Militär und Geheimdienst in Pakistan nutzen den jihadistischen Terror

Jihad made in Pakistan

Kommentar Von Bernd Beier

Eine Reihe von Selbstmordanschlägen erschüttert die Islamische Republik Pakistan. 

Die Welle der jihadistischen Attentate in Pakistan ebbt nicht ab. Am Dienstag versuchten in der Provinz Khyber Pakhtunkhwa in Nordpakistan drei Selbstmordattentäter vergeblich, auf das Gelände eines Gerichtshofs zu gelangen. Wachen töteten zwei der Angreifer, einem gelang es, seinen Sprengsatz zu zünden, fünf Personen wurden in den Tod gerissen. Zu dem Anschlag bekannte sich ein Sprecher der islamistischen Terrorgruppe Jamaat ul-Ahrar (JuA, Versammlung der Freien). Bereits in der vergangenen Woche hatten Jihadisten in Pakistan mindestens acht Terroranschläge mit insgesamt mehr als 100 Toten verübt, für die Mehrheit hatte die JuA verantwortlich gezeichnet. Der schwerste Angriff mit 88 Toten, zu dem sich der lokale Ableger des »Islamischen Staats« bekannte, fand an einem 800 Jahre alten Sufi-Schrein statt. Jihadisten betrachten die mystische Sufi-Strömung des Islam als häretisch. Im November vergangenen Jahres tötete ein Selbstmordattentäter des IS mindestens 53 Menschen am Shah-Noorani-Schrein in Kuzdar.
Kurz nach dem jüngsten mörderischen Anschlag auf einen Sufi-Schrein drohte der pakistanische Armeechef General Qamar Javed Bajwa, »jeder Tropfen des Blutes der Nation« werde gerächt, und zwar unmittelbar. Eine Stunde später kündigte das pakistanische Militär an, die Grenze zu Afghanistan werde geschlossen, tags darauf händigte es afghanischen Diplomaten eine Liste von 76 »Terroristen« aus, die sich angeblich in ihrem Land versteckten und die verhaftet und an Pakistan ausgeliefert werden sollten. Am Samstag sagten Militärsprecher, bei landesweiten Aktionen der Sicherheitskräfte gegen militante Gruppen seien mehr als 100 Verdächtige getötet und Dutzende verhaftet worden.
Medienberichten zufolge haben sich in jüngster Zeit einige mächtige Fraktionen der pakistanischen Taliban wieder zusammengeschlossen. Einige haben Verbindungen zum afghanisch-pakistanischen Zweig des IS, der aus einer Fraktion der pakistanischen Taliban entstand. Die meisten dieser Gruppen halten sich in Grenzgebieten zu Afghanistan auf. Nun beschuldigt Pakistan Afghanistan, sie zu tolerieren, und den Erzfeind Indien, sie zu finanzieren.
Das ist wenig plausibel. Politische Beobachter gehen davon aus, dass das pakistanische Militär jihadistische Gruppen nutzt, um seinen verdeckten Krieg in Afghanistan und Kaschmir zu führen, und aus der angespannten heimischen Sicherheitslage Vorteile zieht, um die Politik zu kontrollieren. Letztlich wolle es sein ausgedehntes ökonomisches Imperium aufrechterhalten und weiter ausbauen. Insbesondere der mächtige Militärgeheimdienst ISI hat zahlreiche Verbindungen zu jihadistischen Gruppen.
Die Auswirkungen dieser militärisch-islamistischen Allianz auf die pakistanische Gesellschaft sind beträchtlich. Im Januar »verschwanden« in Islamabad fünf Blogger, darunter der linksgerichtete Salman Haider, für fast drei Wochen. Sie wurden von Männern in Zivil in Pickups entführt, Menschenrechtler vermuteten, staatliche Dienste seien dafür verantwortlich. In der Zeit ihrer Abwesenheit, so schrieb der pakistanische Autor Mohammed Hanif in der New York Times, sei auf der Armee nahestehenden Facebook-Seiten behauptet worden, einige von ihnen hätten die Religion verunglimpft. Einer der bekanntesten pakistanischen Fernsehprediger habe ihnen und Journalisten, die sich für die »Verschwundenen« einsetzten, im Fernsehen vorgeworfen, sich der Blasphemie schuldig gemacht zu haben – ein oftmals tödlicher Vorwurf in Pakistan.