Ein stümperhafter Putschversuch in Venezuela

Der große Pfusch

Kommentar Von Wolf-Dieter Vogel

Am 1. Mai berichtete die Nachrichtenagentur »Associated Press« über einen geplanten Putsch von bewaffneten Söldnern in Venezuela, am selben Tag wurde die Operation in Gang gesetzt – und scheiterte zwei Tage später kläglich.

Wer sich mit der gescheiterten Invasion in Venezuela in der vergangenen Woche beschäftigt, stößt zunächst auf Reaktionen, wie sie nicht anders zu erwarten waren. Die »Operation Gedeón« sei von US-Präsident Donald Trump angeordnet worden, sagt der chavis­tische Präsident Venezuelas, Nicolás Maduro; sie habe das Ziel gehabt, ihn zu ermorden. Dessen Kontrahent, der selbsternannte Präsident Juan Guaidó, will von dem Kommando nichts gewusst haben und wirft Maduro vor, den Vorfall als Vorwand zu benutzen, um gegen Oppositionelle vorzugehen. Und Trump erklärte, er habe mit dem Angriff nichts zu tun. »Wenn wir in Venezuela etwas unternehmen, sieht das anders aus«, kommentierte der US-Präsident und ließ keinen Zweifel daran, dass er eine militärische Intervention meinte.

In der Tat hatte das, was sich in den ersten Maitagen an der Karibikküste unweit von Caracas abspielte, wenig mit den professionellen Angriffen zu tun, wie man sie vom US-Geheimdienst und der US-Armee kennt. Eine Gruppe bewaffneter Söldner hatte versucht, unweit einer Kaserne und des Flughafens der Hauptstadt mit einem Boot anzulegen. Venezolanische Truppen töteten acht der Eindringlinge und nahmen zwei fest. Am nächsten Tag wurden weitere acht Männer verhaftet, unter ihnen zwei US-Amerikaner. Einem zweiten Boot war unterwegs der Sprit ausgegangen. Kaum hinter Gittern, plauderten die beiden Männer über die Gründe der Infiltration. Trump habe die Aktion organisiert, sagte der Söldner Luke Denman und gestand, im Auftrag der in Florida ansässigen Sicherheitsfirma Silvercorp USA tätig zu sein.

Tatsächlich hatte der Besitzer von Silvercorp, Jordan Goudreau, ein US-Veteran der Spezialeinheit Green Berets, mit zwei Vertrauten Guaidós im Herbst in einem Vertrag eine regelrechte Invasion vereinbart: 800 in Kolumbien ausgebildete Kämpfer sollten aus dem Nachbarland nach Venezuela einreisen und Widerstandszellen bilden. Zugleich sollten die mit Booten gelandeten Söldner den Flughafen und die Kaserne besetzen sowie Maduro entführen oder töten. Man hoffte, dass sich die hungernde, von der Regierung enttäuschte Bevölkerung anschließen werde und das Maduro-Regime falle. 212 Millionen US-Dollar sollte die Invasion kosten, zahlbar nach dem Umsturz. Ob Guaidó den Vertrag, den die Washington Post jetzt veröffentlichte, unterschrieben hat, ist umstritten. Außer Frage aber steht, dass dessen umtriebiger Unterhändler Juan José Rendón in enger Abstimmung mit Guaidó gehandelt hat.

Doch der Plan scheiterte nicht erst vergangene Woche. Der kolumbianische Geheimdienst versagte der Nachrichtenagentur AP zufolge die Hilfe und die CIA forderte Goudreau auf, das Projekt einzustellen. Es habe an Unterstützung gefehlt, bestätigte auch der in der Operation für Kolumbien zuständige ehemalige General Cliver Alcalá. Rendón sagt, viele Oppositionelle seien abgesprungen, weil sie Alcalá misstraut hätten, dessen Bruder für die venezolanische Regierung als Botschafter im Iran tätig ist. Und der involvierte regimekritische Parlamentarier Hernán Aleman betont: »Viele wussten davon, aber unterstützten uns nicht.« Sie hätten zu viel Angst gehabt. Weder die kolumbianische noch die US-Regierung seien eingebunden gewesen.

Das alles hatte AP am 1. Mai veröffentlicht – zwei Tage bevor die Boote die Landung versuchten. Es ist also wenig verwunderlich, dass Diosdado Cabello, der als rechte Hand Maduros gilt, nach dem gescheiterten Angriff frohlockte: »Wir wussten alles.« Manchmal habe das Regime sogar die Treffen bezahlt. »Das zeigt, wie infiltriert sie waren«, sagte Cabello und bestätigt damit, dass die Regierung der »Bolivarianischen Revolution« schon lange informiert war. Das wirft die Frage auf, warum die bereits beerdigte Aktion dennoch stattfand, warum eine Truppe von 18 Söldnern in zwei Booten mit zu wenig Benzin loszog und hoffte, an der am besten bewachten Küstenregion Venezuelas eine Kaserne sowie den größten Flughafen des Landes unter Kontrolle zu bekommen.

Zweifellos hat die Aktion vor allem das Regime gestärkt und repressive Maßnahmen ermöglicht. Bis Montag wurden 45 mutmaßliche »Terroristen« verhaftet. Wie schon frühere militärische Abenteuer dürfte auch dieses desaströse Manöver die Opposition schwächen. Der »Gegenpräsident« Guaidó, dessen Legitimität ­ohnehin in erster Linie auf der Anerkennung durch 60 Regierungen fußt, wird einen weiteren Imageverlust hinnehmen müssen. ­Maduros Behauptung, der Angriff sei direkt von der US-Regierung ausgegangen, bleibt dessen ungeachtet mehr als fragwürdig. Aber sie hilft ihm, die Bruchpilotenaktion in eine Reihe mit der Schweine­bucht-Invasion zu stellen, mit der 1961 kubanische Söldner mit Hilfe der US-Regierung erfolglos die Revolutionsregierung in Havanna stürzen wollten. Die Geschichte wiederholt sich eben als Farce. Bestenfalls.