Die Regierungsbeteiligung fast ­aller Parteien in Italien ist ein Sieg der Rechten

Alles Notwendige

Kommentar Von Catrin Dingler

Die Bildung der italienischen Einheitsregierung unter Mario Draghi ist ein Triumph der Rechten.

Seit Ausbruch der Covid-19-Pandemie im vergangenen Frühjahr forderte in Italien die rechte Opposition mit Unterstützung aller großen Tageszeitungen im Namen des Gesundheitsnotstands die Bildung einer Einheitsregierung unter Führung Mario Draghis. Am Wochenende war es so weit. Nach mehreren Wochen der Regierungskrise hat der ehemalige Präsident der Europäischen Zentralbank die italienischen Regierungsgeschäfte übernommen.

Berühmt geworden für sein Versprechen während der Eurokrise 2012, alles Notwendige (»whatever it takes«) zu tun, um die Stabilität des Euro zu garantieren, soll Draghi nun im Amt des Minister­präsidenten alles Notwendige tun, damit die 209 Milliarden Euro, die Italien aus dem EU-Wiederaufbaufonds zur Bewältigung der ­Corona­krise erhalten soll, nach Maßgaben der EU-Kommission und der italienischen Unternehmen investiert und nicht als Sozialleistungen umverteilt werden, also nicht, wie der Focus schrieb, »in strukturelle Haushaltslöcher« fließen.

Den Kern der neuen Regierung – eine »Regierung der Umweltschützer«, wie Draghi sagte – bilden acht parteiunabhängige Expertinnen und Experten. An sie gingen die für die Aufteilung der Fördergelder relevanten Ressorts, das Wirtschaftsministerium und die beiden neu geschaffenen, Vorgaben der EU geschuldeten ­Ministerien für digitale Innovation und ökologischen Umbau.

15 weitere Kabinettsposten erhielten Vertreter der die Einheitsregierung unterstützenden Parteien. Ein Triumph ist der Regierungswechsel dennoch allein für die Rechten. Nicht nur die Lega, sondern auch die eigentlich schon fast zur Splitterpartei geschrumpfte Forza Italia kehren in die Regierung zurück und besetzen jeweils drei Ministerien.

Auf Druck der norditalienischen Unternehmerschaft und wegen der veränderten transatlantischen Ausgangslage haben sich die Kräfteverhältnisse in der Rechten allerdings verschoben. Der Lega-Vorsitzende Matteo Salvini musste seine EU-kritischen Töne mäßigen und die Entsendung moderater Konservativer und klassischer Wirtschaftsliberaler in Draghis Kabinett akzeptieren. Die Verbindung zur rechtspopulistischen und neofaschistischen Anhängerschaft wird bis auf Weiteres Giorgia Meloni überlassen, die seit 2014 den Fratelli d’Italia (Brüder Italiens) vorsitzt. Von den im Abgeordnetenhaus vertretenen Parteien kündigte nur die rechtsex­treme Fraktion klare Opposition an.

Auch die bisherigen Koalitionspartner bleiben an der Regierung beteiligt. Beim PD stand die bedingungslose Bereitschaft zur Koa­lition mit den Rechten nie in Frage, für parteiinternen Unmut sorgte nur, dass alle drei an den PD vergebenen Ministerien an Männer fallen. Der M5S steht hingegen vor einer Zerreißprobe. Zwar stimmte eine Mehrheit der Mitglieder bei einer Online-Befragung für eine Regierungsbeteiligung, doch war für diese mit dem Versprechen geworben worden, es werde ein vom M5S geführtes Umweltministerium geben. Tatsächlich wurde das Amt jedoch mit dem parteilosen Physiker Roberto Cingolani besetzt, dem keine besondere Nähe zum M5S nachgesagt werden kann.

Bereits gespalten ist die kleine Fraktion der linken Liberi e Uguali (LeU, Freie und Gleiche), deren bisheriger Regierungsvertreter, ­Roberto Speranza, das Amt des Gesundheitsministers behielt. Ein Teil der Fraktion will der Regierung Draghi das Vertrauen aussprechen, ein anderer dies verweigern; gemeinsam hingegen soll mit den linksliberalen Kräften aus M5S und PD an einer politischen Alternative zur Einheitsregierung gearbeitet werden. Hierzu müsste, ausgehend von den gesundheitlichen und wirtschaftlichen Problemen in der Pandemie, die gesellschaftliche Linke mobi­lisiert werden, die bisher in der politischen Krise kaum in Erscheinung trat.