Kontrolle und Überwachung gefährden die Bürgerrechte

An Überwachung gewöhnen

Kommentar Von Matthias Monroy

Im Rahmen der Pandemiebekämpfung werden Überwachungmöglichkeiten und Kontrollbefugnisse weiter ausgebaut. Das Virus ermöglicht es, Maßnahmen durchzusetzen, die zuvor noch sehr umstritten waren.

Das Recht, sich nach Artikel 8 des Grundgesetzes »ohne Anmeldung oder Erlaubnis« zu versammeln, ist seit dem 20. März durch ein Verbot mit sogenanntem Erlaubnisvorbehalt ersetzt. Die Gesundheitsämter haben gemäß der »Sars-CoV-2-Eindämmungsverordnungen« nunmehr das letzte Wort, wenn es darum geht, Versammlungen zu genehmigen. Einen Monat lang wurden in fast allen Bundesländern Proteste untersagt, darunter auch Fahrraddemonstrationen und Autokorsos. Den Amtsärzten war es auch egal, wenn Anmelder die Beachtung von Abstandsregeln und das Mitführen von Mundschutz versprachen.

Dass dies nicht verhältnismäßig war, hat das Bundesverfassungsgericht erst am 15. April entschieden. Beschwerdeführerin war die Projektwerkstatt Saasen, deren mehrtägige Versammlung zum Thema »Gesundheit stärken statt Grundrechte schwächen – Schutz vor Viren, nicht vor Menschen« von der Stadt Gießen zunächst untersagt wurde. Klagen vor dem Verwaltungsgericht und dem Hessischen Verwaltungsgerichtshof fanden kein Gehör. Erst dem obersten deutschen Gericht kam die grundrechtlich geschützte Versammlungsfreiheit wieder in den Sinn. Die Gießener Stadtverwaltung musste daraufhin zumindest eine kleine Kundgebung unter Auflagen genehmigen. Die Entscheidung zwingt nun Behörden bundesweit zur Änderung ihrer bisherigen Praxis. Sogar große Versammlungen sind seitdem wieder möglich. Am Wochenende konnten in Hamburg Hunderte Menschen mit einer vier Kilometer langen Menschenkette gegen die EU-Flüchtlingspolitik demonstrieren.

Auch die Bundeswehr hält 5.500 Soldaten für »Absicherung/Schutz« und 600 Feldjäger bereit.

Mit den Verordnungen gegen Sars-CoV-2 haben die Bundesländer auch die Freizügigkeit nach Artikel 11 Grundgesetz außer Kraft gesetzt. So gelten etwa in Sachsen und Bayern äußerst strenge Ausgangsbeschränkungen. Zur Bekämpfung des neuartigen Coronavirus werden zudem sämtliche Schengen-Grenzen wieder kontrolliert. Auch dies ist nicht immer verhältnismäßig. Wieso soll es für den Infektionsschutz unbedenklich sein, von Heinsberg nach Köln zu reisen, während die Fahrt von Kaiserslautern nach Metz oder von Görlitz nach Zgorzelec verboten bleibt? Die einst als größte Errungenschaft der Europäischen Union gepriesene Freizügigkeit ist vorerst Geschichte. Das Virus wird zum Vorwand einer neuen Nationalstaaterei.

Vor knapp sechs Wochen begann der deutsche lockdown. Seit zwei Wochen gibt es zögerliche Lockerungen. Es ist aber unklar, ob und wann die Grundrechtseinschränkungen zur Gänze zurückgenommen werden. Die Polizei und die Ordnungsämter werden vermutlich mit gestärkter Autorität aus der Coronakrise hervorgehen, ihre Maßnahmen zur Durchsetzung der lokalen Verordnungen führen dazu, dass sich die Bürger an Überwachung und Kontrolle bei alltäglichen Verrichtungen gewöhnen. In einigen Städten und Gemeinden bot die Bekämpfung des Coronavirus den Anlass, neue Formen von Repression zu installieren. Dort kontrolliert die Polizei die Einhaltung der Allgemeinverfügungen beispielsweise mit Videoüberwachung und Drohnen.

Manche Gemeinden heuern private Sicherheitsdienste an, die Menschenansammlungen feststellen und verwarnen sollen. Auch die Bundeswehr hält 5.500 Soldaten für »Absicherung/Schutz« und 600 Feldjäger bereit. Zwar ist bislang kein erfolgreiches Amtshilfeersuchen bekannt, woraufhin das Militär polizeiliche Befugnisse ausgeübt hätte. Trotzdem bedeutet allein die Idee, Soldaten zur Bewachung von Supermärkten oder Flüchtlingsunterkünften einzusetzen, eine Kampfansage an freies demokratisches Leben.