Fans des K-Pop betätigen sich auf antifaschistische Weise

K-Pop goes Antifa

Von Jan Marot

Gegen White Supremacists, Donald Trump und extreme Rechte überhaupt gehen junge K-Pop-Fans aus Südkorea und anderen Länder mit innovativen Kommunikationsstrategien vor. Auch die rechtsextreme Partei Vox in Spanien hat es schon getroffen. Es gibt aber auch rassistische K-Pop-Fans.

Zahllose Menschen demonstrierten in den USA und anderen Ländern nach der Tötung von George Floyd unter dem Motto »Black Lives Matter« gegen Rassismus, und auch in den sozialen Medien war diese Bewegung tätig. Der Hashtag #BlackLivesMatter trendete auf vielen Plattformen. Das wollten sich auch extreme Rechte zunutze machen, die sich in den sozialen Medien ohnehin wohlfühlen. Sie verbreiten dort Falschmeldungen, die millionenfach geteilt werden. Dagegen effektive Mittel zu finden, ist schwer. Die großen Unternehmen wie Facebook und Twitter versagen dabei oder sind unwillig, entschieden einzuschreiten.

Es handelt sich um eine durchaus erfolgreiche Strategie gegen rechte Hetze im Internet: die Kommunikations­kanäle des politischen Gegners mit sinn­ent­leertem Content zu über­schwemmen.

In Spanien brachte das Milieu rund um die neofaschistische Partei Vox den Hashtag #SpanishLivesMatter in Umlauf – nach dem Vorbild der aus den USA stammenden, gegen die antirassistische Bewegung gerichteten Hashtags wie #WhiteLivesMatter oder #Blue­LivesMatter. Womit die extremen Rechten weder in den USA noch in Spanien gerechnet hatten: Massen an K-Pop-Stans, wie sich eingefleischte Fans koreanischer Musikstars nennen (nach dem Song »Stan« von Eminem und Dido über einen von seinem Idol ­besessenen Fan), die global koordiniert die rassistische Propaganda erfolgreich sabotierten.

Mit einer Welle aus Fancam-Clips von wenigen Sekunden bis zu einigen Minuten Länge, in denen in perfekt synchroner Choreographie tanzende Idole der südkoreanischen Popszene über Fotos und Videos gelegt werden, überschwemmen sie die Twitter- und Instagram-Timelines der Rechten. Es handelt sich um eine Art Memes, einschließlich lapidarer Kommentare wie »not today, bro!« (heute nicht, Bruder!) oder »O.k. Boomer«; die auch mal direkt über einem Foto Santiago Abascals, des Vorsitzenden der rechtsextremen Partei Vox, oder des früheren Diktators Francisco Franco stehen. Ein Tweet von Vox, um US-Präsident Donald Trump zu unterstützen (mit dem Hashtag #SpainSupportsTrump, welcher sich »gegen Terroristen im Straßenkampf und linke Millionäre« verteidige), bot den K-Poppern ein ebenso lohnendes Ziel.

Das Ganze passierte sehr zum Erstaunen der extremen Rechten, deren ­rassistische Postings in den sozialen Medien nun komplett untergehen. Es handelt sich um eine durchaus erfolgreiche Strategie gegen rechte Hetze im Internet und könnte auch der übrigen europäischen Linken als Beispiel dienen: die Kommunikationskanäle des politischen Gegners mit sinnentleertem Content überschwemmen und sozusagen im Schwarm einfach mehr Lärm machen als die Rechtsextremen bei ihrem virtuellen Topfklopfen. So gingen auch schon Online-Kollektive wie Anonymous vor, die K-Popper ­haben allerdings diese Taktik perfektioniert.

Obgleich selbst zumeist noch Teenager, können die K-Pop-Stans auf ­jahrelange Erfahrung zurückgreifen. Das »Fancammen« etwa wurde vor ­allem bei den Abstimmungen für die zahlreichen K-Pop-Awards geübt. Die ­begehrteste Trophäe ist der »Mnet Asian Music Award« (kurz: Mama), den das Label CJ Entertainment and Merchandising (CJ E & M) vergibt. 2019 erzielte CJ E & M einen Umsatz von umgerechnet über 3,3 Milliarden Euro; ökonomisch ist K-Pop längst auch international von Bedeutung. Über die Preise wird nicht nur auf SMS abgestimmt, auch Online-Votings und die Klick­zahlen von Musik- und ­Videostreams fließen mit ein. Die K-Pop-Stans orga­nisieren sich also, um ihre Favoriten zum Gewinner ­eines Mama zu machen und deren Rivalen zu übertrumpfen. Entscheidend ist dabei, als User nicht von Spam-Filtern oder Schutzmechanismen der Server gegen sogenannte DDoS-Attacken blockiert zu werden. Dazu gibt es eine Fülle von Online-Tutorials der rivalisierenden Fangemeinden. Selbstverständlich machen sich die Stars und ihre Labels die Fancam-Kultur für Werbezwecke zunutze.

Auch viele US-amerikanische Hashtags zur Unterstützung der Polizei wurden zum Ziel von K-Pop-Stans. Die Polizei der texanischen Stadt Dallas etwa lancierte die Spitzel-App »iWatchDallas«, mit der man Straftaten im Zusammenhang mit den antirassistischen Protesten begangene melden sollte. Doch sah die Behörde sich statt mit rechten Denunziationen plötzlich mit einer Flut tanzender K-Pop-Ikonen konfrontiert; darunter Hani von der Girl-Band Exid, die 2014 durch einen Fanclip des auf einem Konzert performten Songs »Up and Down« an die Spitze der Charts gelangte, die Bangtan Boys, Jungkook sowie Chuu von der Girl-Band Loona. Und »iWatchDallas«? Die App war zumindest zeitweilig unbrauchbar für Ermittlungen.

Die Community nutzte solche Mittel allerdings auch zu fragwürdigeren Zwecken. Beispielsweise wetterte heftig gegen Han Geng, ein chinesisches ­Mitglied der populären Boy-Band Super Junior – antichinesischer Rassismus ist in Südkorea und auch bei K-Poppern verbreitet. Die Stans vereinten ihre Kräfte und kauften ein Prozent der Aktien des verantwortlichen Labels SM Entertainment. Damit konnten sie noch effektiver gegen die Aufnahme des chinesischen Musikers opponieren.

Ohnehin ist das K-Pop-Fanmilieu nicht homogen. Es ist auch nicht geschlossen gegen Trump. Zudem hetzten südkoreanische Stans in der Vergangenheit gegen people of color, die auch K-Pop-Fans sein wollten. Die Fan­szene des K-Pop in Nordamerika ist sehr divers und besteht längst nicht nur aus Teenagern, wie Michelle Cho, Professorin für Ostasien-Studien an der Universität von Toronto, festgestellt hat.

Dass K-Popper auch den von Trump in Umlauf gebrachten Hashtag #Ex­poseAntifa (Entlarvt die Antifa) gekapert haben, versteht sich von selbst. Auch die Großveranstaltung zum Wahlkampfauftakt des in den Umfragen ins Hintertreffen geratenen US-Präsidenten in Tulsa, Oklahoma, wurde ­getrollt. So sammelten sich Trump-Gegner, darunter viele K-Popper, auf der vor allem bei Jugendlichen beliebten Plattform Tiktok. Dort riefen sie dazu auf, zum Schein Eintrittskarten für Trumps Veranstaltung zu reservieren, was massenhaft befolgt wurde. Statt der einen Million Besuchern, die Trump und sein Team angeblich erwartet ­hatten, kamen nur wenige Tausend. Allerdings dürfte auch die Furcht vor Sars-CoV-2 zu der geringen Beteiligung beigetragen haben. Jedenfalls sprach der Präsident schließlich vor vielen leeren Plätzen.