Wehrpflicht illegal?

Schweißfüße der Reserve

Haben Sie gedient? Glaubt man der Kreuzberger Spaßguerillatruppe KPD/RZ, lautet für die meisten Kreuzberger Jugendlichen die Antwort auf diese Frage schon jetzt "Bedaure". Was für Kreuzberg gut ist, kann für Deutschland nicht schlecht sein, müssen sich auch die Richter am Potsdamer Landgericht gedacht haben. Die Wehrpflicht, so entschieden sie in einem Prozeß gegen einen Totalverweigerer, verstoße gegen das Grundgesetz. Angesichts der "veränderten militärischen und geopolitischen Lage" stelle der Zwangsdienst einen "nicht mehr verhältnismäßigen Grundrechtseingriff" dar. Jetzt soll das Bundesverfassungsgericht prüfen, ob die allgemeine Wehrpflicht mit dem Grundgesetz vereinbar ist.

Die Entscheidung ist bombenaktuell: Wehrpflichtige Weicheier, denen beim ersten Granateinschlag die Hosen feucht werden, kann man in Zeiten des Ernstfalls allemal als Latrinenputzer gebrauchen. Um den Serben zu zeigen, wo der Scharping den Amselfelder holt, braucht es vielmehr echte Ledernacken. Krieg ist wieder "in" - doch der Trend geht weg von Wehrpflicht und Schützengraben. Waffentechnisch minderqualifizierte Körper, die sich im Schlamm suhlen, dürften auch im Unterstand auf der Hardthöhe als dysfunktional gelten. En vogue sind dagegen Krisenreaktionskräfte mit schicken Accessoires für die hochtechnologische Kriegsführung.

Selbst dem Laien erschließt sich die notwendige Modernisierung auf den ersten Blick. Seitdem der Russe höchstens noch wegen seines Alkohol-Konsums eine Bedrohung für den Weltfrieden darstellt, sind nicht mehr Massenaufmärsche, sondern flexible Stoßtrupps gefragt: Die Homepage der Bundeswehr weiß: "Deutschlands Sicherheit ist auf absehbare Zeit nicht bedroht." Statt dessen warten über 40 Krisenzonen auf eine humanitäre Visite von Scharpings scharfen Schützen. "In Gebieten, in denen es heute noch friedlich ist, können schon morgen Risiken auch für unser Land entstehen." Und wenn es um unser Land geht, will man sich nicht auf die lebenden Sandsäcke von der Oder-Front verlassen, die höchstens als Statisten in Kreuzigungs-Videos zu gebrauchen sind.

So überflüssig die Wehrpflicht also für das militärische Handwerk ist, so notwendig ist sie zur Einschwörung des vom Krieg entwöhnten und ferngehaltenen Pöbels auf das nächste Gefecht. Weil man in Deutschland an der Heimatfront nicht nur Ruhe, sondern Hurrageschrei erwartet, muß sich wenigstens der Onkel mal beim Manöver Schweißfüße geholt haben. Im Blitzkrieg gegen den Intellekt, den die Marketing-Offiziere des Heeres seit Jahren führen, heißt das Verteidigungskultur oder Mitverantwortung für den Schutz von Freiheit und Recht, oder anders gesagt: Wir haben die Demokratie von unseren Enkeln nur geliehen und keine zweite im Leopard II-Kofferraum.

Weil dem so ist, muß man mit einem Dolchstoß aus Karlsruhe für die vaterlandslosen Gesellen in Potsdam rechnen. Rupert Scholz von der CDU, der sein Gehirn im Spind vergessen haben muß, hat bereits klargestellt: "Eine Verfassungsnorm, auf der das Wehrpflichtgesetz beruht, kann nicht verfassungswidrig sein." Damit auch morgen Schütze Arsch noch dabei ist, wenn es wieder heißt: Ruhe im Glied!