Der andere Terror

Angst vor Anschlägen von gaston valdivia

War vielleicht Homburg an der Saar gemeint und gar nicht Hamburg? Viel wurde spekuliert über die Terrorwarnung des US-amerikanischen Geheimdienstes CIA, die den Hamburger Innensenator Dirk Nockemann von der Partei Rechtsstaatliche Offensive veranlasst hatte, ein Bundeswehrkrankenhaus im Stadtteil Wandsbek abzuriegeln. Angeblich sollte ein mit Sprengstoff beladener Lastwagen, gesteuert von zwei Mitgliedern der islamistischen Terrorgruppe Ansar-al-Islam, vor dem Krankenhaus zur Explosion gebracht werden.

Über Nockemanns Vorgehen wurde heftig gestritten. Bundesinnenminister Otto Schily (SPD) kritisierte den Einsatz als überzogen und kontraproduktiv. Die Fahndung nach den Terroristen sei erschwert, wenn nicht gar vereitelt worden. Die SPD und die Grünen in Hamburg kritisierten, dass es sich wohl um eine gezielte Wahlkampfmaßnahme Nockemanns gehandelt habe. Selbst der frühere Innensenator Ronald Schill kritisierte seinen ehemaligen Parteifreund heftig.

Wie real die Gefahr eines Terroranschlags speziell in Deutschland ist, lässt sich nicht realistisch einschätzen. Am allerwenigsten aber sollte man Innenministern und Geheimdienstlern trauen. Man kann getrost davon ausgehen, dass sie Informationen aus politischem Interesse lancieren und dass der Wahrheitsgehalt ihrer Hinweise alles andere als gesichert ist. Dass bei der Hamburger Polizeiaktion Wahlkampfmotive mit im Spiel waren, ist anzunehmen.

Auch wenn sich Schily in diesem Fall moderat gibt, drängt sich der Eindruck auf, dass die ständigen Warnungen vor möglichen Anschlägen in Deutschland und entsprechende Einsätze und Dauerabsperrungen die Bevölkerung in eine Art permanente Hysterie versetzen sollen, damit die Akzeptanz verschärfter Überwachungsmaßnahmen und der Einschränkung demokratischer Grundrechte steigt. Im Grunde geht es um die Aufrechterhaltung und Schaffung von Feindbildern.

Während deutsche Beamte Familien und Minderjährige in den realen Terror ihrer Herkunftsländer abschieben lassen, werden jährlich Tausende Kinder hierzulande durch ihre »lieben« Eltern, nahe oder ferne Verwandte sexueller Gewalt ausgesetzt. Viele Frauen fordern Schutz vor allem vor ihren christlich und westlich sozialisierten gewalttätigen Männern, den sie nicht bekommen. Zur Bekämpfung der Kinderprostitution oder des Kinderhandels stehen nicht genügend Kräfte zur Verfügung, heißt es aus Polizeikreisen.

Für ausländische oder als ausländisch geltende Mitbürger, für die in einigen Gegenden Deutschlands der tägliche Gang zur Schule oder zur Arbeit von Demütigungen und nicht selten von physischer Gewalt begleitet wird, gibt es keinen Schutz. Trotz anders lautender Versicherungen werden auch Synagogen, jüdische Friedhöfe und Einrichtungen nicht ausreichend gesichert, Flüchtlingsunterkünfte schon gar nicht. Der Schutz von Naziaufmärschen bringt dagegen locker mal ganze Hundertschaften auf die Beine.

Für die Jagd auf so genannte Illegale, für Abschiebungen, für die Verfolgung kleiner Dealer, das Aufspüren von »Schwarzarbeitern«, die Überwachung potenzieller Terroristen und politisch links stehender Gruppen reichen die Ressourcen in dieser strukturell gewalttätigen Gesellschaftsordnung allemal aus. In Hamburg beschwert sich kaum jemand über die dauerhafte Präsenz der Polizei im Schanzenviertel nach der Räumung der zuvor geschlossenen und dann besetzen Drogenhilfeeinrichtung Fixstern. Offensichtlich gehen dem bürgerlichen Alltagsverstand hypothetische Gefahren näher als die real existierende private und staatliche Gewalt vor der eigenen Haustüre.