Über Antifas und Rechtspopulismus in den Niederlanden

Die Antifa-Aktie steigt

In Deutschland sind Parteien wie Pro Köln und Pro Deutschland noch ein relativ neues Phänomen. In den Niederlanden haben Antifaschisten schon mehr Erfahrung mit dem Rechtspopulismus gesammelt.

»Unser Bus hat keine Fenster mehr und der muslimische und linke Abschaum da drüben versucht uns anzugreifen.« Der Redner von der English Defence League (EDL) stand auf seinem Podest und klagte über die widrigen Bedingungen, unter denen sein Auftritt in Amsterdam stattfand. Organisiert hatte die Kundgebung, bei der Solidarität mit dem Rechtspopulisten Geert Wilders demonstriert werden sollte, die neu gegründete Dutch Defence League (DDL). Statt der angekündigten 1 000 Sympathisanten erschienen zu der Veranstaltung vor zwei Wochen schließ­lich nur 50 Teilnehmer. Angereist waren Rechts­populisten und Neonazis aus England, Frankreich, Norwegen, Österreich und Deutschland. Sie verfolgen das Ziel, eine europäische Bewegung zu schaffen. Ihr gemeinsames Feindbild ist der Islam, insbesondere Migranten aus muslimischen Ländern. Ihr Vorbild Wilders will in den nächsten Jahren die Migrationsrate aus islamischen Ländern um 50 Prozent senken – ein Ziel, das er bereits mit der christdemokratisch-liberalen Minderheitsregierung vereinbaren konnte.

Die Stadt Amsterdam hatte die Kundgebung kurzfristig ins Nirgendwo des Hafengebiets verlegt. Antifaschisten, Fußballfans von Ajax Amsterdam und Jugendliche wurden von der Polizei in der ­S-Bahnstation »Sloterdijk«, die ganz in der Nähe des Veranstaltungsortes liegt, aufgehalten. Einzelnen Personen gelang es, die Kundgebung direkt zu stören, ein älterer Mann versuchte einem Redner das Manuskript zu entreißen. Die Kundgebung verlief chaotisch und endete schnell. Im Stadtzentrum von Amsterdam versammelten sich unterdessen etwa 800 Menschen zu einer Gegenveranstaltung. Gruppen autonomer Antifaschisten versuchten zur Versammlung der Rechtspopulisten vorzudringen, scheiterten aber an der Polizei, die mit einem Großaufgebot im Einsatz war. »Wir wollen zeigen, dass solche rechtsextremistischen Gruppen in Amsterdam nicht willkommen sind«, sagte Job Polak, Sprecher der »Antifascistische Aktie«, in einem Interview im niederländischen Fernsehen.
In den neunziger Jahren war es in den Niederlanden noch wesentlich leichter, Aufmärsche von Neonazis zu verhindern. »Manchmal bekamen wir einen Anruf von einem Bürgermeister, der uns, nachdem Nazis einen Aufmarsch angekündigt hatten, aufforderte: ›Bitte schickt ein Fax, dass ihr auch kommen werdet.‹ Das hat eine Weile ganz gut funktioniert«, erzählt Jeroen Bosch. Während dieser Zeit war er als Koordinator bei der »Antifascistischen Aktie« aktiv, nun ist er Redakteur der Recherchezeitschrift Alert. Damals wurden fast alle Demonstrationen von Nazis verboten. Die Gegenmobilisierung war stark und den Nazis fehlte es an juristischem Know-how.

Im Jahr 2001 klagten Nazis erstmals gegen das Verbot einer Demonstration und gewannen den Rechtsstreit. Seit diesem Zeitpunkt finden jedes Jahr durchschnittlich acht Nazidemos in den Niederlanden statt. Nicht nur die Zunahme von rechtsextremen Aufmärschen setzte den Aktivisten der »Antifascistischen Aktie« um die Jahrtausendwende zu, bemerkbar machte sich vor allem ein Wandel der gesellschaftlichen Reaktion auf dieses Problem. Im Januar 2000 veröffentlichte der Soziologe Paul Scheffer, ein prominentes Mitglied der Sozialdemokraten, im Handelsblad einen Artikel über das Scheitern der multikulturellen Gesellschaft und löste damit eine rechtspopulistische Debatte über Integration und den Islam aus.
Mit den Attentaten vom 11. September 2001 wurde die Stimmung gegenüber Muslimen immer feindlicher, ein rassistischer Rechtspopulismus nahm weiter zu. Als im Jahr 2002 der Rechtspopulist Pim Fortuyn von einem radikalen Umweltschützer ermordet wurde, argumentierten Rechts­populisten, dass Umweltschützer bekanntlich links seien, und folgerten, dass die Linke politisch für die Ermordung Fortuyns verantwortlich sei. Mit Erfolg, eine empörte Öffentlichkeit wandte sich gegen die Linke. »Wir waren total in der Defensive«, bekennt Bosch. »Unsere traditionelle Taktik funktionierte immer weniger«, erinnert sich auch Polak, der Sprecher der »Antifascistische Aktie«.

Mit einer Zeitung gegen Rechtspopulismus, dem Projekt »Lonsdale News« gegen subkulturellen Rechtsextremismus und Recherchen über die Grauen Wölfe sowie mit dem Empowerment von Gemeinden und vor allem Jugendlichen im Vorfeld von Naziaufmärschen begann die »Antifascistische Aktie« sich in den folgenden Jahren gegen den Rechtsruck in den Niederlanden zu stemmen.
In diesem Jahr störten die Antifaschisten immer wieder den Wahlkampf von Wilders »Partij voor de Vrijheit« (PVV). Sie druckten Poster mit dem Slogan »Gib Angst und Hass keine Stimme« und plakatierten sie in vielen Städten. »Zusätzlich haben wir 20 000 ›Stop Wilders‹- Aufkleber gedruckt und kostenlos überallhin, gerade in ländliche Gebiete, verschickt. Die waren ziemlich schnell weg«, erzählt Polak. Aktivisten aus Nijmwegen organisierten eine Kampagne mit dem Titel »Wilders schließt auch dich aus«, die das Programm des Rechtspopulisten kritisch analysierte. Mit kurzen Texten wurde darin aufgezeigt, dass die PVV entgegen ihrer Selbstdarstellung nicht die Interessen des »einfachen arbeitenden Mannes« vertritt, sondern in ihrem Programm eine neoliberale Steuerpolitik fordert, von der vor allem Besserverdienende profitieren würden. Außerdem machten die Aktivisten darauf aufmerksam, dass Frauen mit Kürzungen bei den Hilfsangeboten für Abtreibungen rechnen dürften, wenn Wilders’ Programm umgesetzt würde. »Auch beim Parteitag der Christdemokraten, wo abgestimmt wurde, ob die Christdemokraten mit der PVV koalieren wollen, haben wir protestiert«, sagt Polak. Die Christdemokraten einigten sich dennoch auf eine Koalition mit Wilders PVV.
Bei der Kundgebung der Dutch Defense League vor zwei Wochen war die »Antifascistische Aktie« erfolgreicher. Die Solidaritätsveranstaltung für Wilders geriet für die Rechtspopulisten zum Desaster. Bosch sagt, dass man die DDL weiterhin beobachten werde, um zu schauen, ob sie sich zu einer rechten Schlägertruppe oder einer rechten Bürgerbewegung entwickle. Zu den im März kommenden Jahres stattfindenden Regionalwahlen wollen die Antifaschisten erneut eine Kampagne gegen die PVV organisieren. Bosch und Polak glauben, Wilders Popularität verdanke sich vor allem seiner medialen Präsenz. Für die Regionalwahlen müsse sich die PVV jedoch vergrößern, Wilders könne dabei seine »eiserne Kontrolle« über die Partei verlieren. »Da werden Risse entstehen, und an denen können wir ansetzen«, hofft Polak. Und auch Bosch gibt sich optimistisch. Er geht davon aus, dass all jene, die nicht ins Bild der Rechtspopulisten passen, »es leid sind, beleidigt zu werden«.