Homestory #51

<p>In der Etage unter unseren Redaktionsräumen residiert ein Musikstudio, das mit großem Aufwand schallisoliert wurde, allerdings mit zweifelhaftem Erfolg.</p>

In der Etage unter unseren Redaktionsräumen residiert ein Musikstudio, das mit großem Aufwand schallisoliert wurde, allerdings mit zweifelhaftem Erfolg. Wenn die Bässe einsetzen, zittern im Layout die Kakteen und die Konzentration bei den Kollegen und Kol­leginnen ist dahin. Vor allem beim Schreiben und Redigieren stört das Wummern. Zurzeit allerdings macht uns das wenig aus. Das Studio könnte Grindcore, Thrash Metal und Noise Rock rund um die Uhr proben; weil die meisten Kollegen und Kolleginnen im Homeoffice sind, kriegen sie es gar nicht mit. Dafür wird man jetzt von seinen Mitbewohnern und Nachbarn beschallt. Ein Redakteur berichtet vom neuen Freund seiner Mitbewohnerin, der des Öfteren ziemlich laut Gitarre spielt und dazu singt. Neulich hat der Freund ihm zu Ehren spontan ein Lied angestimmt, in dem sehr häufig sein Name vorkam. Klingt doch vergleichsweise nett, oder? Im kleinen Privatbüro unserer neuen Kollegin soll es weniger freundlich zugegangen sein; dort gingen sich Handwerker und Vermieter »an die Gurgel«, der Mitbewohner musste dazwischengehen. Erst dann war wieder Ruhe und die Arbeit an der Zeitung konnte fortgesetzt werden. Ihre Kollegin versichert, bei ihr sei alles »Zen«. Morgens weckt sie die Müllabfuhr, tagsüber wird sie von Hupkonzerten ­unterhalten und nachts vermitteln die glühweinbetankten Altjugendlichen von Nordneukölln ein bisschen Großstadtgefühl. Auch die Layouterin leidet im Homeoffice nicht unter Einsamkeitsgefühlen. Als Mieterin im Erdgeschoss ist sie so etwas wie die ­in­offizielle Paketstelle des Hauses und unfreiwillig Teil der Infrastruktur großer Onlineversandhändler. Würde Amazon ohne Erd­geschosswohnungen überhaupt funktionieren? Das fragt sie sich häufig. Aber dann klingelt es schon wieder, und man will ja nicht so sein und gibt dem Nachbarn von oben das eine und der Frau von nebenan das andere Paket.

Richtig hart traf es unseren Lektor, der einen sehr lauten Typen samt Deutschem Schäferhund zum Nachbarn bekommen hat. Da es Differenzen über Lautstärke und Uhrzeit dessen wiederkehrender Brüllattacken gab, musste der Kollege eine Schallschutzwand im Wohnzimmer errichten – die Wohnungstür soll während des weihnachtlichen lockdown mit Schallschutzfolie verstärkt werden.