Unter Vorbehalt

Es war nur eine Frage der Zeit, bis das deutsche Feuilleton Boualem Sansal auf die Schliche kommen würde. Seit bekannt ist, dass der algerische Autor mit dem diesjährigen Friedenspreis des Deutschen Buchhandels ausgezeichnet wird, gilt er nicht länger als Autor der Peripherie, dessen Werk man als exotisch abtun kann. Es überrascht auch nicht, dass es ein Islamwissenschaftler ist, der die Entscheidung kritisiert und in der Süddeutschen Zeitung die Frage aufwirft, ob die Jury es sich nicht zu einfach gemacht habe, als sie Sansal den Friedenspreis zuerkannte. Schließlich spiegelten »seine Skepsis und seine Vorbehalte gegen die arabischen Revolten (…) weitgehend den islamkritischen Mainstream« wider. Der Autor von »Das Dorf des Deutschen« mache es den Westlern allzu leicht, seiner Kritik zu folgen, weil er seine Leser zu »Komplizen« mache, denen »Begnadigung vor der Geschichte versprochen wird«. Stefan Weidner hätte lieber einen Autor gesehen, in dessen Dankesrede am 16. Oktober 2011 auch »wir unser Fett« wegkriegen. Sansal ist also nicht antiwestlich genug, und, Weidner deutet es an, nicht antiisraelisch genug, um eine authentische Stimme der arabischen Welt zu sein. Weidner entblödet sich nicht, Sansal und anderen Autoren der frankophonen Welt vorzuhalten, dass sie nicht auf auf Arabisch schrei­ben. Allerdings begreift sich Sansal gar nicht als arabischer oder islamischer Autor, sondern als algerischer. Und er schreibt in einer Sprache, die für ihn zu Algerien gehört wie das Arabische und die Sprachen der Berber. Für Sansal bedeutete die nationale Befreiung, dass die Algerier nicht nur die Freiheit haben, sondern auch die Verantwortung, ihre Geschichte selbst zu schreiben.
Der Vorwurf des »Exotismus«, mit dem Weidner, der den echt arabischen Kitschpoeten Adonis übersetzt, Sansal für die Rezeption seines Werkes verantwortlich machen will, zieht jedoch nicht: Ungewollt demonstriert er, dass Sansal dank des Friedenspreises nun ernst genommen wird.