Das Auswärtige Amt fördert Islamic Relief Deutschland nicht mehr

Kein Bakschisch mehr vom Außenministerium

Die Bundesregierung stellte im vergangenen Jahr personelle Verbindungen zwischen Islamic Relief Deutschland und der islamistischen Muslimbruderschaft fest. Das Auswärtige Amt förderte in der Vergangenheit Projekte der Hilfsorganisation. Doch damit ist es seit kurzem vorbei.

In ihrem aktuellen Newsletter wirbt die international tätige Hilfsorganisation Islamic Relief Deutschland (IRD) um Spenden: »Verschiedene Präventionsmaßnahmen« sollen in Gesundheitseinrichtungen in Syrien vorgenommen werden, »Hygienesets, Desinfektionsmittel, Masken und Schutzkleidungen« dabei helfen, die Verbreitung von Covid-19 im Bürgerkriegsgebiet einzudämmen. Spenden sind wichtig für IRD: Im Jahr 2018 nahm die Organisation auf diesem Weg ungefähr 15,5 Millionen Euro ein, 2017 waren es etwa 14,5 Millionen.

Eine weitere Einnahmequelle von IRD ist jedoch eben versiegt. Im März lief die jahrelange Förderung der Tätigkeiten von IRD in Syrien durch das Auswärtige Amt aus. Ein Sprecher des Auswärtigen Amts sagte auf Anfrage der Jungle World, das Projekt »Beitrag zur Aufrechterhaltung der medizinischen Grundversorgung in Syrien« von IRD erhalte keine Förderung mehr. Weitere laufende oder neue Förderungen der Organisation durch das Auswärtige Amt gebe es nicht. Wie aus den Jahresberichten von IRD hervorgeht, zahlte das Außenministerium 2017 eine Projektförderung von knapp 1,5 Millionen Euro an die Organisation. 2018 waren es 2,5 Millionen, was immerhin 12,5 Prozent der Einnahmen der NGO ausmachte. Die Zahlen für 2019 liegen noch nicht vor.

2018 förderte das Auswärtige Amt ein Projekt von Islamic Relief Deutschland mit 2,5 Millionen Euro, was 12,5 Prozent der Einnahmen der NGO ausmachte.

Dem Beenden der finanziellen Förderung war eine jahrelange Prüfung des Bundesrechnungshofes (BRH) vorausgegangen. Diese wurde zwar abgeschlossen, das Ergebnis wurde jedoch unter Berufung auf das Sicherheitsüberprüfungsgesetz (SÜG) nicht veröffentlicht. Dem BRH zufolge könnte die »Kenntnisnahme durch Unbefugte für die Interessen der Bundesrepublik Deutschland oder eines ihrer Länder nachteilig sein«. Auf die Nachfrage, aus welchen Gründen die Bundesregierung bis vor einem Monat das Projekt von IRD finanziell gefördert habe, das 2013 im syrischen Bürgerkriegsgebiet begonnen worden war, antwortete das Auswärtige Amt nicht. Die Bundesregierung gab vor einem Jahr in ihrer Antwort auf eine entsprechende Kleine Anfrage der FDP-Bundestagsfraktion an, dass Entscheidungen über die Förderung »unter Gewichtung aller förderrelevanten Aspekte« getroffen worden seien.

IRD verfüge über »signifikante personelle Verbindungen« zur Muslimbruderschaft oder zu ihr nahestehenden Organisationen, hatte die Bundesregierung zudem in ihrer Antwort geschrieben. Die 1928 in Ägypten gegründete Muslimbruderschaft strebt die Errichtung islamischer Gottesstaaten an. »Es ist ein Skandal, dass deutsche Steuergelder an Islamisten gehen«, hatte der FDP-Bundestagsabgeordnete Oliver Luksic damals gesagt. Auf Nachfrage der Jungle World sagte IRD, man habe keine Verbindung zur Muslimbruderschaft und stehe dieser auch ideologisch nicht nahe. Dem widerspricht die Islamismusexpertin Sigrid Herrmann-Marschall: Die NGO sei »eng mit anderen Organisationen aus dem Aktionsgeflecht der Muslimbruderschaft verzahnt«.
Das betreffende Hilfsprojekt wird den Angaben von IRD zufolge an Ort und Stelle vom türkischen Ableger der NGO und vom Deutsch-Syrischen Verein zur Förderung der Freiheiten und Menschenrechte e. V. betrieben. Anfang Januar berichtete der Missionsleiter von Islamic Relief in Syrien, Ahmed Mahmoud, wie sich die Versorgungslage in Idlib verschlechtere. Nach Angaben von IRD stellte »das internationale Hilfsnetzwerk von Islamic Relief mit seinem Notfallfonds bereits 312 000 Euro für Nothilfe in Idlib« bereit. Die Frage, ob in diesen Fonds auch deutsche Fördergelder flossen, beantwortete weder das Auswärtige Amt noch die Hilfsorganisation.

Auch der Berliner Senat und die Stadt Köln förderten 2018 ein Projekt von IRD. Mit insgesamt ungefähr 170 000 Euro bezuschussten die beiden Städte das Vorzeigeprojekt der islamischen NGO, das Muslimische Seelsorgetelefon. Dessen Geschäftsführer ist Mohammad Imran Sagir. Der Betriebswirt ist ein Multifunktionär im islamischen Vereinswesen. Ein Jahr bevor er seinen Posten beim Seelsorgetelefon antrat, hatte er als Vorstandsmitglied die Interessen des Vereins Inssan in der Öffentlichkeit vertreten. Der Berliner Verfassungsschutz führte zu diesem Zeitpunkt Inssan als einen jener Vereine, die Verbindungen zur Islamischen Gemeinschaft in Deutschland unterhielten, dem Inlandsgeheimdienst zufolge »die in Deutschland mitgliederstärkste Organisation von Anhängern der Muslimbruderschaft«.

Marcel Luthe, der für die FDP im Berliner Abgeordnetenhaus sitzt, kritisierte im Gespräch mit der Jungle World, dass »mit diesem Projekt gläubige Muslime in Berlin in Krisensituationen ausgerechnet an eine Struktur geleitet« würden, »die antidemokratisch und antisemitisch ist«. IRD sagte auf Nachfrage der Jungle World zu den Vorwürfen: »Islamic Relief folgt einem demokratischen Ideal und hat sich nie antidemokratisch oder radikal betätigt, positioniert oder geäußert.« Man verurteile jeden Erscheinungsform von Antisemitismus und habe sich niemals antisemitisch betätigt.

Zudem kritisierte Luthe, dass Sagir als Sprecher der Berliner Arbeitsgemeinschaft muslimischer Gefängnisseelsorge auch in die religiöse Betreuung von Gefangenen involviert sei. »Gefängisseelsorge durch den mit der Terrororganisation Hamas verbundenen Islamic Relief wäre so, als würden wir inhaftierte Neonazis durch die NPD betreuen lassen«, so Luthe. IRD bestreitet, die islamistische Terrororganisation zu unterstützen. Das israelische Verteidigungsministerium stuft den deutschen Ableger von Islamic Relief als »Teil des Finanzsystems der Hamas-Organisation« ein, deshalb ist es diesem nicht gestattet, in Israel Geschäfte zu tätigen.