Wie »Querdenker« Silvester feierten

Silvesternacht mal quergedacht

Trotz Demonstrationsverboten gingen rund um die Silvestertage Hunderte Pandemieleugner auf die Straße, um gegen »Zwangsimpfung« und Coronamaßnahmen zu protestieren. Im sächsischen Pandemiehotspot Görlitz kam es zu Randale.

Eigentlich wollte die Initiative »Querdenken« mit einer weiteren Großdemonstration in Berlin in das neue Jahr starten. Doch mit der Coronaverordnung, die Mitte Dezember in der Hauptstadt in Kraft trat, wurden sämtliche Versammlungen an Silvester und Neujahr verboten. Auch beim Ersatztermin am 30. Dezember kam Berlin den Pandemieleugnern in die Quere. Die Versammlungsbehörde untersagte die geplante Versammlung, weil diese in der aktuellen Pandemiesituation die öffentliche Sicherheit und Ordnung unmittelbar gefährde.

Andernorts aber gingen sogenannte Querdenker in der Silvesternacht in Deutschland auf die Straße. In Stuttgart richtete sich der Protest mehrerer Hundert Personen gegen eine angeblich drohende »Zwangsimpfung«. Die Versammlungsbehörde löste mehrere ­Demonstrationen in der Stadt auf, weil Teilnehmende weder eine Mund-Nasen-Bedeckung trugen, noch den Mindestabstand beachteten. In einem Livestream diskutierten Anwesende die Frage, ob »die Frau vom Ordnungsamt nicht genügend männliche Zuneigung erfahren« habe.

Eine weitere Versammlung von Gegnern der Maßnahmen zum Infektionsschutz gab es am Sonntag in Nürnberg, obwohl die Stadt das zuvor verboten hatte. Geplant war eine Demonstration von »Querdenken« mit etwa 8 000 Personen. Stattdessen waren es mehrere Hundert Menschen, die sich »spontan« in der Innenstadt versammelten. Während die Polizei in einer Pressemitteilung anschließend zu dem Ergebnis kam, dass sich ein Großteil der Anwesenden nach mehreren Aufforderungen an Masken- und Abstandsregeln gehalten habe, sahen viele Beobachter das anders. Das linke Journalistenkollektiv »Communiqué« beispielsweise schrieb am Abend, dass die Coronaregeln nicht durchgesetzt würden: »Schwurbler machen, was sie wollen.« Sogar der Fußball-Zweitligist 1. FC Nürnberg meldete sich auf Twitter zu Wort: »Wir verurteilen kopfschüttelnd, was Leugner in der Innenstadt veranstalten – wirtschaftsschädigend, respektlos, menschenverachtend.«

Ähnlich waren die Reaktionen auf eine Veranstaltung in Berlin am Tag zuvor ausgefallen. Dort hatten am Samstag mehrere Dutzend Menschen auf dem Alexanderplatz eine Polonaise getanzt und dabei »Ein bisschen Sars muss sein« nach der Melodie des Schlagers »Ein bisschen Spaß muss sein« von Roberto Blanco gesungen. Allein am Wochenende meldete Berlin 28 Todesfälle im Zusammenhang mit dem Virus – eine Zahl, die erfahrungsgemäß die Partystimmung der »Querdenker« kaum trüben dürfte.

Nicht nur auf der Straße, auch online wurden Gegner der Infektionsschutzmaßnahmen aktiv. In einem Telegram-Kanal ruft eine angebliche Vereinigung von Selbständigen Gewerbetreibende dazu auf, ab dem 11. Januar ihre Geschäfte wieder zu öffnen. Dies soll unabhängig davon geschehen, ob die geltenden Geschäftsschließungen über den 10. Januar hinaus verlängert werden. Der Aufruf wurde unter anderem im offiziellen Telegram-Kanal von »Querdenken« geteilt. Organisationen wie die »Seebrücke« kaperten jedoch schnell den dazugehörige Hashtag »Wir machen auf« und nutzten diesen, um offene Grenzen für geflüchtete Menschen zu fordern.

Neben »Querdenkern« und anderen Pandemieleugnern sorgten in der Weihnachts- und Silvesterzeit auch Menschen für Unmut, die vermutlich nicht an Verschwörungen glauben, aber leichtfertig handelten. Beispielsweise im Harz, in Winterberg, in der ­Eifel und im Erzgebirge tummelten sich Tagestouristen, die Ablenkung im Schnee und am Skihang suchten. Die betroffenen Städte reagierten teilweise mit Betretungsverboten. Im sächsischen Oberwiesenthal leitete die Polizei allein am zweiten Weihnachtsfeiertag mehr als 50 Verfahren wegen Ordnungswidrigkeiten ein. In Sachsen sind Sport und Bewegung nur im Umkreis von 15 Kilometern des Wohnbereichs erlaubt.

Noch mehr Probleme bereitete den sächsischen Polizisten die Silvesternacht in Bautzen, wo die Sieben-Tage-Inzidenz bei rund 400 und damit etwa dem Zweieinhalbfachen des Bundesdurchschnitts liegt. Behördenangaben zufolge trafen sich etwa 100 Personen auf der Friedensbrücke. Kurz nach Mitternacht sollen einige Feiernde die Beamten erst mit Feuerwerk ­angegriffen und dann mit Fäusten geschlagen haben. Der Polizei zufolge musste daraufhin ein Beamter den Dienst beenden. In Görlitz – ebenfalls ein sächsischer Pandemiehotspot – kam es zu Randale. Unbekannte beschädigten in der Silvesternacht mindestens elf Schaufensterscheiben und das Dach einer Einkaufspassage. Der Sachschaden beträgt der Polizei zufolge mindestens 75 000 Euro.