Die Kryptowährung Bitcoin hält nicht, was sie verspricht

Rasante Fahrt im ­virtuellen SUV

Von Enno Park

Zu Beginn des Jahres kostete eine Einheit Bitcoin erstmals mehr als 30 000 US-Dollar. Doch stabil ist die Wertstei­gerung der Kryptowährung nicht, ihr Nutzen ist fraglich.

Aus der Sicht von Software-Entwicklern waren Kryptowährungen, von denen Bitcoin die verbreitetste Variante darstellt, eine ungemein faszinierende Idee. Es schien möglich zu sein, ein digitales Zahlungsmittel zu schaffen, das fälschungssicher ist und ohne staatliche Kontrolle sowie ohne Konten bei Banken auskommt. Die zugrundeliegende Blockchaintechnologie bietet eine Art öffentliche Buchhaltung, die mit komplexen Verschlüsselungsmethoden abgesichert ist und von der viele Kopien an verschiedenen Orten existieren. Wann immer ein Betrag in Bitcoin von einer Person an eine andere übertragen wird, wird dies in einen neuen Block der Blockchain geschrieben.

Alle können jederzeit alle Transaktionen nachverfolgen und damit feststellen, unter welcher Bitcoin-Adresse wie viele Transaktionen getätigt wurden, ohne dass die Echtnamen der Handelnden sichtbar sind (sogenannte Pseudonymität). Versuche, Bitcoin zu fälschen, fliegen so im Handumdrehen auf. Diejenigen, deren Computer die Transaktionen in der Blockchain protokollieren, sogenannte Miner, werden mit einer Gebühr dafür belohnt und produzieren nebenher neue Bitcoin. Theoretisch ist Bitcoin das Bargeld des Internet, das sich jederzeit pseudonym ans andere Ende der Welt übertragen lässt; dabei entsprechen die Vorkehrungen zum Verbergen der Identität der Handelnden denen im Internet üblichen und halten professionellen Ermittlungsmethoden nur sehr bedingt stand. Dennoch finden viele Menschen die Kryptowährung überzeugend oder als Spekulationsobjekt vielversprechend, so dass der Kurs Anfang Januar kurzzeitig auf über 30 000 US-Dollar pro Bitcoineinheit stieg.

Dabei wird leicht übersehen, dass der Bitcoin kaum eines seiner Versprechen wirklich einlösen konnte und deutliche Nachteile gegenüber herkömmlichen Zahlungssystemen aufweist. Es ist Glücks­sache, ob eine Transaktion etliche Minuten oder viele Stunden dauert. Das schaffen die Zahlungssysteme von Kreditkartenanbietern oder Paypal in Bruchteilen von Sekunden und sie verlangen erheblich niedrigere Gebühren. Außerdem schwankt der Bitcoin-Kurs stark. Das möchte man bei anderen weltweit verbreiteten Währungen vermeiden, da solche Schwankungen in einer global vernetzten Wirtschaft für Risiken sorgen. Aus diesem Grund gibt es Zentralbanken, die mit ihrer Geldpolitik den Kurs der jeweiligen Währung ­relativ stabil halten, doch sind solche Zentralinstanzen beim Bitcoin eben nicht erwünscht. Es ist aber ein Mythos, dass Bitcoin nicht zentral kontrolliert werden kann. Eine Person kann die Mehrzahl aller die Blockchain protokollierenden Computer unter seine Kont­rolle bringen. Dann gilt für das ganze System, was diese Person in die Blockchain schreibt. Das nennt sich 51-Prozent-Attacke und ist bereits vorgekommen.

Die Wallet, eine Art virtuelle Geldbörse, hat eine feststehende Nummer. Theoretisch lässt sich zwar in gewissem Maß geheim halten, wem welche Wallets gehören, praktisch wird dies spätestens an den Börsen sichtbar, wenn Bitcoin in andere Währungen gewechselt wird. Wer wirklich unerkannt bleiben will, muss auch im Zahlungsverkehr ständig auf der Hut sein, dass Muster in den Transaktionen ihn nicht verraten.

Auch als Geldanlage taugt Bitcoin nur sehr bedingt: Wenn die Kurse sinken, bleibt von Gold immer noch der Materialwert und bei Aktien der Anteil an einem Unternehmensvermögen, wie sehr es auch schrumpfen mag. Anders bei Bitcoin: Verfällt der Kurs, bleiben nur ein paar wertlose Bytes in der Wallet. Wer mit Bitcoin Gewinn machen will, muss darauf vertrauen, immer jemanden zu finden, der einem mehr Geld gibt, als man selbst ausgegeben hat. Bei Geldanlagen nennt man so etwas üblicherweise Schneeballsystem.

Es spräche wenig dagegen, dass sich an Kryptographie interessierte Hacker und Finanzbastler damit austoben, wäre da nicht der immense Energieverbrauch. Zum »Schürfen« neuer Bitcoin müssen die Miner ihre Computer sehr komplexe Rechenaufgaben lösen lassen, was Unmengen an Energie verbraucht. 2020 waren das 77 Tera­wattstunden, in einer Länderliste eingeordnet läge Bitcoin beim Stromverbrauch zwischen Chile und Belgien. Selbst wenn der Strom für das Mining aus regenerativen Quellen stammte, was bislang nur zu geringen Teilen der Fall ist, würden die Kapazitäten solcher Energiequellen anderweitig dringend benötigt, um Kohle, Öl und Gas zu ersetzen. Bitcoin-Nutzer tragen also zur Erderwärmung bei und sind damit so etwas wie die SUV-Fahrer der IT-Welt.