Eine Währungsreform soll der kubanischen Wirtschaft auf die Beine helfen

Flucht nach vorn

Die Covid-19-Pandemie wirkt sich verheerend auf die Wirtschaft Kubas aus, auch weil sie zu einem Einbruch bei den Tourismuseinnahmen geführt hat. Hinzu kommen die verschärften US-Sanktionen. Nun soll eine Währungsreform Abhilfe schaffen.

Seit dem 1. Januar herrscht in Kuba ein neues Währungssystem. Der seit 1994 zirkulierende Peso convertible (CUC), der zwar an den Wert des Dollars gekoppelt, aber nie konvertierbar war, gehört der Geschichte an; der Peso cubano (CUP, auch Peso nacional genannt) ist wieder die einzige Landeswährung. Übergangsweise, vorerst noch ein halbes Jahr, wird er in den staatlichen Wechselstuben noch getauscht, dann soll der CUC verschwunden sein.

Für den kubanischen Sozialwissenschaftler Pavel Vidal ist das eine historische Entscheidung: »Die Währungs­reform bietet das Beste, was unter den derzeitigen Bedingungen Kubas möglich war – sie setzt auf Regulierung mit einer hohen Abwertungsquote. Kaum jemand hätte es für möglich gehalten, dass im Verhältnis 1:24 abgewertet werden würde.« Dies sei ein »regulierter Big Bang« und für die staatlichen Betriebe ein Schock. Diese wirtschafteten über mehr als zwei Jahrzehnte mit einem Wechselkurs von 1:1 zum US-Dollar, während für die Bevölkerung ein Kurs von 1:24 galt. Dadurch wurden Importe künstlich verbilligt, die tatsäch­lichen Produktionskosten blieben verborgen. Dies führte unter anderem zu einer stetigen Abnahme der Exporte in den vergangenen Jahren; jetzt gilt für alle ein offizieller Wechselkurs von einem Dollar für 24 Pesos, was Produktion und Ausfuhren ankurbeln soll.

Die Fixierung von zulässigen Höchstpreisen für viele Produkte soll die erwartete Inflation dämpfen, aber das hat in der Vergangenheit nur partiell funktioniert.

Vidal nennt das einen »Schock unter administrativer Kontrolle. Die Architekten der Reform versuchen, mit Höchstpreisen einen Deckel auf die Inflation zu setzen, und wollen parallel dazu die staatlichen Unternehmen für ein Jahr aus einem staatlichen Fonds stützen.« Dann sollen sich die Betriebe an die neuen Verhältnisse angepasst haben, so Marino Murillo, der als Planer der Währungsreform gilt und sich nicht scheut, öffentlich auf die immensen staatlichen Subventionen aufmerksam zu machen – zuletzt auf jene im Energiesektor.

Doch wird die Währungsreform ausreichen? Die festgesetzten Höchstpreise für viele Produkte sollen die erwartete Inflation dämpfen, aber das hat in der Vergangenheit nur partiell funktioniert. Ein sinkendes Angebot auf dem regulären Markt und die Umleitung der Waren auf den Schwarzmarkt könnten die Folge sein; darauf deuten bereits die Wechselkurse hin, die dort unter der Hand angeboten werden. Zwischen 31 und 60 Peso nacional werden für einen US-Dollar verlangt und auch bezahlt. Der Durchschnittskurs liegt bei 40 Peso nacional pro US-Dollar.

Für kubanische Sozialwissenschaftler wie Pavel Vidal, Omar Everleny Pérez oder Ricardo Torres ist das keine große Überraschung. Alle drei hatten in den vergangenen Wochen dazu geraten, die Währungsumstellung mit Wirtschaftsreformen zu begleiten. Solche Reformen wurden bereits Mitte Juli 2020 von Wirtschaftsminister Alejandro Gil angekündigt, doch bis auf einige beschränkte Maßnahmen wie die Legalisierung direkter Ex- und Importe von Kleinbauern und Genossenschaften ist wenig passiert.

Das könnte sich rächen. Das Grundproblem ist, dass dem Peso nacional kein ausreichendes Warenangebot entspricht. Kubas Binnenwirtschaft bringt zu wenig Produkte auf den Markt, weil die Infrastruktur veraltet ist. Der kubanische Staat hat zu wenig investiert und die Hürden für den kleinen Privat- und Genossenschaftssektor nur halbherzig abgebaut, so dass deren Poten­tial weitgehend ungenutzt blieb.

Kuba hat im digitalen Sektor, bei der Programmierung von Websites und Software oder der Einrichtung von Online-Marktplätzen durchaus Potential. Doch die erhoffte Legalisierung selbständiger Tätigkeit in weiteren Berufe wurde bisher genauso wenig angekündigt wie neue Regelungen für kleine und mittlere Unternehmen sowie Genossenschaften. Das könnte neue ökonomische Dynamik bringen, da sind sich Vidal, Torres und Everleny Pérez einig.

Aber die Vorbehalte der politischen Führung sind groß. Sie assoziiert mit solchen Reformen einen Kontrollverlust, obwohl es in der derzeitigen finanziellen Situation kaum eine Alternative gibt. Im Gegensatz zu den meisten anderen Länder kann Kuba nicht auf Kredite des Internationalen Währungsfonds (IWF) oder internationaler Banken hoffen. »Kuba ist auf sich gestellt, muss eigene Potentiale wecken. Das geht vor allem über Reformen, die neue Freiräume für ökonomische Akteure bringen«, rät Pavel Vidal, der die rigide Sanktionspolitik der USA als weiteren negativen Faktor anführt.

Bei den klassischen Devisenbringern, dem Tourismus sowie dem Export von Agrarprodukten und me­dizinischen Dienstleistungen, gab es Einbrüche. ­Hinzu kommt das Vorgehen der US-Regierung gegen Banken, die sich am Geschäft mit dem Transfer von US-Dollars nach Kuba beteiligen. Erst traf es Fincimex und Western Union, seit Jahresbeginn steht auch der Banco Financiero Internacional auf der Cuba Restricted List des US-Außenministeriums.

Auf dieser Sanktionsliste finden sich neben kubanischen Regierungsstellen auch die Unternehmen der kubanischen Streitkräfte (FAR). Diese kontrollieren über ihren Finanzdienstleister Finci­mex die Geldsendungen aus dem Ausland. Fincimex und dessen Partner Western Union stehen seit November auf der Liste, weshalb seit dem 23. November sämtliche 435 Büros von Western Union auf der Insel geschlossen sind. »Täglich wurden 2,4 Millionen US-Dollar über das Western-Union-Netzwerk nach Kuba transferiert«, sagte Omar Ever­leny Pérez. »Das Geld sucht nun neue Kanäle«, so der 60jährige Ökonom aus Havanna.

Doch das ist mitten in der Covid-19-­Pandemie wegen des reduzierten Flugverkehrs gar nicht so einfach. Die Sanktionen, so Pavel Vidal, treffen vor allem die kubanische Bevölkerung, die auf die Überweisungen von Angehörigen aus dem Ausland angewiesen ist, um in einem von Versorgungsengpässen gebeutelten Land über die Runden zu kommen. Auch Vidal, der im kolumbianischen Cali lehrt, unterstützt seine Eltern in Havanna mit regelmäßigen Überweisungen.

Das Geld fließe »durch die Hände des kubanischen Militärs, das diese Mittel verwendet, um das kubanische Volk zu unterdrücken und Kubas Ein­mischung in Venezuela zu finanzieren«, begründete der US-amerikanische ­Außenminister Mike Pompeo die Sanktionen. Für die kubanische Regierung sind die Sanktionen hingegen Teil der Strangulierungsstrategie, die die USA unter Präsident Donald Trump gegenüber Kuba verfolgen. Unterstützung findet Trump bei konservativen Exilkubanern. Diese dominieren nach wie vor die exilkubanische community in Miami, sind politisch überaus aktiv und sehr einflussreich.

Doch nach der Amtsübernahme Joe Bidens, der im Bundesstaat Florida gegen Trump unterlag und den konservativen Exilkubanern nicht verpflichtet ist, könnte die Zeit der rigiden Sanktionspolitik enden. Das hofft nicht nur die kubanische Regierung, die Biden bereits ein Gesprächsangebot unterbreitet hat, sondern auch die internationale Geschäftswelt, die in Kuba investieren will.

Am 2. Mai 2019 hatte Trump die Suspendierung des dritten Kapitels des Helms-Burton Act aufgehoben, die seit Verabschiedung des Gesetzes 1996 halbjährig vom jeweiligen Präsidenten erneuert worden war. Damit wurden Gerichtsverfahren in den USA gegen Unternehmen ermöglicht, die Grundstücke oder Immobilien nutzen, die vor der Revolution US-Unternehmen oder ausgewanderten Kubanern mit US-Papieren gehörten. Davon gibt es eine ganze Reihe, auch weil sich die USA anders als Kanada oder Frankreich nicht auf die von der kubanischen ­Regierung zu Beginn der sechziger Jahre offerierten Ausgleichszahlungen für Verstaatlichungen eingelassen haben. In den USA sind kubanische Immobi­lien im Wert von derzeit rund 8,5 Milliarden US-Dollar registriert, auf die US-Unternehmen oder emigrierte Kubaner mit US-Staatsbürgerschaft Anspruch erheben. Einige Hundert Klagen sind in Übereinstimmung mit dem dritten Kapitel des Helms-Burton Act eingereicht worden, betroffen sind ­unter anderem Investoren aus Spanien wie die Hotelkonzerne Meliá und Iberostar.

Das dämpft das Investitionsinteresse, doch Investitionen sind unerlässlich, um mehr Produkte für den Binnenmarkt zu produzieren. Beobachten lässt sich das auch in Sonderwirtschafts­zone Mariel, Kubas wichtigstem Investitionsstandort. Dort sind die Investi­tionen in den vergangenen Jahren deutlich geringer ausgefallen als erwartet. Daher verabschiedete die Regierung am 9. Dezember ein neues Gesetz, dass de facto für Investitionen auf der Insel wirbt und ausländische Mehrheits­beteiligungen an Unternehmen wieder legalisiert. Für Everleny Pérez belegt das die prekäre finanzielle Situation der kubanischen Regierung: »Wir be­finden uns in der schlimmsten Krise seit Jahrzehnten. Die Pandemie und das US-Handelsembargo gemeinsam haben einen verheerenden Effekt.«

Mit der Währungsreform versucht die Regierung gegenzusteuern, doch dies allein wird die marode Inselwirtschaft nicht wieder in Schwung bringen. Deshalb ruhen die Hoffnungen auf weiteren Reformen und darauf, dass Joe Biden an die unter Barack Obama begonnene Politik der Entspannung anknüpft und die Sanktionen lockert.