Red Bull steigt ins Fußballgeschäft ein

Bullen in der Messestadt

Mit der Übernahme eines lokalen Fünftligavereins will der Brausekonzern Red Bull von Leipzig aus ins deutsche Fußballgeschäft einsteigen.

Beim Roten Stern kann man sich über mangelnden Erfolg nicht beklagen. Sowohl das Damen- als auch das Herrenteam des 1999 gegründeten linken Sportvereins aus Leipzig-Connewitz haben in der vergangenen Saison den Stadtpokal geholt, die Herren konnten noch dazu die Meisterschaft und den Aufstieg in die Bezirksklasse feiern – die Supporter entrollten beim Endspiel ein Transparent mit der Aufschrift: »The winner takes it all«. Nun freuen sich die Fußballer darauf, »mit möglichst vielen Fans in der Provinz aufzuschlagen«, um dort »wie Außerirdische beäugt zu werden«.
Um den profiorientierten Fußball ist es in der Stadt hingegen nicht so gut bestellt. Die beiden Traditionsclubs, der 1. FC Lokomotive und der FC Sachsen, früher BSG Chemie Leipzig, treffen sich in der beginnenden Saison in der 5. Liga wieder – vorläufiger Tiefpunkt einer jahrelang andauernden Berg- und Talfahrt der Leipziger Spitzenclubs. Schlagzeilen macht Leipzig allenfalls durch Ausschreitungen oder organisierte Überfälle der rechtsradikalen Lok-Ultras, von denen sich der Verein lange nur halbherzig distanzierte. Erst nach einer massiven Sanktionsdrohung durch DFB-Präsident Theo Zwanziger gab es einige Stadionverbote.
Vereinspräsident Steffen Kubald, der selbst aus der Lok-Hooliganszene stammt und seine Biogra­fie gern mit der von Joschka Fischer vergleicht, sagt inzwischen: »Wer sich nicht an die Regeln hält und dem 1. FC Lok schadet, kriegt von uns Hausverbot.«
Dennoch kommt es bei Lok-Spielen immer wieder zu heftigen Gewaltausbrüchen, die Zuschauer im Block stellen sich schon mal in Form eines Hakenkreuzes auf oder gehen mit Eisenstangen auf Polizisten und vermeintliche Gegner los. Im vergangenen Jahr wurden zwei von Chemie-Fans veranstaltete Weihnachtsfeiern angegriffen. Vermummte verletzten Gäste und Personal mit Baseballschlägern, bedrohten sie mit Gaspistolen und zertrümmerten die Einrichtung.
Alle Versuche, erstklassigen Fußball in der Stadt zu etablieren, sind in den vergangenen Jahren gescheitert. Das 2004 fertiggestellte Zentralstadion mit seinen 45 000 Plätzen war 2006 WM-Austragungsort. In den Jahren danach wurde es zum Schauplatz der tristen Regionalliga-Partien des FC Sachsen mit einigen hundert Zuschauern. Und des anschließenden Abstiegs beider Teams in die Oberliga.
Dabei stand es um die etablierten Leipziger Clubs nicht immer so schlecht. In der Saison 1963/64, ausgerechnet in dem Jahr, als der 1. FC Lok offiziell zum Leistungszentrum der Leipziger Region erklärt wurde, holte der Lokalrivale Chemie die DDR-Fußballmeisterschaft. Dem »Club« selbst gelang dies nie, dennoch war Lok vor allem im FDGB-Pokal und international sehr erfolgreich. »Wer spielt besser als die Brasilianer, nur die Leipziger Eisenbahner«, hieß es damals. Im Jahr 1987 zog Lok Leipzig ins Finale des Europacups der Pokalsieger ein und scheiterte knapp mit 0:1 gegen Ajax Amsterdam.
1991 wurde Lok in VfB Leipzig umbenannt, so hieß der inoffizielle Vorgängerclub, der 1903 erster deutscher Meister wurde und bis 1946 existierte. Als VfB spielte die Mannschaft eine Saison in der Bundesliga, stieg jedoch wieder ab und musste sich knapp zehn Jahre später nach der zweiten Insolvenz auflösen.
Fans gründeten 2003 einen neuen Verein namens 1. FC Lokomotive Leipzig e.V. Inzwischen spielt dieser wieder in der Oberliga. Auch der FC Sachsen Leipzig, der im Jahr 1990 aus einer Fusion der BSG Chemie Leipzig mit Chemie Böhlen hervorgegangen war, schaffte es trotz finanzieller Förderung, hochkarätiger Spielereinkäufe und Trainerwechsel nie über die 3. Liga hinaus.
Michael Kölmel, Betreiber des Zentralstadions, hat eine Menge Geld in beide Vereine investiert, doch viel bringt das Stadion derzeit nicht ein.
Nun naht Rettung: Drei Jahre hatte der österreichische Getränkekonzern Red Bull nach einem Verein gesucht, den er übernehmen kann, um in den deutschen Fußballmarkt einzusteigen. Gegenstand des Interesses waren etwa Fortuna Düsseldorf und Sachsen Leipzig. Doch Fanproteste und das Reglement des DFB vereitelten die Übernahmepläne – unter anderem verbieten es die Statuten, dass ein Verein den Namen seines Sponsors trägt.
Gemeinsam mit dem SSV Markranstädt und einem Konzept ging Kölmel nun seinerseits auf Red Bull zu. Diesmal stimmten die Voraussetzungen. Der Leipziger Vorortverein gliederte seine Fußballabteilung aus und übertrug Red Bull die Startrechte für die 5. Liga, in der kein DFB-Lizenzierungsverfahren greift. Selbst der Vereinsname klingt jetzt ganz unverfänglich. RBL steht offiziell für »Rasen-Ballsport Leipzig«.
Die Saison 2009/10 bestreitet Red Bull noch im »Stadion am Bad« in Markranstädt, nach dem schon fest eingeplanten Aufstieg in die Regionalliga soll der RBL ins Zentralstadion umziehen, an dem Red Bull dann auch die Namensrechte besitzt. Läuft alles nach Plan, soll RB Leipzig in spätestens acht Jahren in der Red-Bull-Arena Bundesligafußball spielen.
Der RBL ist nicht der erste Versuch des Getränkekonzerns, mit Fußball Reklame für sich zu machen. In Salzburg übernahm Red Bull im Jahr 2005 die Austria und kaufte sich damit direkt in die österreichische Bundesliga ein. Die aktiven Fans verließen den Verein und gründeten eine neue Austria, die auf Landesliganiveau spielt. Red Bull wurde seit der Übernahme zwei Mal österreichischer Meister. Neben Red Bull Salzburg existierem noch ein Team in New York sowie Fußballschulen in Brasilien und Ghana. Mit seinem Einstieg in Leipzig möchte Red Bull »helfen, dem Fußball in der Region wieder den Stellenwert zu geben, den er verdient«, wie es der Geschäftsführer von Red Bull Soccer formuliert. Ein weiteres Ziel dürfte es sein, die Marke Red Bull neben der Formel 1 in einem weiteren massentauglichen Sport zu etablieren.
Wenn also in der kommenden Saison von den Rängen einer der beliebten Gesänge gegen »Bullenschweine« ertönt, wäre es durchaus möglich, dass damit einmal nicht die Polizei gemeint ist.
Bislang ist es völlig unklar, wer die Fans von Red Bull alias Rasenball Leipzig überhaupt sein werden, einig sind sich die Beobachter jedoch, dass sie am Anfang einen schweren Stand haben werden. Kurz nach Bekanntwerden des Einstiegs in Markranstädt wurden im Stadion am Bad Anti-Red-Bull-Parolen angebracht und der Rasen wurde mit Unkrautbekämpfungsmittel ruiniert.
In der am 9. August beginnenden Saison der Oberliga Nordost werden sich alle drei Leipziger Teams samt Anhang begegnen. Wenn Lok und Sachsen gegeneinander spielen, gleicht die Situation in der Stadt traditionell einem Ausnahmezustand, und Tausende Polizisten versuchen, das Schlimmste zu verhindern. Wenn nun auch noch der RB Leipzig am Start ist, der weder beim Anhang von Lok noch bei Sachsen Leipzig große Sympathien hat, wird die Lage gleich noch ein bisschen brenzliger.
Die Mehrheit der Leipziger Bevölkerung scheint von dem neuen Verein indes begeistert zu sein, die Leipziger Volkszeitung übt sich in Jubelberichterstattung, und die erste offizielle Fanpage des Vereins erfreut sich großen Zuspruchs.
Zweifellos gilt Red Bull als Favorit, schließlich verpflichtete die Mannschaft bereits jetzt mehrere Spieler aus höheren Spielklassen. Einige Akteure des SSV Markranstädt wurden aber auch übernommen. Steffen Kubald zufolge sei Red Bull das »Bayern der Oberliga« – doch auch Bayern sei eben dieses Jahr nur Zweiter geworden.
Das Potenzial für den Aufstieg hätten auch die anderen Leipziger Teams. Beim Roten Stern gibt es zu den neuen Entwicklungen keine einheitliche Meinung. Während einige Red Bull als »aufgeblasenes Kommerzmonster« ablehnen, stehen andere dem Verein aufgeschlossener gegenüber und sehen darin eine »Konsequenz aus dem logisch nicht mehr zu erklärenden Krieg zwischen den beiden traditionellen Fußballmächten der Stadt«.
Der Rote Stern wiederum könnte schon in der kommenden Saison im Bezirkspokal auf die zweite Mannschaft von Red Bull treffen. Nach dem ersten großen Derby gefragt, meint eine Sprecherin: »Ansonsten trifft man sich vielleicht irgendwann einmal in der Bundesliga. Man trifft sich immer zweimal im Leben.«