Der kalifornische Sound der Revolte

Wir sind die Krise

Aus Kalifornien kommt der neue Sound einer Revolte, die die Kritik der Situationisten an der Universität mit den gegenwärtigen Krisenerfahrungen verbindet.

Aufrührerische Pamphlete schwirren durch Kalifornien. Am 4. März soll ein Streik in den öffentlichen Ausbildungsinstitutionen des bankrotten Bundesstaats stattfinden. »Occupy Everything – Fight Everywhere – Strike March 4th« oder: »In the schools, in the streets, in the cities… Strike. Occupy. Take over.  March 4 – No business as usual« heißt es in den Aufrufen einer Fraktion, die eher maximalistische Positionen vertritt.
Ähnlich wie in Österreich und Deutschland wurden in Kalifornien im vergangenen Herbst Universitätsgebäude besetzt. Initiiert wurden die Besetzungen meist von einer kleinen radikalen Minderheit der Studierenden. Bereits im September ging es los und zog sich bis in den November hinein. Nun ist im Netz ein Reader veröffentlicht worden, der die Ereignisse aus einem radikalen Blickwinkel reflektiert und die frohe Botschaft verbreiten will, um den 4. März vorzubereiten: »After the Fall: Communiqués from Occupied California« ist der Titel.
»In Kalifornien schreiben die Kids ›Besetzt alles‹ an die Wände. ›Fordert nichts‹, schreiben sie. Sie stürzen Müllcontainer um und verkeilen sie in den Gängen der Gebäude, in denen ihre Freunde eingeschlossen sind. Draußen schmeißen sie große Elektrokommunistische Tanzpartys«, heißt es in der Einleitung des Readers. »›Wir sind die Krise‹, sagen sie. Sie starten Blogs namens Anti-Capital Projects; We Want Everything; Like Lost Children, um ihre Communiqués und aufrührerischen Pamphlete besser zu verbreiten. Ergo muss wirklich lebendiger Kommunismus unser Ziel sein, schreiben sie.«
Das ist der neue Sound der Revolte, der aus den Vereinigten Staaten kommt. Er erinnert an die ätzende Kritik der Situationisten, ist aber grundiert von den gegenwärtigen Krisenerfahrungen: »No future for capitalist dreaming« sozusagen. Worum geht es an den Universitäten? »Die Jobs, auf die die Universität die Studenten angeblich vorbereitet, existieren nicht mehr, während man von ihnen fordert, immer mehr Geld für ein entwertetes Diplom aufzubringen«, heißt es zugespitzt in dem Text. »Die voraussichtliche Zukunft des College-Graduierten wird von der Wirtschaftskrise zerstört, während jede alternative Zukunft, die durch Insurrektion ermöglicht würde, vom kapitalistischen Zynismus unsichtbar gemacht wird. Die Zukunft ist doppelt abwesend.« Das »Communiqué from an Absent Future« der Gruppe »Research & Destroy« von der Universität in Santa Cruz ist ein Schlüsseltext dieser Strömung. Es skizziert ein internationales Szenario von der Anti-CPE-Bewegung, die im Jahr 2006 in Frankreich mit radikalen Kampfformen die Abschaffung des Kündigungsschutzes für unter 26jährige verhinderte, bis hin zu den Unruhen in Griechenland im Dezember 2009, in der Studenten und Schüler ebenfalls eine große Rolle spielten. In deutscher Übersetzung findet das Kommuniqué sich auf www.grundrisse.net.
Die Krise der Universitäten ist nur ein Teil der umfassenden Krise der Gesellschaft des Kapitals. Aber die Studenten sind auch nur variables Kapital in Ausbildung, das auf seine Verwertung in einer ungewissen Zukunft hofft. Das ist in der Krise unübersehbar geworden. Wie kommt man raus aus der Misere? Ein Graffito in Santa Cruz schlägt vor: »Live Communism, spread Anarchy«.