Fotos von Dennis Hopper in Berlin

Cowboy auf Koks

Für seine erste große Fotoausstellung 1970 in Texas stellte Dennis Hopper ein Konvolut von Aufnahmen zusammen. Die Sammlung wurde erst nach seinem Tod entdeckt und wird jetzt in Berlin ausgestellt.

Man kennt ihn als den Psychopathen Frank Booth in »Blue Velvet«, aber auch als durchgeknallten Kriegsfotografen, der sich dem dämonischen Colonel Kurtz in »Apocalypse Now« angeschlossen hat, und natürlich als Vorreiter des New-Hollywood-Kinos, als Regisseur und Darsteller des rebellischen Hippies in »Easy Rider«: Die Rede ist natürlich von Dennis Hopper, der vor zwei Jahren starb.
Als Kunstförderer und -sammler sowie als Fotograf ist er kaum bekannt. Erst vor einem Jahr wurden fünf in Vergessenheit geratene Kisten mit seinen Fotos entdeckt. »Ich war schockiert«, schildert Dennis Hoppers Tochter Marian bei der Pressekonferenz anlässlich der Eröffnung der Ausstellung »Dennis Hopper – The Lost ­Album« im Martin-Gropius-Bau ihre Überraschung. Tatsächlich befanden sich in den unscheinbaren Kisten über 400 Fotografien für Hoppers erste große Fotoausstellung 1970 im Fort Worth Art Center in Texas. Es handelt sich um Abzüge, die er selbst gemacht und ausgewählt hatte. »Ein bisschen schäbig. Vintage eben«, wie Kuratorin Petra Giloy-Hirtz erfrischend ehrlich bemerkt.
Mit diesen Fotos hat Hopper nach eigener Aussage »keinen Cent verdient«. Mit 18 begann er zu fotografieren. Sein Freund James Dean, mit dem er in zwei Filmen spielte, hatte ihm dazu geraten. Ende der fünfziger Jahre ging Hopper nach New York, um dort bei Lee Strasberg Schaupielerei zu studieren, nebenbei fo­tografierte er Straßenszenen, Wände, Plakate, Schilder. Zur Obsession wurde die Fotografie aber erst 1961, als ihm seine zukünftige Ehefrau, die Schauspielerin Brooke Hayward, eine Kamera schenkte, die er sich selbst nicht leisten konnte. Von da an, so erzählt man sich, soll Hopper die Kamera Tag und Nacht dabei gehabt haben. Dem Filmfreund kommt natürlich sofort eine andere Legende in den Sinn: Hopper, wie er, sichtlich lädiert in voller »Apocalypse Now«-Kriegsreporter-Montur mit mehreren Fotoapparaten um den Hals, in Hamburg aus dem Flugzeug steigt, wo ihn Wim Wenders, für den er in »Der amerikanische Freund« spielen soll, schockiert in Empfang nimmt.
So glauben viele ihn auch zu kennen, als einen unberechenbaren, oftmals durch Drogen verwirrten Menschen, der mit seinen Filmrollen auf fast besorgniserregende Weise verschmolz.
Umso überraschender ist der Gang durch die Ausstellung, die die auf Karton aufgezogenen, kleinformatigen und leicht beschädigten Originalabzüge Hoppers zeigt. Hier offenbart sich der Blick eines sensiblen, überaus feinnervigen Fotografen, der stets bei natürlichem Licht fotografierte und nach eigener Aussage Wert darauf legte, seine Schwarzweiß-Bilder nicht zu beschneiden oder nachträglich in der Dunkelkammer zu bearbeiten. Wie wohltuend in den Zeiten von Photoshop! Und wie angenehm, sich auf die kleinen Unikate zu konzentrieren, die zum Teil auch nach dem Wunsch Hoppers in ungewöhnlicher Nachbarschaft nebeneinander hängen. So wird die Ausstellung tatsächlich zu einem »intimen Spaziergang« (Marian Hopper), bei dem auch die überraschende Moral, die zärtliche Seite und der stille Humor des Schauspielers aufblitzen. »Ich dachte, diese Fotogra­fien seien womöglich das Einzige, was von mir übrig bliebe«, sagte Dennis Hopper, zwei Jahre bevor er starb.
Hopper, der 1958 nach heftigen Streitereien mit dem Regisseur Henry Hathaway um die Gestaltung seiner Filmrolle zum enfant terrible in Hollywood wurde, fühlte sich den Außenseitern der Gesellschaft offenbar verbunden. So fotografierte er aus respektvoller Entfernung einen Stadtstreicher auf der Suche nach brauchbarem Müll, einfache Menschen in den Straßen Har­lems und auch immer wieder die Hells Angels. Die freiheitsliebenden Rocker sind ein beliebtes Motiv, das er mit seinem Gefühl für den Cartier-Bressonschen »entscheidenden Moment« einzufangen wusste. Seine Tochter erinnert sich, dass Mitglieder der Hells Angels manchmal sogar bei ihnen übernachtet haben: »Sie waren wie Cowboys, mein Vater liebte sie.«
Natürlich kannte Hopper damals viele Leute, die heute berühmt sind. So fotografierte er Andy Warhol im Kreis seiner Factory-Freunde oder den jungen Paul Newman, auf dessen nackten Oberkörper ein netzartiger Schatten fällt. Für das Plattencover des Albums »River Deep – Mountain High« von Ike und Tina Turner schoss er das Fotog, er fotografierte Jane Fonda in der Zeit ihres Erfolgsfilms »Barbarella«. Ob Robert Rauschenberg, Edward Ruscha, Bill Cosby, Jefferson Airplane, James Brown oder John Wayne, seine Künstlerfreunde liebten es, von ihm fotografiert zu werden, was man den entspannten Fotos auch ansieht.
Hopper erlebte nicht nur eine Zeit des Umbruchs in der Kunst, sondern auch in der Politik. »The world was on fire«, formulieren es die Ausstellungsmacherinnen. So nahm Hopper spontan mit seinem Kumpel Marlon Brando an Martin Luther Kings Selma-to-Montgomery-Marsch teil, dem Höhepunkt des American ­Civil Rights Movement, er dokumentierte die Hippiebewegung und fotografierte in der von Unruhe geprägten Zeit in Amerika beispielsweise die Sunset Boulevard Riots in L.A., wo gegen die Verschärfung der Sperrstunde demonstriert wurde. Die Beerdigung John F. Kennedys, bei der Hopper nicht zugegen ist, fotografiert er mit sicherem Gespür für den ikonischen Moment kurzerhand vom Fernsehbild ab.
Das untrügliche Gefühl für die Zeichen der Zeit konnte ihn letztlich nur wieder zum Film zurückführen, nach eigenen Worten wurde ihm beim Besuch von Filmsets immer wieder klar, »dass das Filmemachen die größte Kunstform des 20. Jahrhunderts ist«. So endet die Berliner Ausstellung ganz konsequent in einem Raum, in dem vier Mal am Tag »Easy Rider« gezeigt wird. Für dieses Filmprojekt legte Hopper 1967 den Fotoapparat von einem Tag auf den anderen für etliche Jahre komplett beiseite, um sich mit der gleichen Ernsthaftigkeit und Leidenschaft nun dem Kino zu widmen.
Auf den gigantischen Erfolg von »Easy Rider« und den Kritikerpreis 1971 in Venedig für seinen umstrittenen Film »The Last Movie« folgten zwölf Jahre, in denen er, wie er später zugab, in einem »Meer von Drogen« versank. Erst Mitte der achtziger Jahre – in Hollywood hatten sich inzwischen die Blockbuster-Re­gisseure etabliert – begann er wieder zu fotografieren. »Das dringende Bedürfnis«, erklärte Hopper, »die Fotografien zu machen, kommt von einem Ort der Verzweiflung und Einsamkeit, in der Hoffnung, dass man eines Tages sehen würde, dass dieseFotografien die Leere füllen, die ich fühlte.«

Dennis Hopper – The Lost Album. Martin-Gropius-Bau, Berlin. Bis 17. Dezember