Der Sänger Xavier Naidoo ist wegen seiner rechtsextremen Äußerungen nicht mehr überall willkommen

Dieser Weg wird ein rechter sein

Die Fernsehsender RTL und Pro Sieben wollen mit Xavier Naidoo wegen dessen Faible für Verschwörungs­theorien nichts mehr zu tun haben. Eine Bühne wird dem Sänger aber immer noch regelmäßig geboten. Die Stadt Dortmund prüft die Absage eines geplanten Konzerts.

Vor knapp 20 Jahren nahmen 13 Künstler das Lied »Adriano (Letzte Warnung)« auf. Der Song sollte auf einen Todesfall und den Rassismus in Deutschland aufmerksam machen. Alberto Adriano war in Dessau von drei Neonazis ermordet worden. Sänger des Refrains ist ­Xavier Naidoo. Unter anderem heißt es dort: »Wir fall’n dort ein, wo ihr auffallt, gebieten eurer braunen Scheiße endlich Aufhalt.«

Mittlerweile scheint Naidoo aber selbst in der braunen Ecke angekommen zu sein. Es ist seit längerem offenkundig, dass der Künstler Reichsbürgerphantasien anhängt. Derzeit vergeht kaum eine Woche, in der Naidoo seinen Fans nicht neue Verschwörungs­theorien präsentiert. Erst kürzlich zeigte er sich weinend vor der Kamera und verkündete, dass »in diesen Momenten in verschiedenen Ländern der Erde Kinder aus den Händen pädophiler Netzwerke befreit« würden – zumindest, wenn er es »richtig versteht«. Naidoo spielt damit auf Verschwörungstheorien wie »Qanon«  an, wonach sogenannte Eliten unter anderem einen Kindesmissbrauchsring betrieben.

In anderen Videos zweifelt der Sänger die Existenz des Virus Sars-CoV-2 an und stellt Verbindungen zwischen dem Antichristen und »Fridays for Future« her: Da F der sechste Buchstabe des Alphabets ist, könne die Abkürzung der Klimabewegung auch als 666 gelesen werden. Dann könne man sich denken, wer dahinter stehe, so Naidoo.

Derzeit vergeht kaum eine Woche, in der Naidoo seinen Fans nicht neue Verschwörungs­theorien präsentiert.

Kurz zuvor hatte sich der Sender RTL von Naidoo getrennt. Dieser musste seinen Platz in der Jury von »Deutschland sucht den Superstar« räumen, nachdem er in einem Lied gegen Geflüchtete gehetzt hatte. Neben RTL auch Pro Sieben hatte angekündigt, nicht mehr mit Naidoo zusammenzuarbeiten: »Wir versprechen: Der Sänger mit dem Aluhut wird nie wieder mit seiner Musik in unseren Shows sein. Nie wieder.«

Für viele kamen der Rauswurf und die Distanzierung viel zu spät. Für den Soziologen Niklas Herrberg, der über Antisemitismus, Verschwörungstheorien und das Milieu der Reichsbürger forscht, ist offensichtlich, dass Naidoo »nicht erst seit gestern Verschwörungstheoretiker ist«. Naidoo verbreite entsprechende Inhalte seit über zehn Jahren. »Er knüpft fast schon notorisch an Verschwörungstheorien, Antisemitismus und Reichsbürgerideologie an. Das ist eine Kontinuität, die bisher nicht gesehen wurde oder die man nicht sehen wollte«, so Herrberg im Gespräch mit der Jungle World.

So äußerte der Sänger 2011 im ARD-Morgenmagazin, dass Deutschland immer noch besetzt und kein richtiges Land sei – eine der populärsten Thesen der Reichsbürgerbewegung. 2014 trat Naidoo auf einer Demonstration von »Reichsbürgern« in Berlin auf und raunte dort, bekleidet mit einem »Freiheit für Deutschland«-Shirt, über die »Wahrheit« über die Anschläge des 11. September 2001.

Verschwörungstheoretiker, Reichsbürger oder doch einfach nur ein Rechter? Es sei nicht einfach, Naidoo genau zu verorten, sagt Herrberg. »Alle Begriffe treffen in der einen oder anderen Weise zu«, meint der Soziologe. Naidoo bediene immer wieder die verschiedenen Ideologien, die sich auch überschnitten: »Die Reichsbürgerideologie beispielsweise funktioniert ja gar nicht ohne das verschwörungstheoretische Weltbild, das dahintersteht.«

Aber auch klassische Ideologien der extremen Rechten sind bei Naidoo zu erkennen. In seinem Song »Marionetten« bedient er nicht nur das antisemi­tische Bild des Puppenspielers. Das Lied wirkt mit Anspielungen auf die sogenannte Lügenpresse (»Denn weil ihr die Tatsachen schon wieder verdreht, müssen wir einschreiten«) und Politiker als »Volksverräter« wie ein Sammelsurium aus dem Phrasenbuch von Pegida. Dazu passt auch, dass Naidoo ­regelmäßig auf extrem rechten Youtube-Kanälen zu Gast ist. Erst kürzlich gab er bekannt, dass er mit dem extrem rechten Rapper Chris Ares in Kontakt stehe, der der Identitären Bewegung nahesteht.

Naidoo erfülle für Reichsbürger und Verschwörungstheoretiker eine wichtige Funktion, so Herrberg: »Naidoo ist als Prominenter, der seit Jahrzehnten in der Musikbranche unterwegs ist und hohe Anerkennung genießt, eine Art Verschwörungstheoriemultiplikator.« Die Reichsbürgerszene, die gesellschaftlich eher isoliert ist, könne über den Sänger mit ihren Thesen eine sehr große Öffentlichkeit erreichen. »Verschwörungstheorien erscheinen skurril, aber für manche Anhänger wirken sie wie eine Handlungsanleitung«, sagt der Sozio­loge über die Gefahr dieser Bewegung und verweist auf die Terroranschläge in Halle und Hanau.

Naidoo wäre derzeit auf Tournee, wäre nicht die Covid-19-Pandemie ­dazwischengekommen. Ein Auftritt im September sollte in Dortmund statt­finden. Dort ist der Sänger wegen seiner Äußerungen nicht mehr erwünscht. Die Stadt prüft in Absprache mit dem Veranstalter eine Absage des Konzerts, sofern dieses angesichts der Pandemie überhaupt stattfinden könnte. »Wir wollen Xavier Naidoo nicht in unserer Stadt und auch nicht jene Anhänger seiner Musik, die seine Positionen ­teilen«, sagte Dortmunds Oberbürgermeister Ullrich Sierau (SPD). »Wir ­stehen für Vielfalt, Toleranz und Demokratie. Xavier Naidoo und seine Äußerungen passen nicht hierher.«

Für diese klare Position erhielt die Stadt viel Zustimmung. Widerspruch kam nur von rechtsaußen, etwa vom AfD-Bundestagsabgeordneten Thomas Ehrhorn, den die Position der Stadt Dortmund an »schlimme DDR-Zeiten« erinnert. Auch das extrem rechte ­Magazin Compact, das mittlerweile zum Verdachtsfall des Verfassungsschutzes geworden ist, sprang Naidoo bei und feierte ihn als »modernen ­Helden«. Im Shop des Magazins kann man eine demnächst erscheinende »große Xavier-Naidoo-Biographie als Compact-Edition« vorbestellen, Titel: »Sein Leben, seine Lieder, seine Wut«.