Small Talk mit Jürgen Schulte von »Hufeisern gegen Rechts« zur rechtsextremen Anschlagsserie in Berlin-­Neukölln

»Dass die Polizei sich selbst überprüft, ist schwierig«

Small Talk Von Maëlle Nausner

In Berlin-Neukölln kommt es immer wieder zu rechtsextremen ­Anschlägen und Brandstiftungen. Die Ermittlungen der Polizei blieben bislang ergebnislos. Mehrere Polizisten werden zudem verdächtigt, selbst in rechtsextreme Netzwerke eingebunden zu sein. Bewohner der Neuköllner Hufeisensiedlung, die sich in der Initia­tive »Hufeisern gegen Rechts« zusammengeschlossen haben, fordern einen parlamentarischen Untersuchungsausschuss. Verdächtige Personen in den Ermittlungsbehörden sollen vom Dienst suspendiert werden. Jürgen Schulte von »Hufeisern gegen Rechts« hat mit der »Jungle World« gesprochen.

Welche Maßnahmen wären notwendig, damit Personen mit Nähe zu rechtsextremen Milieus gar nicht erst in den öffentlichen Dienst kommen?

Es wäre notwendig, dass bei der Einstellung eine intensivere Befragung durchgeführt wird, bei der auch rechtes und rassistisches Denken in den Blick genommen wird. Bisher wird nur auf Zeugnisse geschaut und körperliche Fitness überprüft. Die po­litische Komponente bleibt unberücksichtigt, das darf nicht sein. Auch in der Ausbildung muss die Geschichte von Antisemitismus und antimuslimischem Rassismus eine viel größere Rolle spielen. Im Grundgesetz ist Antirassismus als Konsens verankert. Da ist die Würde des Menschen festgeschrieben, was den Kern antirassistischen Denkens darstellt. Davon spürt man in der Gesellschaft teilweise wenig.

Wie könnte eine unabhängige Kontrollbehörde für die Polizei aussehen?

Die gibt es zum Teil schon. Das sind Personen außerhalb der Polizei, die dem Parlament verpflichtet sind, an die sich alle wenden können, und die auch die Befugnis haben, dort entsprechende Untersuchungen durchzuführen. Auch durch den Berliner ­Innensenat wurden verschiedene Kommissionen eingerichtet, die zur Aufgabe haben, die Ermittlungsvorgänge zu untersuchen. Das Problem in Berlin ist allerdings, dass diese Kommissionen selbst Bestandteil der Polizei sind. Dass die Polizei sich selbst überprüft, ist natürlich schwierig. Da werden viele Fehler verdeckt. Deshalb fordern wir einen parlamentarischen Untersuchungsausschuss, der gar nicht so sehr die Taten aufklären, sondern in erster Linie Schwächen, Fehler und Strukturen bei den Ermittlungen beleuchten soll. Ein parlamentarischer Untersuchungsausschuss hat das Recht, die Akten einzusehen, ­Zeugen zu vernehmen und sich ­einen größeren Überblick zu ­verschaffen.

Was kann man gesellschaftlich tun?

Da gibt es unterschiedlichste Auffassungen. Wir von der Hufeisensiedlung haben uns zu einer Initiative zusammengeschlossen, die sich bemüht, in diesem Nachbarschaftskomplex ein Diskussionsklima herzustellen, ein Klima von Toleranz und ge­genseitiger Akzeptanz. Wir versuchen, das mit Veranstaltungen zu demokratischer Kultur und zur Auseinandersetzung mit Antisemitismus und rechtsextremen Gruppierungen zu ermöglichen. Bei uns in der Nähe ist eine große Flüchtlingsunterkunft, auch dazu machen wir Veranstaltungen. Wenn jemand angegriffen wurde, ist es wichtig, dass der- oder diejenige merkt, er oder sie ist nicht allein. In solchen Momenten brauchen Leute Unterstützung.