Schumacher loben oder Schnauze halten!

Die Strafe ist zu hoch: Hochbestallte Nadelstreifenhalunken demontieren den besten Rennfahrer der Welt.

Die Welt stürzt in ein gewaltiges Durcheinander. Am Montag vergangener Woche erreichten mich per Post die neuesten Angebote der "Racing Tours Marl"; auf griffestem Papier offerierte das Halsabschneiderunternehmen "Formel 1 pur im Posterfromat" für 55 Mark (Fotokalender von Ferdi und Bodo Kärling, 50 mal 52 cm) und den 150 Seiten starken Bildband "Schumi" von abermals Ferdi Kärling ("einer der renommiertesten Motorsport-Fotografen Deutschlands") "mit faszinierenden Bildern" über den "Werdegang, sportliche Erfolge und Persönlichkeit des Kerpeners, losgelöst von kurzlebiger Tagesaktualität". Nur wenige Minuten verstrichen, und der vor Monaten beauftragte Karlsruher Software-Spezialist rief an: "Die Abholung deines neuen Formel-1-Computers" verzögere sich "leider, leider" erneut um ein oder zwei Wochen; die "interaktive CD-Rom über den Schumacher" bräuchte ich mir somit "frühestens Ende November", wie er feixte, "zulegen". "Das aktuelle Zeug" sei morgen "eh obsolet, wart's ab!"

Er muß was geahnt haben. 24 Stunden später stand das Urteil fest. Schumachers "ganze Laufbahn" (59 Mark, nur gegen Vorkasse) hatte einen Stoßdämpfer erlitten, war auf einer heimtückischen Ölspur des Scheiterns ins Schlingern geraten und vom Kurs der Teleologie des Erfolgs abgewichen. So hätte es wenigstens der Heros der deutschen Sportpublizistik, mein Lieblingstor Helmut HA Schult Böttiger, ausgedrückt. Mir war die Lust vergangen. Trist lag das Erdenrund.

"Schumi tief gedemütigt", titelte Bild am 12. November, Michaela gewährte Beistand: "Einfach gestrichen, als wäre nichts gewesen, die ham'ne Hammermeise!" FIA-Präsident Max Mosley, ein windiger Nischenadvokat, verwickelte sich in "würgende Exegesen". Schumachers Titel eines immerhin und nicht zu unterschätzenden "Vize-Weltmeisters" war gelöscht worden. Per Tastendruck und FIA-Richterspruch. Welche "Legitimation" (Jürgen Habermas) besitzt der "Weltrat" eigentlich, jene Clique selbstherrlicher Funktionärsandroiden, die das kriminelle Boxenausfahrts-Manöver des neuen "Weltmeisters" Jacques "The Hair" Villeneuve in Suzuka mit einem gerissenen Grinsen zu den Akten legte?

"Wir hatten zu entscheiden", so die Pappmachénase Mosley um elf Uhr zwei vor der Weltpresse im Londoner Motorsports House, "ob Schumacher mit Absicht gehandelt hatte, und fanden, daß dies so war. Aber er tat es nicht mit Vorbedacht. Er handelte instinktiv." Deshalb keine Sperre, sondern aufs mentale Zentrum des "besten Rennfahrers der Welt" (Bild, Michaela und ich) zielende Volldemontage; dergestalt versuchen hochbestallte Nadelstreifenhalunken sinnwidrige Konkurrenzverhältnisse herzustellen, um zu verhindern, daß Schumacher im rotglühenden Cockpit dem neuen Tag souverän entgegenbrummt. Es war das letzte Gefecht nicht.

Der unbestechliche Hans Struck sprach vom "Schwachsinn des Jahres" (Bild, 12. 11.): "Sie haben Schumi zum Opfer der weltweiten Empörung gemacht, indem sie seinen Namen einfach aus der WM-Wertung gestrichen haben. Das trifft seine Ehre - und widerspricht jedem Gerechtigkeitsgefühl." Während Rentner Gerhard Berger in bewährter Trantütigkeit "keine schlechte Lösung" ausmachte und der IOC-Schnauzbart Thomas Bach begrüßte, "wenn Unsportlichkeit auch in einem Unternehmen wie der Formel 1 bestraft wird", stand andernorts das Gewissen Kopf und schwoll der Kragen, der Kamm meinethalben. "Dieses Urteil kommt einem Todesurteil nahe", tobte Marco Derksen, "wo bleibt da die Gerechtigkeit?" "Michael kann fahren, wie er will, die Herren Mosley und Ecclestone werden immer etwas finden", ergänzte Detlef Matte und ahnte wohl schon, daß Ecclestone gegenüber der Zeitschrift auto, motor, sport (13. 11.) seinen herabwürdigenden "Altmännerkäse" (Michaela) wiederholen würde: "Er", Schumacher, "hat sich dumm angestellt. (Ö) Meine Tochter findet den Kanadier super und Schmacher langweilig." Jesusmaria, schafft den Mann ins Marienhospital!

Irr redete nach dem "Irrsinns-Urteil" (Bild, 12. 11.) auch wider einmal und wie keineswegs anders erwartet der Gummischlappen D. Hill ("Es fällt mir schwer, die Strafe ernst zu nehmen"), und ein namentlich omenmäßig vollbreiter Herr Emmanuel Hamel, Mitglied des französischen Senats, "stellte eine offizielle Anfrage an seinen Außenminister Hubert Viédrine: "Hat man in Frankreich über diesen Zwischenfall nachgedacht, und wird man sich bei zukünftigen Verhandlungen mit der deutschen Regierung daran erinnern?" (Bild, 14. 11.)

Sie sind verrückt geworden. Nein, hier geht es verworren und dunkelmachtvoll zu: Williams und McLaren erhalten Freifahrtscheine trotz Rennmanipulationen, England - "besonders gemein" (Bild, 13.11.) - quarkt sich um den Restverstand, DSF-Text (14.11.) dokumentiert abgründige "Kommentare voller Zynismus" und Dynamitdemenz. "Die einzige Religion der Formel 1 ist das Business", versachlichte einzig und allein Gazzetto dello Sport (13.11.). Und nun Jungle World.

Gewiß, es ist ein Skandal, und Skandale kennt unsere so falsch wie nur möglich eingerichtete Welt zahlreiche, ja zahllose. Das gut geschmierte Gedächtnis der Ferraristi aller Länder, diese Internationale des guten Geschmacks, wird nicht vergessen. Und selbst der fassungslose Ex-Fiat-Präsident Gianni Agnelli, der Schumacher laut Sport-Bild (12. 11.) einen "Dickkopf" scholt, darf sich auf sauber gefahrene Konter freuen: Im Dezember soll des Wahlschweizers neuer Wagen fertig sein, am 8. März 1998 startet die Saison.

Bis dahin heißt es: Schnauze halten, ab sofort!

Und künftig vor Staunen das Maul gar nicht mehr zukriegen, hehe.