Wie sich Seefahrer und Weltumsegler vor Piraten zu schützen suchen

Safer Shipping im Golf von Aden

Während die Politik harte Strafen für somalische Piraten fordert, hat man sich in der Region längst auf die Situation eingestellt und lebt mit der Bedrohung durch die Piraterie. Während die internationalen Marinestreitkräfte Seefahrer auf eine mögliche Gefangenschaft vorbereiten, versuchen die Weltumsegler, sich durch die Bildung von Konvois zu schützen.

»Wir fanden, es ist wichtig, Informationen und Verhaltsregeln bereitzustellen, damit die, die in die unglückliche Situation kommen, Gefangene von Piraten zu sein, wissen, was auf sie zukommt und wie sie sich am besten verhalten sollten.« So erklärt Simon Church von der maritimen EU-Eingreiftruppe European Naval Forces (EU NAVFOR) die Veröffentlichung des Faltblattes »Surviving Piracy«. Das Faltblatt sei in einer Auflage von 10 000 Stück gedruckt und in den Häfen rund um das Horn von Afrika an die Crews der das Gebiet passierenden Schiffe verteilt worden. »Akzeptieren Sie, dass Sie vermutlich für sechs bis zwölf Wochen oder auch länger in Gefangenschaft sein werden, versuchen Sie in der Gefangenschaft den bestmöglichen Lebensstandard aufrechtzuerhalten und sich mit einer täglichen Routine und ausreichend Schlaf fit zu halten«, rät die kleine Informationsschrift. Sehr britisch wird dem besorgten Seefahrer geraten, Ruhe zu bewahren und stets optimistisch zu bleiben. Weitere Ratschläge sind, sich nicht in Dispute unter den Piraten einzumischen, insbesondere wenn diese unter Drogen stünden, selber keine Drogen zu nehmen und – bereits im Voraus – die Familie in der Heimat auf eine mögliche Gefangenschaft vorzubereiten.
Das seien Erfahrungen aus der Praxis, meint Church: »Das haben wir nicht aus irgendeinem Buch, sondern das sind einfach Informationen, die wir von freigelassenen Seefahrern bekommen haben, die berichteten, was sich in der Gefangenschaft als gutes Verhalten erwiesen hat.« Die Piraterie sei ein Geschäft. »Gefangene werden bedroht, um den Druck in den Verhandlungen zu erhöhen, aber sie werden nicht ernsthaft verletzt, denn die Piraten wissen genau, dass sie damit das maximal für sie erreichbare Lösegeld schmälern würden«, sagte Church im Gespräch mit der Jungle World. Im Golf von Guinea vor Nigeria beispielsweise seien die Piraten sehr viel gewalttätiger.
Auf die Frage, ob die Erstellung des Heftchens nicht auch ein Zeichen der Hilflosigkeit gegenüber der Piraterie sei, meint Church: »Nein, wir sehen das Faltblatt nicht in diesem Kontext.« Das Heft sei natürlich nicht repräsentativ für die Arbeit der Marinestreitkräfte, Arbeitsschwerpunkt werde auch weiterhin die Prävention von Piraterie sein. »Dass wir das Faltblatt veröffentlicht haben, ist schlicht der Tatsache geschuldet, dass im Moment etwa 500 Seeleute und mehr als 20 Schiffe von Piraten gefangen gehalten werden.« Deswegen sehe man sich in der Verantwortung, »unsere Expertise einzusetzen, um möglicherweise Betroffenen zu helfen«.

Auch die Mitglieder der kleinen internationalen Community der Weltumsegler wollen unbedingt vermeiden, in Gefangenschaft zu geraten. Immer wieder werden auch Segelyachten in den Gewässern um Somalia von Piraten angegriffen. Um zumindest einen gewissen Schutz gegen Piratenangriffe zu organisieren, fahren viele Segler in großen Gruppen, in Konvois. »Natürlich ist das Seegebiet vor Somalia gefährlich, aber wir haben eigentlich keine Alternative«, meint Weltumsegler Tom Sampson, ein ehemaliger Offizier der britischen Luftwaffe, der dieses Jahr einen Konvoi organisiert hat. Die alternative Route um die Südspitze Afrikas herum würde für Segler eine zweijährige, mehrere tausend Seemeilen lange Reise bedeuten. Nur zwei Monate dauert hingegen die Fahrt durch das gefährliche Seegebiet zwischen Somalia und dem Jemen, durchs Rote Meer ins Mittelmeer.

Die Fahrt im Konvoi ist fast militärisch durchorganisiert. »Wir fuhren in enger Formation von je sechs Yachten, angeführt von einem Schiff«, erinnert sich der Segler Fatty Goodlander. Jedem Schiff wird dabei ein Codename zugewiesen. Der Konvoi fährt außerhalb der bekannten Schifffahrtswege, führt keine Positionslichter, keine Radarreflektoren, der Funkverkehr wird auf das absolute Minimum reduziert und es wird Tag und Nacht ohne Pause durchgefahren. Nicht aufzufallen, ist die Taktik des Konvois. »Auf Zehenspitzen durch Piratengewässer schleichen«, nennt Goodlander das. Etwa 120 Yachten passieren so jährlich den Golf von Aden. Konvoi-Organisator Sampson forderte Ende Oktober deswegen gegenüber dem britischen Sunday Telegraph von den Seestreitkräften Begleitschutz auch für Yachtkonvois.
Darauf wollten die Offiziere der Seestreitkräfte nicht eingehen. Sie betonten, dass sie keine absolute Sicherheit garantieren könnten. Dafür ist das Seegebiet um Somalia, das mit über 5,2 Millionen Quadratkilometern mehr als 14 mal so groß wie das Territorium Deutschlands ist, schlicht zu groß. Wer, sei es als Segler oder Berufsschiffer, durch den Golf von Aden und den ­angrenzenden indischen Ozean fährt, wird wohl auch in Zukunft mit der Piraterie leben müssen.