VW bleibt deutsch

Du bist VW!

Angela Merkel kämpft leidenschaftlich für das VW-Gesetz. Aber auch ohne dieses bliebe VW ein typisch deutsches Unternehmen.

Wenn Angela Merkel wie in der vergangenen Wo­che nicht nur als erste CDU-Kanzlerin nach Kon­rad Adenauer das VW-Werk in Wolfsburg ­besucht, um eine von 15 000 Beschäftigten und Gewerkschaftern gefeierte Rede zu halten, sondern auch ein Trikot des VfL Wolfsburg anzieht, muss Außer­ordentliches im Gang sein. Zumal es nicht bei der volkstümlichen Verbrüderung blieb: Dem Erhalt des VW-Gesetzes räumte Merkel nationale Bedeutung ein, denn: »VW ist Deutschland!«
Die EU-Behörden hingegen verlangen wegen Wett­bewerbswidrigkeit die Abschaffung des deutschen VW-Gesetzes, auch in seiner Neufassung. Dem Unternehmen Porsche käme das gelegen: Es besitzt 35 Prozent von VW, hat aber nicht das Sagen, da dem Gesetz zufolge ein Aktionär nicht mehr als 20 Prozent der Stimmen geltend machen kann. Grundlegende Entscheidungen müssen mit mehr als 80 Prozent der Stimmen getroffen werden. Da das Bundesland Nieder­sachsen 20 Prozent der Anteile besitzt, verfügt es über eine Sperrminorität.
Das VW-Gesetz trat 1960 in Kraft, als die Briten die Kontrolle über die Firma abgaben und sie privatisieren wollten. Das war den ehemaligen Volksgenossen bzw. neuen Bundesbürgern und ihrer Regierung nicht recht, schließlich war allen beim Bau des Werks ein KdF-Wagen versprochen worden. Deshalb sicherte sich Deutschland in dem Gesetz entscheidenden Einfluss auf VW, so viel Kontinuität musste auch nach der »Stunde Null« sein. Die Deutschen bekamen ihren KdF-Wagen, der dann freilich »Käfer« hieß.
Die Gewerkschaften, mit deren geraubtem Vermögen die Nazis das Werk zum Teil aufgebaut hatten, erhielten zwar kein Schweigegeld. In dem Gesetz wurde ihnen aber zu ihrer Zufriedenheit große Mitbestimmung zugesichert. Die Menschen aus ganz Europa, die für den Bau des Werkes in Wolfsburg mörderische Sklavenarbeit leisten mussten, gingen leer aus. Von diesem historischen Schwindel, der dem deutschen Staat auch nach dem Ende des NS einen Teil der Kontrolle über VW sicherte, ist derzeit nicht die Rede. Die Gewerkschafter preisen das VW-Gesetz lieber als Instrument zur Abwehr von »Heuschrecken« und »vagabundierendem Kapital«.
Sollte das Gesetz nicht mehr gelten, würde mit Porsche aber keine »Heuschrecke« die Macht über VW erhalten. Ferdinand Piëch, der ehemalige Vorstandsvorsitzende und derzeitige Aufsichtsratsvorsitzende von VW, ist Miteigentümer von Porsche und der Enkel von Ferdinand Porsche. Dieser baute für die Nazis das Werk in Wolfs­burg und erfand den KdF-Wagen. Als Wehrwirtschaftsführer forderte er als einer der ersten Zwangs­arbeiter an. Das Zusammenwachsen von Porsche und VW wäre also eine Familienzusammenführung unter Profiteuren des NS. Ob mit dem VW-Gesetz der Einfluss des deutschen Staates auf VW als Überbleibsel der NS-Wirtschaftspolitik erhalten bleibt oder ohne das Gesetz Porsche über VW bestimmt: Volkswagen bleibt in jedem Fall ein typisch deutsches Unternehmen.