den betroffenen Plakatkünstlern solidarisiert, geht aus dem Einsatzbericht der Bereitschaftspolizei, die die Satireaktion entdeckt hatte, hervor, dass das Originalplakat der Bundeswehr nicht entwendet oder zerstört wurde und wieder am ursprünglichen Ort aufgehängt werden konnte. Seitdem die Bundeswehr großflächig im öffentlichen Raum mit Plakaten um Nachwuchs wirbt, wird sie häufiger zum Ziel der Kommunikationsguerilla. So wurde etwa an einem Plakat mit der Parole »Bei uns haben Frauen das letzte Wort: als Chefin« der Zusatz »am Grab ihrer Söhne« angebracht. Ein anderes wurde mit dem Spruch »Ausbeutung gewaltsam verteidigen: Ihre Bundeswehr« überklebt.

Für unverhältnismäßig hält die antimilitaristische Organisation Deutsche Friedensgesellschaft – Vereinigte Kriegsdienstgegner (DFG/VK) den Fahndungseifer. »Während rechte Netzwerke innerhalb der Sicherheitsbehörden lange unentdeckt blieben und die Ermittlungen dagegen schleppend verlaufen, werden wegen einiger satirisch veränderter Armeewerbeplakate massiv Kräfte mobilisiert«, kritisiert Markus Hornberger, der Sprecher der Organisation. Die Kommunikationsgueril­leros lassen sich vom Vorgehen der Behörden offenbar nicht schrecken. So gab die Gruppe »Asche-Mittwoch« kürzlich bekannt, in Freiburg zum Mittel der Plakatverfremdung gegriffen zu haben. Mit Schriftzügen wie »Schaffe, schaffe – Schutt und Asche« und »Mit Freiburger Systemen zerbomben wir den Jemen. Danke, Litef!« protestierte sie gegen die dort ansässige Rüstungs­firma Northrop Grumman Litef.