Der »Internationale Aktionstag« zur Wirtschaftskrise: Falsche Demonstration mit falschen Inhalten

Alles Blockmist

Man kann auf einer falschen Demonstration nicht für das Richtige demonstrieren. Schon gar nicht, wenn man das Richtige nicht kennt.

»Wir zahlen nicht für eure Krise« lautet das Motto der Großdemonstrationen am Samstag in Berlin und Frankfurt/Main. »Wir« sind in diesem Fall u.a. zahlreiche Gewerkschaften, Attac, Jusos aus Erlangen, Antifas, Grüne und die Linkspartei, das Arbeitnehmerpastoral der Erzdiözese Bamberg und der Bund der Pfadfinderinnen und Pfadfinder. »Eure«, damit müssen dann wohl die anderen gemeint sein. Zum Beispiel das »entfesselte Kapital« und die »Finanzmärkte«. Es wäre zwar reichlich verrückt, wenn die aufrufenden Gruppen mit jenem »Wir« sich selbst meinen würden, denn nichts spricht bislang dafür, dass vor allem Attac, die Kommune Niederkaufungen und die deutschen Pfadfinder und Pfadfinderinnen die Weltwirtschaftskrise ausbaden müssten. Aber schlimmer noch ist, dass davon auszugehen ist, dass sie mit »wir« nicht sich selber meinen, sondern »uns alle«, das »Volk« vermutlich, irgendwie. Anders gesagt: »Wir (Deutschen) zahlen nicht für eure (Amerikaner, Banker, Finanzhaie) Krise.« Wie Angela Merkel sagte: »In der Krise zeigt sich der Gemeinsinn. (…) Wir Deutschen haben schon ganz andere Herausforderungen gemeistert«.

Im Grunde hat die Gruppe TOP Berlin in ihrem Beitrag fast alle Gründe aufgezählt, weswegen man einen Bogen um diesen Volksauflauf am kommenden Wochenende machen sollte. Und dennoch hat sie einen »Aufruf zum antikapi­talistischen Block auf der Krisendemonstration« verfasst. Wie schon in Heiligendamm kann sie es nicht lassen. Sie will dabei sein. Wo die Massen sind, ist TOP Berlin nicht weit. Natürlich ganz kritisch. Sie bildet einen eigenen Block, innerhalb eines speziellen Blocks, oder so, und überhaupt, man ist zwar dabei, aber vor allem, um »den Finger in die Wunde zu legen«. Das Prinzip Demonstration hat sie offenbar nicht verstanden. Eine Demonstration ist eine in der Öffentlichkeit stattfindende Versammlung zum Zwecke der gemeinsamen Meinungsäußerung. Man kann die dort vertretene Meinung teilen, dann geht man hin, oder man lehnt sie ab, dann geht man nicht hin. Die Frage, was man dort zu suchen hat, wenn man die vorgetragenen Ansichten ablehnt, hat TOP nicht beantwortet.
Die Post-Antifas aus Berlin wollen im Grunde mit ihren »besseren Argumenten« intervenieren. Das will aber auch schon die »Interventionistische Linke«, von der sich TOP so gerne abgrenzt. Im Grunde will das jede Gruppe oder Sekte, die dir auf einer Demonstration ihr Flugblatt in die Hand drückt. Eine Demonstration wird von der Öffentlichkeit, und an die richtet sie sich, als Gesamtheit wahrgenommen. Ob in einem Unterblock des So-und-so-Blocks in der vierten Reihe jemand eine andere Meinung hat, interessiert – zu Recht – niemanden.
Selbstverständlich ist vieles in den diversen Texten, die zur Teilnahme an den diversen Blöcken aufrufen, richtig. Es wird nur niemand mitbekommen. Die Demonstration wird unter einem Motto stehen und wahrgenommen werden: »Wir« gegen »die da«.

In dem Beitrag von TOP Berlin wird Tony Soprano zitiert, der sich auf das Glücksversprechen des Staats beruft. Er appelliere an den Staat, heißt es, und wolle »von ihm sein Glück bekommen«. Doch in der beschriebenen Szene appelliert er gar nicht an den Staat, er hockt jammernd bei seiner Psychotherapeutin. Aber auch von ihr ist das Glück nicht einklagbar. Den Glauben an das Glücksversprechen des Staats findet TOP Berlin naiv, das Glücksversprechen des Kommunis­mus hingegen völlig plausibel. Und der steht ja quasi vor der Tür, »wie 1917«, sogar Lenin ist wieder da!
Forderungen möchte TOP angesichts dieser vorrevolutionären Situation nicht stellen, denn »jede Forderung ruft den Staat als Garanten der persönlichen Wohlfahrt an«, kritisiert TOP richtigerweise. Aber nur kritisieren will man auch nicht, man hat schließlich auch Antworten: »Die einzige Arbeitszeitverkürzung, die ihren Namen verdient, heißt Kommunismus.« Das ist natürlich eine Illusion, denn wer den Wohlstand nicht mindern und die Entwicklung einer Gesellschaft nicht stoppen möchte, der und die wird wohl oder übel arbeiten müssen – oder arbeiten lassen müssen. Im Kommunismus ebenso wie im Kapitalismus. Jedenfalls bis zu dem Zeitpunkt, da ­Ro­boter uns alle Plackerei abnehmen. Aber die muss ja auch erst mal jemand herstellen. Uff! Frau Therapeutin, TOP Berlin, wo bleibt mein verdammtes Glück?