Small Talk mit Sven Schupp über die drohende Räumung eines Wagenplatzes in Lüneburg

»Für jeden Bauwagen 2 000 Euro Strafe«

In Lüneburg soll der Wagenplatz des Wohnprojekts »Unfug« am 1. Juli geräumt werden. Sven Schupp, einer der Bewohner, hat mit der Jungle World gesprochen.

Welches politische Selbstverständnis hat Ihr Wohnprojekt?

Wir sind zehn Menschen, die sich in der radikalen Linken verorten. Ende 2017 haben wir das Grundstück und das Wohnhaus gekauft. Dabei wurden wir vom Mietshäusersyndikat beraten. Unser Ziel war und ist es, Wohnraum zu bezahlbaren und solidarischen Preisen zu schaffen.

Warum ist das Wohnprojekt in Gefahr?

Zunächst hat die Stadt Lüneburg einen Baustopp für ein Nebengebäude erlassen. Zudem sollen wir bis zum 1. Juli die sechs Bauwagen von dem Grundstück räumen. Die Anordnung wurde für sofort vollziehbar erklärt. Das bedeutet, dass wir ab 1. Juli für jeden Bauwagen monatlich 2 000 Euro Strafe zahlen müssten.

Gibt es juristische Möglichkeiten, gegen diesen Erlass vorzu­gehen?

Unsere Anwälte haben Klage gegen den sofortigen Vollzug der Anordnung erhoben. Darüber wird wohl dieser Tage entschieden. Wird der Klage stattgegeben, hätten wir die Möglichkeit, bis zum Abschluss des juristischen Verfahrens in dem Wohnprojekt zu bleiben.

Was soll geschehen, wenn die Klage abgewiesen wird?

Dann müssten wir die Bauwagen wegen der hohen Strafen vom Grundstück räumen. Wir bemühen uns bereits um Unterkünfte, in erster Linie für die Familien mit Babys. Wir müssen sogar überlegen, das Grundstück wieder zu verkaufen. In den Wohnhäusern ist nicht genug Platz für die Menschen, die auf dem Grundstück leben.

Haben Sie mit dieser Entwicklung gerechnet?

Eigentlich nicht. Wir haben das Grundstück nicht besetzt, sondern gekauft. Zudem hatte sich der Lüneburger Oberbürgermeister ­Ulrich Mädge (SPD) vor einigen Jahren dafür ausgesprochen, dass Bauwagen auf Privatgrundstücken stehen können.

Wie erklären Sie sich die Maßnahmen gegen Ihr Projekt?

Es ist klar, dass wir hier als politisch engagierte Linke vertrieben werden sollen. Lüneburg ist nicht so groß und wir sind in der Stadt bekannt. Mädge hat uns offen gesagt, dass er unser Projekt bekämpfen werde. In der SPD gibt es gegen den Kurs des langjährigen Oberbürgermeisters keinen Widerstand. Auch die CDU steht hinter ihm.

Erhalten Sie auch Unterstützung?

Die Linkspartei und die Grünen haben uns in der Stadtverordnetenversammlung unterstützt. Ein Stadtratsmitglied der Linkspartei ist unser Mitbewohner. Auch das Studentinnen- und Studentenparlament der Lüneburger Universität hat sich mit uns solidarisiert. Zudem erfahren wir auch Zustimmung aus der Bevölkerung. In der Nähe unseres Wohnprojekts verläuft ein von vielen Spaziergängern genutzter Weg. Da gibt es immer wieder freundliche Gespräche über den Gartenzaun. Am 30. Mai haben sich auf einer Demonstration in der Lüneburger Innenstadt etwa 300 Menschen mit uns solidarisiert. Da waren nicht nur Leute aus der linke Szene dabei, sondern auch Menschen aus dem linksliberalen Milieu. Besonders gefreut hat uns, dass wir auch aus vielen anderen Städten wie Hamburg und Berlin und sogar aus dem Ausland Unterstützung bekommen haben.

Wie soll es in den nächsten Wochen bei Ihnen weitergehen?

Wir wollen den Druck verstärken, damit wir bleiben können. Schließlich kämpfen wir nicht nur um unser Wohnprojekt, sondern es geht um eine solidarische Stadt für alle. Auch in Lüneburg sind die Mieten in den vergangenen Jahren erheblich gestiegen. Dagegen wehren wir uns. Auch wenn wir verlieren, sind wir ja nicht weg.