Die Auswirkungen der Pandemie treffen die Veranstaltungsbranche in besonderem Maß

Eine Branche sieht rot

Die Veranstaltungsbranche leidet besonders unter den Beschränkungen in der Covid-19-Pandemie. Unternehmen beklagen mangelnde ­finanzielle Unterstützung durch die Bundesregierung. Viele freiberuflich Beschäftigte haben gar keinen Zugang zu den Hilfen.

Viele Veranstaltungsunternehmen sorgen sich um ihr Überleben. Angaben aus der Branche zufolge haben die Unternehmen seit Beginn der Pandemie Umsatzeinbußen zwischen 80 und 100 Prozent verzeichnet. Etwa 6 500 Menschen gingen vergangene Woche allein in Berlin auf die Straße, sie forderten eine bessere finanzielle Unterstützung der betroffenen Unternehmen. Das Bündnis »Alarmstufe Rot«, ein Zusammenschluss mehrerer Initiativen und Verbände der Veranstaltungswirtschaft, hatte die Demonstration organisiert.

Die Initiative »Hand for a Hand« sammelt Spenden für einen Solidaritätsfonds, aus dem Geld an freie Beschäftigte aus dem Kultur- und Veranstaltungsbereich ausgezahlt wird.

Die erste Protestaktion hatte im Juni stattgefunden, unter dem Motto »Night of Light« waren bundesweit zahlreiche Gebäude rot angeleuchtet worden, um auf die wirtschaftlichen Folgen der Pandemiebekämpfung für Unternehmen und Beschäftigte in der Veranstaltungswirtschaft aufmerksam zu machen. Christian Dietzel von »Alarmstufe Rot« betonte auf Nachfrage der Jungle World, dass die Initiative die Pandemie sehr ernst nehme und sich an alle Beschränkungen halten wolle. »Aber die herkömmlichen Unterstützungsprogramme reichen bei einer Branche mit bis zu 100 Prozent Einbruch der Einnahmen nicht aus«, sagte er.

Einer Studie des Verbands für Medien- und Veranstaltungstechnik (VPLT) zufolge macht die Veranstaltungsbranche jährlich 130 Milliarden Euro Umsatz und beschäftigt ungefähr 1,5 Millionen Menschen, deren Arbeitsplätze durch die Beschränkungen gefährdet seien. »Alarmstufe Rot« fordert unter anderem, dass der Bund bis mindestens Ende März 2021 für 80 Prozent der Fixkosten aufkommt. Die Laufzeit von Krediten der derzeit bestehenden Hilfsprogramme solle auf mindestens 15 Jahre verlängert werden. Zudem fordert »Alarmstufe Rot«, die Kurzarbeiterregelung dahingehend auszuweiten, dass Beschäftigte weiterhin notwendige Tätigkeiten ausführen dürfen, auch wenn im Betrieb »Kurzarbeit null« gilt, die Agentur für Arbeit also Kurzarbeitergeld für die komplette Arbeitszeit auszahlt. Die Initiative begründet dies damit, dass in den Betrieben weiterhin »nicht unmittelbar umsatzrelevante Arbeiten« anfielen, etwa in den Planungs- und IT-Abteilungen, die anfallenden Lohnkosten aber wegen des fehlenden Umsatzes nicht zu tragen seien.

Seit der vorangegangenen Protestaktion wurden die Beschränkungen für Veranstaltungen gelockert. So konnten kleine Konzerte im Freien wieder stattfinden, erlaubt sind auch Auftritte auf Kleinkunst- und Theaterbühnen, wenn Hygienekonzepte vorliegen und eingehalten werden. Dietzel zufolge ist es jedoch wegen der Auflagen und der begrenzten Teilnehmerzahl weiterhin kaum möglich, Veranstaltungen ohne finanzielle Verluste abzuhalten. »Kein Unternehmen befindet sich derzeit auf der Erholungskurve«, so der Sprecher von »Alarmstufe Rot«.

Großveranstaltungen sind nach wie vor in allen Bundesländern untersagt. Was als Großveranstaltung zählt, ist nicht einheitlich festgelegt und kann abhängig von der Größe des Veranstaltungsorts und der Einwohnerzahl der Kommune variieren. Zurzeit liegt die Obergrenze in den meisten Bundesländern bei etwa 1 000 Besuchern. Im August präsentierte die Bundesbeauftragte für Kultur und Medien, Monika Grütters (CDU), das Programm »Neustart Kultur« mit einem Umfang von etwa einer Milliarde Euro, von dem etwa 250 Millionen Euro an private Kultureinrichtungen gehen sollen, die pandemiebedingte Ausfälle zu verzeichnen haben. 80 Millionen Euro stehen zur Verfügung, um Veranstalter von Konzerten und Festivals zu unterstützen, die von dem Verbot der Großveranstaltungen besonders hart getroffen sind. Musikveranstalter können einmalig mit bis zu 800 000 Euro gefördert werden, Festivalveranstalter mit bis zu 250 000 Euro. Der Bundesverband der Konzert- und Veranstaltungswirtschaft (BDKV) wertet das Programm zwar als Schritt in die richtige Richtung. Es reiche jedoch nicht aus, um Gewinne zu erwirtschaften oder »die Löcher zu stopfen, die bisher entstanden sind«, wie der Verbandspräsident Jens Michow in einer Pressemitteilung sagte.

Kleinere Unternehmen, darunter Theaterbühnen, Musikclubs, Literaturhäuser und Kinos, können ebenfalls über das Programm Anträge auf Förderung stellen und je nach Bedarf zwischen 5 000 und 100 000 Euro erhalten. Darüber hinaus gibt es Hilfsgelder der Länder, je nach Bundesland in ­unterschiedlicher Höhe. So stellte der Berliner Kultursenator Klaus Lederer (»Die Linke«) im August weitere 30 Millionen Euro zur Verfügung, um kleine und mittlere Unternehmen im Kulturbereich zu unterstützen (siehe Interview-Seiten 20/21). Veranstalter kritisieren, dass die Hilfen die finanzielle Notlage nur für kurze Zeit überbrücken könnten und eine langfristige Perspektive fehle.

Freie Künstlerinnen und Künstler, Bühnentechniker und Veranstaltungshelfer stehen derzeit besonders schlecht da. Sie und andere Soloselbständige sollte die sogenannte Überbrückungshilfe für kleine und mittelständische Unternehmen unterstützen, die, im Juni von der Bundesregierung beschlossen, zunächst von Juli bis September lief und ab Oktober in eine zweite Phase gehen soll. Dafür stellte die Bundesregierung bisher insgesamt 24,6 Milliarden Euro zur Verfügung. Bis August wurden davon allerdings nur 248 Millionen Euro ausgezahlt, wie aus der Antwort auf eine Anfrage der Grünen im Bundestag hervorgeht. Grund dafür sind hohe Hürden bei der Beantragung. So muss sie über einen Steuerberater erfolgen, wodurch ein Missbrauch der Gelder ausgeschlossen werden soll. Das ist für viele Antragssteller aber mit hohen Kosten verbunden. Darüber hinaus kann die Überbrückungshilfe nur für laufende Kosten beantragt werden, also nicht für die Lebenshaltungskosten und ausbleibendes Einkommen. Die Gewerkschaft Verdi bezeichnete die Hilfen für Soloselbständige als »weder angemessen noch gesamtgesellschaftlich solidarisch« und verwies darauf, dass die meisten Betroffen durch das Raster der Hilfen fielen; ihnen bleibe nur ein ­Antrag auf Arbeitslosengeld II, umgangssprachlich Hartz IV genannt.

Um diejenigen zu unterstützen, die die Hilfen des Bundes nicht erreichen, gründete sich die Initiative »Hand for a Hand«. Sie sammelt Spenden für einen privaten Solidaritätsfonds, aus dem monatlich Geld an bedürftige freie Beschäftigte aus dem Kultur- und Veranstaltungsbereich ausgezahlt wird. Etwa 360 000 Euro Spenden wurden bisher auf diese Weise gesammelt – eine Summe, die nicht annähernd ausreicht, wie Dorian Steinhoff von »Hand for a Hand« erläutert. Dennoch habe die Unterstützung, die maximal 1 000 Euro pro Antragsteller betragen kann, hohen symbolischen Wert. »Wir wollen den Menschen, die unverschuldet in Not geraten sind, zeigen, dass sie nicht vergessen wurden«, sagt Steinhoff der Jungle World. Er fordert zudem einen erleichterten Zugang zur Überbrückungshilfe, deren Beantragung nicht an die Inanspruchnahme eines Steuerberaters oder einer Steuerberaterin gebunden sein dürfe: »Das ist aus meiner Sicht eine hochgradig diskriminierende Hürde.«